Montag, 26. September 2011

Cobalt - Eater Of Birds

Cobalt-Eater-Of-Birds

„Eater Of Birds“ gehört zu den größten Überraschungen im Black Metal des Jahres 2007. Solche satten Gitarren, hypnotischen Drums und rasiermesserscharfen Songs hat man in der Black-Metal-Szene selten gehört. Mit einer ergreifenden Brutalität schroten sich die zwei Amerikaner durch elf komplett fremdartige Black-Metal-Stücke, die so intensiv und heavy klingen, dass kaum Vergleiche gezogen werden können.

Technisch gesehen ist das gesamte Album absolute Speerspitze. Hirnfickende Gitarrenriffs, die sich tief durch die Nervenbahnen fräsen, ein unglaublich tightes und zugleich mördermäßiges Drumming und eine rostige Kehlkopfstimme sorgten 2007 für ein absolutes Highlight in der weltweiten Black-Metal-Szene.

Der Sound ist voluminös, aber natürlich, und trotzdem extrem roh. Er bietet großen Freiraum für die brillanten Gitarrenriffs. Drückend und unbarmherzig sägen die Black-Metal-untypischen Riffs über einen hinweg. Ein unbeschreiblicher Sturm aus harmonischen Melodien und gnadenlosen, fast schon thrashigen Riffsalven wird im Sekundentakt abgefeuert. Zwischendurch werden die überdurchschnittlich langen Songs immer wieder durch fantastische Breaks, Grooveattacken und orientalische Melodien aufgerüttelt.

Allein diese ungewöhnliche Gitarrenarbeit auf „Eater Of Birds“ stellt ein absolutes Erkennungsmerkmal dieser grandiosen amerikanischen Black-Metal-Band dar. Nicht nur die einzigartigen Gitarrenriffs machen „Eater Of Birds“ zu einem Szenenhighlight; die gesamten Songs bilden eine so dichte Einheit, dass Akustikgitarren und orkanartige Riffs nahtlos verschmelzen. Das Songwriting geht dabei eigentlich schon weit über die eigentliche Black-Metal-Kunst hinaus.

Neben den wuchtigen Riffs ist besonders das Drumming auf „Eater Of Birds“ eine absolute Meisterleistung. Wie tight und abwechslungsreich, zugleich unglaublich songdienlich, wird hier geprügelt, gegroovt und gerockt – und das alles auf einem technischen Niveau, das weit entfernt vom üblichen Black-Metal-Drumming ist. Es macht einfach nur Spaß, jeden einzelnen Schlag von Erik Wunder zu verfolgen, sich auf den bevorstehenden Taktwechsel zu freuen, die Dynamik und den Groove zu bestaunen, während man von den irren sägenden Riffs begleitet wird – oder umgekehrt.

Da stört es auch nicht, dass kaum bis gar kein Bassspiel zu vernehmen ist. Wie intensiv Cobalt diese beiden Instrumente auf dem Album zusammenschweißen, ist in meinen Ohren völlig einzigartig im Black Metal! Songs wie „Ulcerism“, „Invincible Sun“, „Witherer“ oder der Showdown „Eater Of Birds“ wären von einer europäischen Black-Metal-Band niemals auch nur ansatzweise zustande gebracht worden.

Cobalt verarbeiten sicherlich jede Menge genrefremde Einflüsse (Sludge, Doom, Thrash, Hardcore), aber im tiefsten Kern sind sie schwärzer und beängstigender als viele der skandinavischen Black-Metal-Bands. Spielerisch kommen nur wenige Bands an Cobalt heran. Das gesamte Sounddesign auf „Eater Of Birds“ ist so beeindruckend und ergreifend. Die Gitarren könnten nicht drückender produziert sein, und das Drumming ist so fesselnd und mitreißend, dass man es in diesem Ausmaß höchstens noch bei Absu oder Mayhem bestaunen kann.

Cobalt haben sich fast schon einen eigenen Sound erschaffen, der weit über die geltenden Black-Metal-Standards hinausgeht. Damit haben sie sich an die Speerspitze des USBM gespielt. Neben Bands wie Woe, Krallice, Wolves In The Throne Room, Absu und neueren Acts wie Ash Borer, Liturgy, Castevet, Fell Voices und vielen weiteren spannenden Bands gehören Cobalt zu einer fantastischen und eigenständigen Black-Metal-Szene, die fernab europäischer Traditionen völlig eigenständige Werke hervorbringt. In Sachen Kunst und Underground hat diese Szene die vor sich hindümpelnde skandinavische Szene längst abgehängt.

