Wie klingt die absolute Dunkelheit? CELTIC FROST gaben darauf 2006 die Antwort und veröffentlichten mit "Monotheist" vielleicht nicht nur ihr bestes Werk, sondern zugleich einen unerreichbaren schwarzen Brocken, der immer noch unangetastet jedes danach veröffentlichte Black-Metal-Album verpuffen lässt.
Black Metal im wahrsten Sinne des Wortes – also wirklich rabenschwarze und tiefgründige Dunkelheit, zelebriert in Text, Musik und Sound. Bereits die ersten Sekunden des Openers 'Progeny' klingen sofort vertraut – vertraut im Sinne von "Morbid Tales", "Emperor's Return" und "To Mega Therion". CELTIC FROST setzen mit 'Progeny' den noch am typischsten "old school"-mäßigen Song direkt an den Anfang des Albums. Alles wirkt sofort vertraut: die Gitarre von Thomas Gabriel Fischer, die monströsen und zugleich unbeschreiblichen Riffs und natürlich diese wahnsinnige Stimme sowie der brodelnde Bass von Martin E. Ain.
Mit dem zweiten Song 'Ground' wird gnadenlos alles plattgewalzt. Ein Riff, ein Beat, ein alles vernichtender Bassteppich und Fischers unfassbar hasserfüllter Gesang. Doomig schleppt sich der Song durch alle Hirnwindungen.
Was danach folgt, ist vielleicht das fieseste Stück Metal, das unter dem Banner Black/Death Metal in den letzten zehn Jahren komponiert wurde. 'A Dying God Coming into Human Flesh' steigert sich zu einem Psychotrip der Extraklasse. Pure Gänsehaut, pure Finsternis, irre negative Gesangsleistung und eine Abwärtsspirale ins Ungewisse. 'Drown in Ashes' ist nichts weiter als trostlose, einsame Traurigkeit. Fischer liefert sich mit Lisa Middelhauve ein gnadenlos gutes Gesangsduett, das nicht eine Millisekunde aufgesetzt wirkt. Atmosphärisch ist es der dichteste und ergreifendste Song auf "Monotheist", der so wunderbar dahinschwebt.
'Os Abysmi Vel Daath' schleift sich zäh und mit Monsterriffs durch fast sieben Minuten. Unglaublich, wie man mit zwei bis drei Anschlägen auf der Gitarre eine solche monströse Wand erschaffen kann. In 'Obscured' geht es dann etwas gothischer zu. Wieder gibt es ein Duett, diesmal mit Simone Vollenweider. Der Song hätte auch locker auf "Into The Pandemonium" stehen können. 'Domain of Decay' und 'Ain Elohim' beenden im typischen CELTIC FROST-Stil den regulären Albumkontext – mit jeder Menge Fischer-Riffs, pumpenden Bassfundamenten und diesem direkt aus der Hölle stammenden Gesang.
Der letzte Teil des Albums, 'Triptych', umfasst knapp 25 Minuten und ist in drei Songs aufgeteilt. Eingeleitet durch 'Totengott', eine Dark Ambient-Collage mit einer geisteskranken Darbietung von Fischer am "Gesang". Innerhalb von 4:27 Minuten wird locker alles in den Schatten gestellt, was sich seit Ende der Neunziger im Bereich Black Metal als "evil" bezeichnet. Dieser Song sollte als Kanon im Black Metal eingesetzt werden!
Dann folgt das bösartigste Stück Black Metal seit Erfindung des Genres. Oh man, wenn ich nur diese Riffs beschreiben könnte – diesen völlig einzigartigen Gitarrensound, den nur CELTIC FROST besitzen. Ab 2:46 im Song 'Synagoga Satanae' erklingt dieser Ton, der so charakteristisch für Fischer ist. Es scheint, als müsse er einen Pakt mit dem Teufel eingegangen sein, um diesen besonderen Sound zu kreieren. Die Songs könnten alle schlecht sein – ich würde das Album trotzdem lieben, allein wegen diesem völlig irre machenden Gitarrenton. Wenn Fischer stimmlich komplett ausflippt, psychopathisch aufheult und finster knurrt, ist das mit Worten kaum zu beschreiben. Knapp 15 Minuten lang wird man in 'Synagoga Satanae' durch die schlimmsten Ecken der Hölle geschickt.
Das abschließende 'Winter' beendet das Album auf eine ruhige, aber beunruhigende Art und Weise.
Monotheist ist Lehrwerk, Sucht, Glückseligkeit, Hass, Finsternis, Zerstörung, Abgrund, Lava – und vielleicht die Hölle in Musik gepresst. Es gibt kein vergleichbares Album, das so düster, so ehrlich, so gnadenlos und so überzeugend authentisch bösartig ist.
