Montag, 28. Oktober 2024

Black Sabbath - Master of Reality


„Master of Reality“ ist das Album, auf dem Black Sabbath ihren eigenen Sound endgültig definierten und dabei die Grundlage für alles legten, was wir heute als Doom Metal, Stoner Rock und Heavy Metal im Allgemeinen kennen. Für viele Fans ist es das Kronjuwel der Ozzy-Ära. Wenn man sich in die massiven, tiefgestimmten Gitarrenwände von Tony Iommi hineinfallen lässt, spürt man förmlich die tektonischen Verschiebungen, die dieses Album in der Musikwelt ausgelöst hat.

Mit „Master of Reality“ erweiterten Black Sabbath die ästhetischen Möglichkeiten der Rockmusik radikal, indem sie dem Genre eine beispiellose Schwere und Tiefe verliehen. Es war das erste Mal, dass Iommi seine Gitarre systematisch tiefer stimmte, was dem Sound eine unfassbare Schwere verlieh – fast so, als würde jeder Ton aus der Tiefe der Erde emporsteigen. Dieses Album erfasst den Zuhörer mit einer solch elementaren Gewalt und dunklen Energie, dass es seinerzeit kaum vorstellbar war. Es klingt, als seien die Riffs direkt aus einem unterirdischen Lavafluss geborsten – düster, unerbittlich und voller druckvoller Intensität.

Der Opener 'Sweet Leaf' beginnt mit einem Husten – eine unscheinbare, jedoch geniale Einladung in die verzerrte, psychedelische Welt von Black Sabbath. Der Song ist ein monumentales Bekenntnis zur Liebe, insbesondere zur Marihuana-Kultur, und wird gleichzeitig zu einer Hymne auf das berauschende Grün – alles in einem stampfenden, schweren Groove, der sich über Jahrzehnte als Klassiker des Genres behauptet hat. Iommis Riffs sind hier so dick und zähflüssig wie Teer, während Geezer Butlers Bass sie zu einem lebenden, atmenden Wesen formt.

‚After Forever‘ entfaltet sich durch kraftvolle Riffs und Geezer Butlers messerscharfe Texte, die sich mit Glauben und existenziellen Fragen beschäftigen. Geezers Bassspiel ist besonders auf diesem Track bemerkenswert: Es wummert und pulsiert wie ein lebendiges Herz, das den gesamten Song durchströmt. Doch was „Master of Reality“ so besonders macht, ist nicht nur die unaufhaltsame Wucht der Songs, sondern auch die Struktur: Jedes Stück greift perfekt ineinander.

‚Children of the Grave‘ steht wie ein Monolith in der Mitte des Albums. Es ist ein wütender Aufruf, ein verzweifeltes Flehen nach Frieden, untermauert von einem alles zermalmenden Riff. Hier glänzt Bill Ward mit seinem druckvollen, stampfenden Schlagzeugspiel, das den Song unerbittlich vorantreibt. Tony Iommi zaubert ein Riff aus dem Ärmel, das so monumental ist, dass es seither als Blaupause für unzählige Metal-Bands gilt. Und Ozzy? Mit seiner gespenstischen Stimme malt er apokalyptische Bilder und zieht das Wort „Grave“ wie ein Mantra ins Unendliche.

Die zweite Hälfte des Albums zeigt Sabbath von ihrer langsameren, doomigeren Seite – das perfekte Gegenstück zur explosiven ersten Hälfte. ‚Into the Void‘ ist wohl eines der schwersten Stücke, das die Band je geschrieben hat: Ein bedrohlicher, langsamer Marsch in den Abgrund, unterlegt von Iommis fast unverschämt tief gestimmten Riffs. Hier zeigt sich die Macht der Einfachheit – wie nur wenige Noten eine ganze Klangwelt aufbauen können, die gleichzeitig bedrückend und befreiend wirkt.

Und dann wäre da noch ‚Solitude‘ – der sanfte Ausreißer, der zeigt, dass Sabbath mehr als nur Schwerfälligkeit im Repertoire hatten. Der Song ist eine melancholische Ballade, in der Ozzy fast zerbrechlich klingt. Die flüsternde Traurigkeit, die sich durch den Song zieht, ist fast schmerzhaft schön. Iommi beweist hier erneut seine Vielseitigkeit, indem er sowohl auf der Gitarre als auch auf der Flöte (!) eine gefühlvolle Tiefe erschafft, die den Song von allem anderen auf dem Album abhebt.

„Master of Reality“ ist mehr als nur ein weiteres Album der 70er Jahre. Es ist ein Monument, ein Meilenstein, der den Weg für kommende Generationen von Metal-Bands ebnete. Black Sabbath schufen hier eine völlig neue Sprache der Riffs, des Schmerzes und der Dunkelheit.

Dieses Werk definiert, was Metal überhaupt bedeutet: Schwere, Wucht, Dynamik und emotionale Tiefe. Es gibt keine Schwachstellen, keine Füller. Jeder Song ist eine durchdringende Reise in den Kern dessen, was Metal und Heavy Rock ausmacht. Kein anderes Album der Ozzy-Ära hat mich je mehr beeindruckt und geprägt als dieses.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen