Donnerstag, 31. Oktober 2024
Black Sabbath - Vol. 4
„Vol. 4“ ist ein Album, das nicht nur eine Ära definiert, sondern die Essenz eines ganzen Genres in sich trägt. Das vierte Werk von Black Sabbath lässt den Hörer in eine wahre Urgewalt aus Sound, Wut und psychedelischem Taumel eintauchen. Es ist eine der bedeutendsten Veröffentlichungen der frühen Siebziger und markiert einen Wendepunkt im Schaffen der Band, die sich von ihren bluesgetränkten Wurzeln weiter in die Tiefen einer zunehmend progressiven und experimentellen Klangwelt vorwagt. Die bereits bekannte Schwere und Finsternis, die Black Sabbath als Begründer des Heavy Metal kultivierten, erhält hier eine zusätzliche Dimension: eine Mischung aus Verzweiflung, nahezu nihilistischer Euphorie und einer eigentümlichen Sensibilität, die in ihrer Eigenart unvergesslich ist. „Vol. 4“ ist nicht nur eines der wichtigsten Alben für den Heavy Metal – es ist eines der coolsten, lässigsten und kompromisslosesten Werke, die jemals aufgenommen wurden. Die rohe Energie und der ungezähmte Spirit, der durch jede Note dieses Albums pulsiert, machen es zu einem zeitlosen Meisterwerk. Es ist ein Album, das vor Authentizität strotzt und die unbändige Kreativität der Band auf ihrem absoluten Höhepunkt einfängt.
Für mich zählt „Vol. 4“ zu meinen 10 Lieblingsalben, obwohl es in meinem musikalischen Werdegang erst relativ spät seine volle Wirkung entfalten konnte. So gut wie auf „Vol. 4“ waren Black Sabbath in ihrer klassischen Besetzung nie wieder. Es ist das perfekte Zusammenspiel von vier Musikern, die hier die Höhe ihrer Schaffenskraft erreicht haben. Tony Iommi zaubert Riffs aus seiner Gitarre, die so ikonisch und mächtig sind, dass sie bis heute als Blaupause für unzählige Metalbands dienen. Bill Ward am Schlagzeug und Geezer Butler am Bass bilden eine Rhythmussektion, die so tight und druckvoll spielt, dass sie jeden Song in eine unerbittliche Walze aus purem Rock verwandelt. Und natürlich Ozzy Osbourne – der Teufelsanbeter, dessen unverkennbare Stimme über dem ganzen Werk thront und ihm seine dunkle, unheimliche Seele verleiht.
Der Opener ‚Wheels of Confusion‘ zeigt, dass es hier um mehr geht als um bloße Kraftmeierei. Das Stück beginnt mit einem getäuschten Gefühl der Kontrolle, einem scheinbar einfachen, fast rockigen Riff, doch bereits nach wenigen Takten weicht es einem musikalischen Wirbelwind, der das bekannte Terrain verlässt und sich in immer verworrenere Bahnen begibt. Iommis Gitarre klagt, schwelgt, erhebt sich in triumphale Höhen, nur um sich wieder in melancholische Gefilde zu stürzen. Es ist ein Epos, das in seinen verschiedenen Teilen die Bandbreite von Black Sabbath aufzeigt: vom verführerisch melodischen bis zum geradezu beängstigend düsteren Klangspektrum.
Ein weiterer Höhepunkt ist das treibende ‚Snowblind‘ – die offene Hommage an die Kokainexzesse, die das Leben der Band damals prägten. Tony Iommi spielt hier eines seiner prägnantesten Riffs, eine schwerfällige, aber unwiderstehliche Wand aus Sound, die sich wie eine Lawine auf den Zuhörer zubewegt. Ozzy Osbournes Stimme klingt hier verletzlich und aufgeladen zugleich; es ist eine Mischung aus Wahnsinn und Klarheit, die durch die gesamte Aufnahme hindurchschimmert. Gerade in dieser Unmittelbarkeit, in der schonungslosen Ehrlichkeit, die nicht um das Thema der Droge herumtänzelt, sondern es frontal angreift, liegt die Intensität von ‚Snowblind‘. Es ist ein Song, der das Gefühl der Flucht und des Kontrollverlusts in purer musikalischer Form einfängt.