Nebenbei möchte ich auch lobende Worte für Peter Tägtgren erwähnen, der es geschafft hat, dass der Sound nicht überladen oder matschig klingt, obwohl er nicht als Hauptproduzent tätig war. Soundmäßig killt Monotheist gnadenlos jede High-End-Produktion.
Neben den ersten beiden Alben von ENTOMBED, "Under A Funeral Moon", den heiligen Kyuss-Werken und natürlich den 70er-Black-Sabbath-Schablonen, gab es in der Welt der harten Gitarren nie wieder einen ehrfürchtigeren Gitarrensound.
Sonntag, 31. Dezember 2017
Celtic Frost - Monotheist
Samstag, 30. Dezember 2017
Psychotic Waltz - Into the Everflow
Wenn ich heute an „Into The Everflow“ denke, dann steigen in mir sofort Erinnerungen an eine Zeit auf, in der Musik noch so unfassbar grenzenlos schien. Das Album hat mich damals, um das Jahr 1999, ohne jede Vorwarnung getroffen und seitdem hat es mich nicht mehr losgelassen. Es hat mich in ein Reich purer, ungefilterter Ekstase gestoßen, ein Reich voller Farben, Träume und grenzenloser Emotionen und ganz nebenbei meine kleine Welt verändert.
Dieses Album ist nichts weniger als Magie in Musik gegossen - es hat mich in den ersten Sekunden so intensiv gepackt, dass es sich bis heute als eines meiner absoluten Lieblingsalben fest in meine musikalische DNA eingebrannt hat. Wenn man es auf einem schmierigen Löffel verflüssigen könnte, würde ich es mir, ohne mit der Wimper zu zucken, direkt in die Adern jagen - es ist so intensiv, so transzendent berauschend und so überwältigend. Jeder Song ist ein Trip, ein Ausbruch aus der Realität, der einen in ein Geflecht aus Klängen, Emotionen und Visionen zieht - ein in sich geschlossenes Universum, das seine eigene Geschichte erzählt, die durch die Atmosphäre des Albums in den Kopf eindringt und dort etwas Magisches hinterlässt.
„Into The Everflow“ ist ein psychedelisches Märchen, ein surrealer Trip, der sich durch die Sphären des Prog Metal bewegt, dabei alle Konventionen sprengt und die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit auflöst. Die Gitarrenarbeit von Dan Rock und Brian McAlpin ist flüssig, surreal und dennoch voller scharfer, kantiger Momente, während man durch die Melodien schwebt. Diese Gitarrenästhetik ist jenseits von dem, was man normalerweise von Rockmusik erwartet - sie tanzt förmlich, wirbelt durch den Raum und schmiegt sich in jeden Winkel der Songs. Die Soli klingen, als wären sie von einer höheren Macht inspiriert, jedes Riff bricht wie ein Blitz in die Klangwelt ein. Zauberkünstler, die mit jedem Riff, jeder Melodie etwas vollkommen Einzigartiges erschaffen. Die Rhythmen schweben zwischen präziser Technik und traumhafter Losgelöstheit. Sie führen durch die Labyrinthe der Songs, mal zärtlich, mal drängend, aber immer im Einklang mit der mystischen Energie dieses Albums. Es ist, als ob sich die Musik weigert, sich an die Regeln der Realität zu halten, und stattdessen ihre eigene Welt erschafft, in der alles möglich ist.
Über all dem schwebt Buddy Lackey's unverwechselbare Stimme, die wie ein Erzähler durch die psychedelischen Landschaften führt - mal sanft, mal fordernd, immer aber verführerisch und unwiderstehlich.
Stücke wie ‘Ashes‘ oder ‘Butterfly‘ stürzen einen in emotionale Abgründe und erheben einen zugleich auf schwindelerregende Höhen. ‘Butterfly‘ entfaltet sich wie ein sanfter Rausch, der einen in ein Kaleidoskop aus Emotionen und Gedanken hineinzieht, während ‘Ashes‘ wie ein zerbrechliches, aber unvergängliches Monument der Melancholie das Herz umschließt und nicht mehr loslässt. Jeder Song auf „Into the Everflow“ ist ein Meisterwerk für sich, jeder ein weiterer Schritt in dieser unendlichen Reise, die keine Regeln kennt.
„Into The Everflow“ ist eine Offenbarung, eine Hymne an die grenzenlose Kraft der Musik, die nichts und niemanden außer sich selbst als Referenz braucht. Es sind Träume, die greifbar werden - man kann sie fast fühlen, als wäre man Teil eines Rituals, das weit jenseits des Verstandes stattfindet. Die Songstrukturen sind dabei so ausladend und kreativ, dass sie sich jeder Kategorisierung entziehen - es ist Musik, die lebt, atmet und sich in jede Richtung bewegt, in die sie will.