So oder so, Cobalt haben mit „Eater Of Birds“ und dem nicht weniger herausragenden Nachfolger „Gin“ ein absolutes Meisterwerk des USBM erschaffen!

Mittwoch, 7. September 2011

Napalm Death - Utopia Banished

Napalm-Death-Utopia-Banished

Napalm Death gehören zu den großen Legenden im Death Metal, Mitbegründern des Grindcore und Urgesteinen des Death Metal, die eigentlich kein schwaches Album abgeliefert haben. Mit „Scum“ und „From Enslavement to Obliteration” erschufen sie in den Achtzigern zwei der größten Grindcore-Meilensteine, die bis heute einflussreich sind.

Richtig „interessant“ wurden Napalm Death für mich allerdings erst mit dem Einstieg des sympathischen Mark "Barney" Greenway, der von Benediction kam. „Harmony Corruption“ war das erste Album mit Barney am Mikro und klang mehr nach Death Metal als nach „wüsten“ Grindcoreausbrüchen, obwohl diese weiterhin einen großen Teil des Napalm Death-Sounds ausmachten.

Einen großen Anteil am Death-Metal-Sound hatte auch Produzent Scott Burns, der „Harmony Corruption“ im Morrisound Studio einen guten, aber meiner Meinung nach nicht ganz passenden Sound für Napalm Death verpasste. „Suffer The Children“ ist bis heute ein Klassiker des Death Metal, und dieser Song von „Harmony Corruption“ ist nicht der einzige in der langen Bandgeschichte, der es zum Klassiker geschafft hat.

1992 tauchte „Utopia Banished“ in der Szene auf, das viele bis heute als das beste Werk von Napalm Death ansehen. Ich finde, Napalm Death haben vielleicht nur noch auf dem völlig unterbewerteten „Enemy of the Music Business“ so ausgeglichen und brachial geklungen. Einen großen Anteil an der barbarischen Zerstörungskraft von „Utopia Banished“ hatte auch Produzent Colin Richardson, der diesem Meisterwerk einen saftigen und gleichzeitig brutal-drückenden Sound verlieh.

Die Gitarren von Jesse Pintado und Mitch Harris sägen gnadenlos zum wütenden Drumming von Danny Herrera, der seine wahnwitzigen Blastbeats mit nur einem Pedal runterrotzt – eine absolute Seltenheit bei den aktuellen Drummern in der Extrem-Metal-Liga. Über Shane Embury muss man wohl kaum etwas sagen: eine der kultigsten Figuren in der gesamten Death-Metal-Szene, der jedes Soundloch mit seinem knurrenden Bass füllt.

Und dann wäre da noch einer der wichtigsten, einflussreichsten und intelligentesten Frontmänner der Death-Metal-Szene: Mark "Barney" Greenway. Er ist und bleibt die coolste Sau der Szene und lässt auf der Bühne 99 % der Konkurrenz alt aussehen. Irgendetwas aus dem Kleiderschrank gekramt, egal, ob es nun passend ist oder nicht – auf die Bühne, um mit purer Leistung zu überzeugen. Dazu feuert er zwischendurch immens wahre und teilweise wichtige Statements ins Publikum, anstatt die millionste ausgeleierte Tod-, Teufel- und Splatterphrase zu blöken. Viel zu selten kann man so etwas beobachten.

Nebenbei ist Barneys Stimme einzigartig und sofort herauszuhören. Auf „Utopia Banished“ klang sie das erste Mal typisch Barney-like – ebenfalls eine Seltenheit in der heutigen Zeit. Gottsongs wie „I Abstain“, „Dementia Access”, „The World Keeps Turning” oder „Upward and Uninterested” bilden das Fundament dieses Klassikers des Death Metal, das bis heute nichts von seiner Durchschlagskraft verloren hat.

Samstag, 3. September 2011

Fleurety - Min Tid Skal Komme

Fleurety-Min-Tid-Skal-Komme

Neben Ved Buens Ende, Arcturus, In The Woods und Solefald gehören Fleurety aus Norwegen zu den frühen Vertretern des avantgardistischen, progressiven Black Metal der Mitte der 1990er Jahre. Nach dem 1993er-Demo „Black Snow“ und der höllisch intensiven EP „A Darker Shade of Evil“ aus dem Jahr 1994, erschien 1995 mit „Min Tid Skal Komme“ eines der bis heute bedeutendsten und anspruchsvollsten Black-Metal-Werke aus Norwegen.

