Dienstag, 1. Juli 2025
Valborg - Endstrand
"Endstrand" offenbart die deutschen Avantgarde-Doom-Meister Valborg als visionäre Architekten eines klanglichen Untergangs. Die Formation hat ein Album geschaffen, das in seiner Düsternis einer apokalyptischen Vision ähnelt, eine akustische Verzweiflungstat zwischen industriellem Lärm, monolithischem Doom und nihilistischer Kälte. Wie der Titel bereits offenbart: Hier wartet kein Licht, sondern die stählerne Umarmung der Leere.
Das Album besticht durch minimalistische Brutalität. Mit jedem Stück bohren sich die reduzierten, hämmernden Riffs unerbittlich ins Gehör, wie Maschinenschläge, die das Ende aller Humanität verkünden. Songs wie 'Blut am Eisen' und 'Bunkerluft' klingen wie die musikalische Untermalung einer hoffnungslosen Welt; eine bedrückende Melange aus bleierner Schwere und rostiger, industrial-inspirierter Rauheit.
Die von Valborg verwendete deutsche Sprache verstärkt diese Kälte zusätzlich. Ihre knappen, fast militärisch anmutenden Phrasen wirken unentrinnbar, beinahe befehlsartig. Anstelle zusammenhängender Erzählungen präsentieren sie fragmentierte Bilder und verstörende Momentaufnahmen einer zerbrochenen Realität.
Was "Endstrand" heraushebt, ist die kompromisslose Fokussierung auf die künstlerische Vision. Hier finden sich weder ausufernde Melodien noch verspielte Soli, jedes Element dient ausschließlich der beklemmenden Atmosphäre. Der Bass grollt wie ein Generator der Entmenschlichung, das Schlagzeug hämmert mit stoischer Präzision, während der Gesang eine eisige, gefühllose Distanz wahrt.
Valborg haben einen abstoßenden Klangkoloss erschaffen, ein Album, das einen mit der Imposanz einer Betonwand trifft und durch seine ungeschönte Lichtlosigkeit in seinen Bann zieht. Für alle, die in der Musik die Konfrontation mit Abgründen suchen, ist dies der Soundtrack zum Abstieg ins Nichts.
Montag, 30. Juni 2025
Misþyrming - Söngvar elds og óreiðu
Mit ihrem eiskalten Debüt haben die Isländer 2015 einen kleinen Überraschungshit abgeliefert und gleichzeitig eines der betörendsten Black Metal-Alben im letzten Jahrzehnt. Exzessiv wird hier ein Fest aus wilden Rifforgien, feisten Melodien, chaotischen Blastbeats und intensivster Gesangsdarbietung gefeiert, auf dem man des Öfteren an die Großtaten von Deathspell Omega erinnert wird. Der Sound klingt zwar modern, aber Misþyrming verzichten zum Glück auf nervige Shoegaze-Gehhilfen, pubertierenden Post-Quatsch und progressives Gewichse – womit sich ja mittlerweile fast jede dritte Black Metal-Band den Stock in den Arsch schiebt – und liefern stattdessen ein klug komponiertes, leicht vertracktes, massiv drückendes und gitarrenlastiges Werk ab, welches mit seinen intelligenten Spannungskurven und dem perfekt arrangierten Wechsel aus aggressiven und ruhigen Momenten überzeugt. Wie toll moderner Black Metal klingen kann, ohne sich im Mief der Neunziger zu suhlen, Unmengen an Millionen in die Produktionstechnik zu stecken und dabei auch noch den Musiklehrer beeindrucken zu wollen, ist wunderbar auf "Söngvar elds og óreiðu" zu bestaunen.
Mittwoch, 18. Juni 2025
The Cars - Panorama
The Cars bewiesen 1980 mit ihrem dritten Album "Panorama", dass sie mehr waren als nur eine New Wave-Hitmaschine. Während die Vorgängeralben voller eingängiger Ohrwürmer und radiofreundlicher Singles steckten, schlug "Panorama" eine deutlich düsterere, experimentellere Richtung ein. Diese offensichtliche Kühle steht in starkem Kontrast zum lebhafteren Sound der Vorgänger.
Das Album zeigt die künstlerische Vielseitigkeit der Band in ihrer spannendsten Phase, irritierte jedoch zugleich mit seinem eigenwilligen Sound. Die kalte, mechanische Präzision erinnert mehr an die futuristische Sterilität von Kraftwerk als an den sonnigen Power Pop ihrer Hits wie 'Just What I Needed'. Synthesizer übernehmen plötzlich eine dominante Rolle, während Ric Ocaseks spöttischer Gesang eine für die Achtziger typische dystopische Stimmung heraufbeschwört – besonders auf dem zappeligen 'Gimme Some Slack', in dem die Punk-Wurzeln der Band deutlich durchscheinen. Benjamin Orrs Stimme glänzt besonders auf dem melancholischen 'Running to You'.
Das Album ist alles andere als homogen; die Band verbindet experimentelle Elemente mit der zugänglichen Sensibilität, für die The Cars bekannt waren. Mit vielen seltsam tanzbaren Taktwechseln und verschmitzten Hooklines beweist die Band, dass sie weiterhin ein Gespür für unwiderstehliche Melodien hat – diesmal jedoch eingebettet in eine kantigere Klanglandschaft. Der eigenwillige Einsatz von Gitarren und Synths schafft eine außergewöhnliche Ausgewogenheit zwischen schneidender Härte und polierter Eleganz. Auf diesem Werk war die Band besonders mutig, ging erhebliche Risiken ein und löste sich von ihrem bewährten Erfolgsrezept; zu unkonventionell, zu unnahbar – für viele Fans damals eher ein Stolperstein, für mich jedoch ganz klar das beste und ambitionierteste Album der ohnehin überragenden ersten drei Meisterwerke der Band.
