Freitag, 13. Juni 2025
Tiamat - A Deeper Kind Of Slumber
Auf "A Deeper Kind Of Slumber" werden Melancholie und Schmerz in einem für das Jahr 1997 einzigartigen, düster-atmosphärischen Sounddesign verwoben und zu einem faszinierenden, hypnotischen musikalischen Traum in Form gegossen. Tiamat brachen hier radikal mit ihrem bisherigen Sound und überforderten ihre Fans mit diesem direkten Nachfolger ihres Klassikers "Wildhoney", das jeden Ansatz von "Sturm aus Riffs" erst gar nicht zulässt - so sehr, dass es bis heute für mich das beste Werk ihrer Karriere darstellt.
Der Wechsel im Sound der Band, allein und "egoistisch" getrieben von der kreativen Vision Johan Edlunds, ist sofort hörbar. Während "Wildhoney" noch auf dichte Gitarrenwände und epische Melodien setzte, öffnet "A Deeper Kind Of Slumber" die Tür zu einer für die damalige Zeit in diesem Genre ungewohnten psychedelischen Dimension. Massive elektronische Elemente, Trip-Hop-Anklänge und tribalartige Percussions treffen hier auf sehr sparsame Gitarrenarbeit und atmosphärische Keyboards. Songs wie "Cold Seed" oder das betörend schöne "Atlantis as a Lover" zeigen Tiamat in einer Phase vollendeter experimenteller Reife.
Johan Edlunds Stimme steht im Zentrum des Albums - zurückhaltend, aber voller emotionaler Kraft. Sein Gesang schwebt zwischen erzählendem Flüstern und melancholischer Klage. Edlund erzählt Geschichten, die sich zwischen Themen wie Verlust, existenzieller Einsamkeit und einem Hauch esoterischer Mystik bewegen, was perfekt zur traumhaften Atmosphäre passt. Die Produktion auf "A Deeper Kind Of Slumber" ist makellos (auch wenn dezent die typische 90er Century Media-"Ästhetik" erkennbar ist) und fängt jede Nuance ein - sei es das warme Summen der Basslinien oder die sphärischen Synthesizer-Arrangements, die wie ein sanfter Nebel durch die Songs ziehen.
"A Deeper Kind Of Slumber" stellt für Tiamat nicht nur einen musikalischen Wendepunkt dar, sondern auch einen emotionalen. Das Album beeindruckt zu keiner Sekunde durch Gewalt oder Dramatik - jedes dieser Elemente wurde penibel von Edlund während des Entstehungsprozesses verbannt -, sondern durch seine zerbrechliche Schönheit und seinen Mut zur Verletzlichkeit. Es ist eine intime, fast meditative Hörerfahrung, die 1997 so weit vom Verständnis und den Erwartungen der Fans entfernt war, dass seine vollständige Genialität erst durch eine intensive Auseinandersetzung greifbar wird. Es ist bis heute ein Wunder, dass die Band diese künstlerische Ausfahrt tatsächlich "überlebt" hat.
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