Mittwoch, 11. März 2009

Suffocation - Effigy Of The Forgotten

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„Effigy Of The Forgotten“ ist für mich das brutalste Death-Metal-Album, das jemals das Licht der Welt erblickt hat! Keine Death-Metal-Band klang bis heute so intensiv, so brutal, dermaßen fett und zugleich technisch wie Suffocation auf ihrem Debütalbum von 1991.

Cannibal Corpse hatten 1990 und 1991 mit „Eaten Back To Life“ und „Butchered At Birth“ zwei stilprägende Alben veröffentlicht und galten damals als eine der brutalsten Death-Metal-Bands. Doch sie konnten zu keiner Sekunde gegen diesen Hassbatzen von Suffocation anstinken. Auch wenn Cannibal Corpse bis heute als brutalste Death-Metal-Band gelten möchten, haben sie auf keinem ihrer Alben die Brutalität erreicht, die Frank Mullen und Co. bereits 1991 mit „Effigy Of The Forgotten“ definierten.

Die technische Seite der Band ist einfach atemberaubend. Sie drängt sich nicht in den Vordergrund, sondern fließt in das Songwriting ein und zeigt, dass hier wahre Musiker am Werk sind – und keine Metzger. Allein das phänomenale Drumming von Mike Smith ist gottgleich. Man höre nur den Song „Infecting the Crypts“: Wer so abwechslungsreich, technisch, tight und zugleich brutal spielt, kann nur ein Ausnahme-Drummer sein. Seine Breaks, die schnellen Blastattacken, die präzise Doublebass-Arbeit und sein Rhythmusgefühl lassen fast jeden Death-Metal-Drummer verblassen, wenn es um brutalen Death Metal geht.

Er ist vielleicht nicht der größte Techniker, aber seine Spielweise und Intensität sind legendär und unerreicht. Nebenbei hat er nicht wenige Drummer beeinflusst. Joey Jordison von Slipknot ist wohl der bekannteste Verehrer von Mike Smiths unnachahmlichem Spiel.

Frank Mullen ist für mich der mit Abstand beste Death-Metal-Shouter aller Zeiten. Keiner grunzt so tief wie er, keiner klingt so infernalisch wie ein wildes Tier, und keiner hat diese Brutalität in der Stimme wie Frank Mullen. Mag sein, dass hier und da ein wenig mit dem Harmonizer gespielt wurde, aber darüber lässt sich bekanntlich streiten.

Die Riffs von Terrance Hobbs und Doug Cerrito werden eigentlich nicht mehr gespielt, sondern zelebriert. In ihrer Brachialität sind sie unerreicht und gehören zur Elite dessen, was man im Death Metal zu hören bekommt. Die Breaks und ständigen Griffwechsel waren für die damalige Zeit phänomenal, und alles wird in einer halsbrecherischen Geschwindigkeit dargeboten.

Suffocation haben mit diesem Album den Standard für brutalen, aber stets technischen Death Metal gesetzt und unzählige Death-Metal-Bands beeinflusst. Bis heute konnte keine Band an diesem Meilenstein rütteln, und auch heute klingt das Album noch frisch und brutaler als viele Highspeed-Death-Metal-Bands weltweit.

Auch hier hat Scott Burns wieder für eine durchschlagende Soundwand gesorgt. Im Gegensatz zu seinen vielen anderen Produktionen ist der Sound staubtrocken, was die Urgewalt von Suffocation noch mehr betont. Daneben wird man mit Dan Seagraves' wohl bester Coverarbeit belohnt, neben Werken wie „Left Hand Path“, „Clandestine“ und „Like An Everflowing Stream“. Ja, das waren noch geniale und künstlerisch wertvolle Covermotive – abseits von Photoshop und Grafikprogrammen.

1993 konnten Suffocation mit „Breeding The Spawn“ nicht ganz die Klasse von „Effigy Of The Forgotten“ erreichen, was aber größtenteils an dem katastrophalen Sound lag, für den diesmal nicht Scott Burns verantwortlich war. Musikalisch enthielt „Breeding The Spawn“ wieder herausragende Death-Metal-Monster, die leider nur erahnen ließen, was da musikalisch wirklich abgeht.