Mit „Into the Everflow“ haben Psychotic Waltz ein Werk geschaffen, das nicht nur Rockmusik, sondern pure, unverfälschte Magie ist. Ein Album, das den Geist entführt und den Hörer in eine Welt katapultiert, in der alle Sinne gleichzeitig angesprochen werden - berauschend, hypnotisch und absolut unvergesslich.
Mittwoch, 27. Dezember 2017
Oldboy
Min-sik Choi liefert hier eine denkwürdige Leistung ab. Seine Mimik und Gestik sind selbst für das asiatische Kino einmalig. Neben den Rachefantasien, Gewaltausbrüchen und Kampfszenen, die nicht versuchen, den Film damit zu überladen, sondern sehr dosiert und stilsicher eingesetzt werden, gibt es unglaublich viele schöne Momente. Etwa, wenn Oh Dae-su im Bett seiner "Zelle" liegt und die Kamera nach rechts fährt, sich dabei das Bild in eine andere Landschaft verwandelt und er aus einem Koffer klettert. Oder wie die unglaublich zuckersüße Mi-do von Einsamkeit spricht, und die Szene plötzlich in eine leere Bahn übergeht, wo sie alleine mit einer übergroßen Ameise sitzt. Das sind genau diese Momente, die den Film weit über das hinausheben, als was er oft angesehen wird.
Dann gibt es natürlich auch noch solche ikonischen Szenen wie die berühmte Szene im Sushi-Restaurant, in der ein lebendiger Kalmar von Min-sik Choi verspeist wird, oder die Kampfszene vor dem Fahrstuhl, die ohne Schnitt auskommt. Die Reduzierung auf einen reinen Rachethriller halte ich für unangebracht, denn es ist auch gleichzeitig ein (versteckter) Liebesfilm, der mich auch heute noch zu Tränen rührt.
Neben den grandiosen Dialogen und dem Monolog von Oh Dae-su nimmt auch die Musik einen großen Platz im Film ein. Park versteht es, die Musik so meisterhaft einzusetzen wie ein Kubrick. Besonders das Herzstück 'The Last Waltz' gehört zu den schönsten Momenten der Filmwelt. Es ist eines dieser epischen Großwerke, die nur alle paar Jahre im Kino auftauchen (ähnlich wie bei dem ein Jahr früher erschienenen "Cidade de Deus"), bei denen Regie, Kamera, Story, Tempo, Schauspiel, Musik, Benommenheit und Schönheit perfekt ineinandergreifen und noch lange nach dem Ende im Kopf bleiben.
Dies liegt auch zu einem großen Teil am Ende, das so monströs einwirkt, wie es mir davor und danach nie wieder widerfahren ist. Ich könnte suchen, wie ich will – ich finde keinen einzigen Schwachpunkt an diesem Meisterwerk. Park gehört schon lange zu meinen Lieblingsfilmemachern. Auch wenn er inzwischen ein paar durchschnittlichere Werke abgeliefert hat, hat er mit "Oldboy" einen Meilenstein des (asiatischen) Kinos erschaffen, der mit Sicherheit in ein paar Jahrzehnten eine ähnliche Bedeutung haben wird wie die großen Kurosawa-Klassiker.
Dienstag, 26. Dezember 2017
Leviathan
- 3D? So nah und intensiv am und im Geschehen ist man in keinem 3D-Film, nicht heute und auch nicht in der Zukunft! Der Film degradiert dieses "hippe Phänomen" mit seiner perfekten Bildhandwerkskunst zu einem bloßen Gimmick.
- Der unfassbare SOUND! So nervenzehrend und abgrundtief einschüchternd wie das langsame Ertrinken auf dem Ozean. Einen so intensiven Sound habe ich bei keinem "normalen" Film bisher erlebt.
- Ich könnte mir vorstellen, dass der Film bei einigen Leuten Seekrankheit hervorrufen könnte – das Kino oder Sofa wird zum stinkenden Meereskutter.
- Bilder von unglaublicher Intensität: Sie wirken nach und bleiben sehr lange im Kopf. Man könnte sogar sagen, dass sich manche Bilder regelrecht einbrennen. Ein fröhliches Würgen könnte beim Genuss dieser Eindrücke ein ständiger Begleiter sein. Die Szene mit den Plattfischen zum Beispiel hat mich extrem geschockt.
- Der Schnitt ist schlicht phänomenal!
- Keine Dialoge, keine Musik (obwohl man im donnernden Maschinen- und Natursound tiefschwarze Ambientsounds erkennen könnte).
- Der Film regt zum Nachdenken an und zeigt die ungeschönte Realität auf dem Meer. Es wird weder kommentiert noch mit dem Finger gezeigt. Es gibt nur Bilder, Sound und die rohe Verbindung zwischen Mensch und Natur.