Freitag, 13. Juni 2025
Tiamat - A Deeper Kind Of Slumber
Auf "A Deeper Kind Of Slumber" werden Melancholie und Schmerz in einem für das Jahr 1997 einzigartigen, düster-atmosphärischen Sounddesign verwoben und zu einem faszinierenden, hypnotischen musikalischen Traum in Form gegossen. Tiamat brachen hier radikal mit ihrem bisherigen Sound und überforderten ihre Fans mit diesem direkten Nachfolger ihres Klassikers "Wildhoney", das jeden Ansatz von "Sturm aus Riffs" erst gar nicht zulässt - so sehr, dass es bis heute für mich das beste Werk ihrer Karriere darstellt.
Der Wechsel im Sound der Band, allein und "egoistisch" getrieben von der kreativen Vision Johan Edlunds, ist sofort hörbar. Während "Wildhoney" noch auf dichte Gitarrenwände und epische Melodien setzte, öffnet "A Deeper Kind Of Slumber" die Tür zu einer für die damalige Zeit in diesem Genre ungewohnten psychedelischen Dimension. Massive elektronische Elemente, Trip-Hop-Anklänge und tribalartige Percussions treffen hier auf sehr sparsame Gitarrenarbeit und atmosphärische Keyboards. Songs wie "Cold Seed" oder das betörend schöne "Atlantis as a Lover" zeigen Tiamat in einer Phase vollendeter experimenteller Reife.
Johan Edlunds Stimme steht im Zentrum des Albums - zurückhaltend, aber voller emotionaler Kraft. Sein Gesang schwebt zwischen erzählendem Flüstern und melancholischer Klage. Edlund erzählt Geschichten, die sich zwischen Themen wie Verlust, existenzieller Einsamkeit und einem Hauch esoterischer Mystik bewegen, was perfekt zur traumhaften Atmosphäre passt. Die Produktion auf "A Deeper Kind Of Slumber" ist makellos (auch wenn dezent die typische 90er Century Media-"Ästhetik" erkennbar ist) und fängt jede Nuance ein - sei es das warme Summen der Basslinien oder die sphärischen Synthesizer-Arrangements, die wie ein sanfter Nebel durch die Songs ziehen.
"A Deeper Kind Of Slumber" stellt für Tiamat nicht nur einen musikalischen Wendepunkt dar, sondern auch einen emotionalen. Das Album beeindruckt zu keiner Sekunde durch Gewalt oder Dramatik - jedes dieser Elemente wurde penibel von Edlund während des Entstehungsprozesses verbannt -, sondern durch seine zerbrechliche Schönheit und seinen Mut zur Verletzlichkeit. Es ist eine intime, fast meditative Hörerfahrung, die 1997 so weit vom Verständnis und den Erwartungen der Fans entfernt war, dass seine vollständige Genialität erst durch eine intensive Auseinandersetzung greifbar wird. Es ist bis heute ein Wunder, dass die Band diese künstlerische Ausfahrt tatsächlich "überlebt" hat.
Montag, 9. Juni 2025
Scorpions - Taken By Force
"Taken By Force" markierte das Ende einer Ära für die Scorpions und den Beginn einer neuen Dynamik. Dieses fünfte Studioalbum ist nicht nur das letzte Werk mit Uli Jon Roth, sondern auch ein entscheidender Wendepunkt in der Entwicklung der Band, die sich von einer progressiven, experimentierfreudigen Rockgruppe zu den stadionfüllenden Hardrock-Giganten wandelte, die sie in den Achtzigern werden sollten. "Taken By Force" präsentiert einen bemerkenswert ausgewogenen Mix aus den psychedelisch angehauchten Klängen früherer Jahre und einem härteren, zugänglicheren Sound, der bereits den Weg für die kommenden Alben ebnete.
Dieter Dierks war erneut für eine sagenhaft kraftvolle und fokussierte Produktion verantwortlich, die dem Album eine unglaubliche Energie verlieh. Die Band zeigt sich von ihrer kraftvollen, riffgetriebenen Seite, dominiert von Uli Jon Roths himmlischer Gitarrenarbeit und Klaus Meines Gesang. Roth ist auf diesem Album eindeutig der Star. Seine unvergleichliche Gitarrentechnik kommt hier zur vollen Entfaltung; orientalisch inspirierte Gitarrenlinien demonstrieren sein einzigartiges Talent und seine Fähigkeit, Virtuosität und Emotion zu vereinen.
"Taken By Force" ist ein faszinierendes Album, das mich mit seiner Mischung aus Härte, Melodie und Experimentierfreude bis heute begeistert. Es zeigt die Scorpions auf dem Höhepunkt ihrer Kreativität, bevor der Mainstream und der Ruhm sie in eine andere Richtung lenkten. Mit diesem Album verabschiedete sich die Band endgültig von ihrer progressiven Vergangenheit und lieferte bereits einen Ausblick auf ihre stadionfüllende Zukunft.
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