Noch vor Ved Buens Endes Meisterwerk „Written In Waters“ formten Fleurety auf ihrem Debüt avantgardistischen Black Metal mit einer starken progressiven Note. Die Musik dieser beiden Norweger lässt sich nur sehr schwer in Worte fassen. Während auf der EP „A Darker Shade of Evil“ noch eigenwilliger Black Metal mit extrem geistesgestörtem Kreischgesang zu hören war, überraschten die Norweger auf „Min Tid Skal Komme“ mit ungewöhnlichen Songstrukturen und eigenwilligen Ideen.

Der 70er-Jahre-Progressive-Rock sickerte aus jedem der fünf Songs, und die eigenartige Rhythmik dieser 45 Minuten gehörte damals zu den abgefahrendsten Entwicklungen im Black Metal. Heute gibt es technisch und songwriterisch anspruchsvollere Alben im Black Metal, aber 1995 waren Fleurety mit ihrem Debüt eine Ausnahmeerscheinung innerhalb der Szene.

Besonders hervorzuheben ist der dominante Bass-Sound, der einer kleinen Innovation im ansonsten eher höhenlastigen Sound nahekam. Das Gleiche gilt für den ungewöhnlichen Frauengesang von Marian Aas Hansen, der zur damaligen Zeit einzigartig in der Szene war. Die Gitarrenarbeit ist schroff, schräg, aber zugleich melodisch und fordernd. Die irrwitzigen Basslinien disharmonieren fantastisch mit den ohnehin schon sehr schrägen Riffs, und die Breaks und Tempowechsel erzeugen eine Atmosphäre, die den Hörer hin- und herreißt.

„Fragmenter Av En Fortid“ eröffnet das Album mit ruhigen Tönen: Die Gitarre surrt ein hypnotisches Riff, der Bass röhrt rhythmisch dazu, alles steigert sich zu einem harmonischen Teil, bis nach fast vier Minuten verrückte Riffs, treibendes Schlagzeug und der finstere Kreischgesang einsetzen. Melodie, Harmonie, Disharmonie, Breaks, Tempowechsel, Frauengesang und psychopathisches Gekreische – allein wie geschickt diese ersten neuneinhalb Minuten des Albums aufgebaut sind, ist die reinste schwarzmetallische Offenbarung.

Doch dies ist nur der Anfang eines großartigen Albums. Mit „En Skikkelse I Horisonten“ folgt ein schwarzes Psychogramm – die vertonte Abfahrt durch abstrakte Dimensionen. Trister Frauengesang und aufrüttelnde Harmonien treffen auf ätherischen Black Metal und schwarze Leidenschaft, gefolgt von progressivem Kauderwelsch und disharmonischen Klangskulpturen. Alles ist so schräg und außerhalb der Norm, und dennoch strahlt der gesamte Song eine unbeschreibliche Schönheit aus.

„Hvileløs?“, fast durchweg instrumental, erinnert mit seinen pompösen Keyboards anfänglich an Arcturus, kontert jedoch bereits nach anderthalb Minuten wieder mit synapsensprengenden Arrangements, beißenden Gitarrenriffs und verstörender Laut-Leise-Dynamik. Auch „Englers Piler Har Ingen Brodd“ glänzt mit grandiosem Frauengesang, psychedelischen Riffs, leichten Keyboardflächen und einer gespenstischen Atmosphäre.

Auf „Min Tid Skal Komme“ ist jeder Song ein kleines Kunstwerk. Beängstigend abwechslungsreich und gesegnet mit unerschöpflichen Sound- und Songideen. Das abschließende „Fragmenter Av En Fremtid“ ist genauso ungewöhnlich wie das gesamte Album. Ruhige, leicht jazzige Momente, veredelt durch Marian Aas Hansens wunderbaren Gesang, lassen dieses Kunstwerk leise ausklingen.

Bis heute ist mir kein weiteres Album im Black Metal bekannt, das eine solche Ausstrahlungskraft besitzt, komplizierte, aber dennoch harmonische Songs bietet und gleichzeitig „revolutionär“ klingt. „Min Tid Skal Komme“ war 1995 ein genresprengendes Kunstwerk, klingt nahezu zeitlos für Black-Metal-Verhältnisse und ist eines der Vorreiterwerke des heute so häufig zitierten Post-Black Metal.