Mit „Pierced From Within“ knüpften Suffocation 1995 wieder an „Effigy Of The Forgotten“ an und ließen ihre Songs erneut von Scott Burns veredeln. Bis heute streiten sich eingefleischte Suffocation-Fans darüber, ob „Effigy Of The Forgotten“ oder „Pierced From Within“ das bessere Album ist. Beide Meisterwerke befinden sich auf einem und demselben Niveau und gehören zur absoluten Sternstunde des amerikanischen wie auch weltweiten Death Metal. Bis heute kennen diese Alben keine Konkurrenz.

Mit dem Abschiedsalbum „Despise The Sun“, einem viertelstündigen feuchten Death-Metal-Traum, konzentrierten Suffocation 1998 noch einmal all ihre Stärken und schrieben mit „Funeral Inception“ neben „Infecting The Crypts“ (von „Effigy Of The Forgotten“) und „Depths Of Depravity“ (von „Pierced From Within“) ihren besten Song. Kein Geringerer als Dave Culross hinterließ auf diesem kurzweiligen Meisterwerk einen bleibenden Eindruck und war in der Lage, Mike Smith zwar nicht stilistisch, aber technisch zu 100 % zu ersetzen. Für mich gilt „Despise The Sun“ als die ausgereifteste und beste Leistung von Dave Culross, an der auch heute noch unzählige Extrem-Drummer zu knabbern haben.

2002 fand die Band wieder zusammen, und auch Mike Smith kehrte zurück. Nur Terrance Hobbs’ kongenialer Partner Doug Cerrito wurde schmerzlich vermisst. Auch „Souls To Deny“ (2004), „Suffocation“ (2006) und „Blood Oath“ (2009) präsentierten wieder den unnachahmlichen Suffocation-Death-Metal, der nach jahrelanger Unkenntnis der Kritiker endlich auch in den größeren Medien Beachtung fand.

Auch live gehören Suffocation nach wie vor zu den beeindruckendsten Bühnenerscheinungen im Death Metal und lassen einen Großteil der Szene alt aussehen!

„Effigy Of The Forgotten“ ist auch nach über 20 Jahren in seiner ungezügelten Brutalität unerreicht und gehört zu den zehn besten Death-Metal-Alben aller Zeiten!

Dienstag, 10. März 2009

Genesis - Seconds Out

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Genesis, die Prog-Rock-Götter der 70er Jahre, präsentierten mit ihrem zweiten Live-Album einen beeindruckenden Abschluss dieser Phase, bevor sich die Band der Popmusik zuwandte. Nach dem phänomenalen Konzeptalbum „The Lamb Lies Down On Broadway“ verließ Peter Gabriel die Band, und Phil Collins übernahm seinen Part als Sänger. Auch wenn Collins natürlich niemals an die Genialität des Meisters Gabriel herankommt, erwies er sich meiner Meinung nach als akzeptabler Ersatz. Es gelang ihm auf zwei weiteren Alben – „A Trick of the Tail“ und „Wind & Wuthering“ – das Genesis-Flair einigermaßen beizubehalten.

Bereits auf diesen beiden Alben merkt man jedoch Collins’ wachsenden Einfluss auf die Gestaltung der Musik. Popige Elemente schleichen sich vermehrt in den Sound ein. Auf diesem Live-Dokument spielen Genesis zum letzten Mal ihren großartigen Prog, bevor die Band zu einem millionenschweren Megaseller der Popmusik wurde – eine wohlbekannte Geschichte.

Beeindruckend ist für die damalige Zeit der absolut druckvolle und klare Sound der Aufnahme. Collins' Stimme klingt zwar ein wenig dünn, und Gitarrengott Steve Hackett kommt etwas zu leise rüber, aber das Gesamtbild stimmt: Die Songs werden absolut perfekt dargeboten. Die Band spielt perfekt zusammen – alles harmoniert. Collins interpretiert die Gabriel-Songs auf seine eigene Weise, was den besonderen Reiz dieses Live-Albums ausmacht. Ich muss zugeben, dass Collins hier seine Sache absolut perfekt macht. Natürlich hätte ich solch eine Aufnahme gerne mit Gabriel gehört, denn das erste Live-Album ist zwar nett, aber doch eher belanglos.

„Seconds Out“ ist meiner Meinung nach eines der ganz großen Live-Alben aller Zeiten, ein perfektes Zeitdokument von einer Band, die hier zu absoluter Höchstform aufläuft! Sicherlich, die gekürzte Version von „The Musical Box“ mit ihren 3 Minuten ist eine Beleidigung sondergleichen. Doch die Version von „Supper’s Ready“ überzeugt und erstrahlt unter Collins' Führung in einem völlig neuen Gewand.