Was „Vol. 4“ ebenfalls auszeichnet, ist die Fülle an stilistischen Experimenten, die die Band wagt. ‚Changes‘, eine balladeske Nummer, markiert einen tiefen Bruch im sonst so düsteren Klangbild der Band. Hier dominiert das Klavier, gespielt von Iommi selbst, und Ozzys Stimme erreicht eine emotionale Tiefe, die von Schmerz und Verlust erzählt. Der Song ist schlicht, fast verletzlich, und zeigt eine Seite der Band, die viele vielleicht nicht erwartet hätten – eine melancholische Aufrichtigkeit, die zwischen all der Schwere und Dunkelheit fast wie eine Erlösung wirkt. Es sind Momente wie diese, die Black Sabbath als mehr denn eine bloße Metal-Band ausweisen – sie waren stets auch musikalische Pioniere, bereit, die Grenzen dessen, was „heavy“ sein kann, zu erweitern.
Mit ‚Supernaut‘ liefert die Band eines der direktesten und kraftvollsten Stücke auf dem Album. Das treibende Riffing von Iommi in Verbindung mit Bill Wards unermüdlichem, fast tribalistischem Schlagzeugspiel macht diesen Track zu einer wahrhaft energiegeladenen Hymne. Der Groove, der sich durch das Stück zieht, ist elektrisierend, und auch wenn die Riffs simpel erscheinen, tragen sie eine unbändige Kraft in sich, die bis heute nichts von ihrer Wirkung verloren hat. Es sind genau diese Elemente – die scheinbare Einfachheit kombiniert mit einer absoluten Hingabe und Präzision – die ‚Supernaut‘ zu einem unverzichtbaren Stück der Rockgeschichte machen. Es hat etwas fast Hypnotisches an sich, wie die Band hier unaufhaltsam und kompromisslos nach vorne prescht.
Songs wie ‚Snowblind‘, ‚Supernaut‘ und ‚Wheels of Confusion‘ sind nicht nur Klassiker – sie sind essenziell für das Verständnis des Heavy Metal. Sie zeigen, wie man düsteren, schweren Rock mit einer fast mühelosen Coolness verbindet. Die unheilvolle Stimmung, die düsteren Lyrics und die rohe, unpolierte Produktion verleihen dem Album eine Authentizität, die es von allem abhebt, was zuvor kam und was danach noch folgen sollte. Die Produktion von „Vol. 4“ fängt den Geist der Zeit perfekt ein: Sie ist roh, stellenweise fast unfertig wirkend. Es gibt keinen Schnickschnack, keinen überflüssigen Glamour – alles ist auf den Punkt, direkt und ehrlich. Man hört dem Album an, dass es in einer Zeit entstanden ist, in der Musik noch unmittelbarer Ausdruck von Lebensgefühl und Existenz war. Die Soundexperimente und kleinen Studio-Gimmicks tragen alle dazu bei, dass „Vol. 4“ wie ein organisches Ganzes wirkt – ein lebendiges Stück Musik voller Überraschungen.
Es ist ein versiffter Trip, ein Hörspiel des Wahnsinns und des Genies, eine Reise durch die tiefsten Abgründe und die höchsten Höhen der menschlichen Kreativität. Einer der eindrucksvollsten Aspekte von „Vol. 4“ ist die Balance zwischen der kompromisslosen Härte und der tiefen Emotionalität, die durch das gesamte Album schwingt. Ob es die düsteren, drogengetriebenen Visionen in ‚Snowblind‘ sind, die schmerzvolle Melancholie von ‚Changes‘ oder die rohe, fast ekstatische Energie von ‚Supernaut‘ – all diese Elemente verbinden sich zu einem komplexen Geflecht, das in seiner Gesamtheit weit über das hinausgeht, was man von einem „Metal-Album“ erwarten könnte. Black Sabbath waren niemals nur die Begründer eines Genres, sie waren Künstler, die die Grenzen dessen, was Musik leisten kann, immer weiter ausloteten.
„Vol. 4“ ist ein Denkmal der Rockgeschichte, das für immer den Stempel "unvergänglich" trägt. Es ist eines dieser Werke, die nicht altern, die nichts von ihrer Kraft verlieren und die auch nach Jahrzehnten noch die gleiche elektrisierende Wirkung entfalten. Wenn man darüber spricht, was Heavy Metal wirklich ausmacht, wenn man nach der Essenz dieser Musik sucht, dann führt kein Weg an „Vol. 4“ vorbei. Es ist die Verkörperung dessen, was Rock und Metal sein können – roh, ungeschönt und absolut zeitlos.
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