Ebenso genial ist „Cinema Show“, leider der einzige Song mit Bill Bruford am Schlagzeug, der ein geniales Drum-Battle zwischen Bruford und Collins beinhaltet. Das muss man gehört haben! Hier treffen die beiden besten Rock-Drummer der 70er Jahre aufeinander. Wer von ihnen der bessere ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich halte Bruford für noch einen Tick genialer, aber das schwankt bei mir täglich, denn Collins galt ja bekanntlich einmal als der Beste seiner Zeit! Chester Thompson kann gegen einen Bruford natürlich nicht anstinken, macht seine Sache aber ebenfalls hervorragend.

Steve Hackett hätte sicherlich einen besseren Abgang verdient als dieses Album, auf dem seine Parts oft untergehen. Doch wenn sie durchschimmern, wird klar, was Genesis zum großen Teil ausgemacht hat: Hacketts genialer Stil, der oft zurückhaltend ist, aber wenn es mal lauter wird, eine Energie und Atmosphäre erzeugt, die nur wenige erreichen. Das letzte Bindeglied der klassischen Genesis stieg kurz nach der Tour aus und überließ Collins den großen Spielraum für seine neuen musikalischen Vorstellungen, die Genesis weltberühmt machten.

Mit diesem Live-Album endet die kreativste und für die meisten Fans beste Ära von Genesis – eine Band, die in den 70ern wie keine andere für Prog-Rock stand und der Musikwelt traumhaft schöne Prog-Alben hinterließ, die heute noch als Maßstab dienen. Auch für mich endet das Kapitel Genesis mit diesem Album, denn mit der – zugegebenermaßen – klasse Popmusik der Collins-Ära kann ich nichts anfangen. Für Fans dieser Ära wird es sicherlich andersherum genauso sein.

Anathema - Alternative 4

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Anathema gehören zu den großen „Big Three“ des britischen Doom Metals Anfang der 1990er Jahre und haben meiner Meinung nach den größten musikalischen Stilwandel vollzogen. Nachdem Paradise Lost mit „Gothic“ und „Icon“ zwei stilprägende Meisterwerke ablieferten, stürzten sie spätestens nach dem meiner Meinung nach unterschätzten Album „One Second“ in die Bedeutungslosigkeit ab.

Einzig My Dying Bride halten auch heute noch die Fahne des melancholischen, depressiven und zutiefst finsteren Doom Metal „made in England“ hoch.

Anathema starteten als reine Doom-Death-Band mit grunzenden Vocals und extrem tiefen Gitarrenwänden und zelebrierten auf ihren ersten Veröffentlichungen „The Crestfallen“, „Serenades“ und „The Silent Enigma“ noch den puren Lavasound. Doch bereits mit „The Silent Enigma“ vollzog sich ein Bruch im Sound der Briten: Es wurde mehr auf klaren Gesang gesetzt, und auch die Melodien wurden ausgefeilter und ansprechender.

Mit „Eternity“ legte Anathema den Grundstein für den Stilwechsel, den sie dann zwei Jahre später mit ihrem Jahrhundertwerk „Alternative 4“ perfektionierten und ein Werk voller Schönheit, Trauer, Melancholie, Düsternis und Verzweiflung hinterließen.

Schon das grandiose „Shroud Of False“ lässt den Hörer in eine Welt abtauchen, in der man für immer verweilen möchte. Piano, Gitarre, Schlagzeug und der unglaublich intensive Gesang von Vincent Cavanagh eröffnen einen musikalischen Rausch der Sinne. Was danach kommt, ist ohne Übertreibung für mich die perfekte Verschmelzung von Rock, Pop und Tristesse, die ich jemals gehört habe.

„Fragile Dreams“ lebt von großen Melodien, fantastischem Songwriting und Vincent Cavanaghs betörendem Gesang. Auf „Alternative 4“ gibt es keinen einzigen schwachen Song. Die Stimmung wechselt zwischen melancholisch ruhigen Momenten, erdigem Gitarrenrock, depressiven Tönen und purer Verzweiflung.

Songs wie „Empty“ oder das erwähnte „Fragile Dreams“ sind die sogenannten Hits auf dem Album, während melancholische Klangreisen wie „Lost Control“, „Re-Connect“ oder „Inner Silence“ eine andere, tiefere Seite der Band zeigen.

Doch die eigentliche Größe des Albums steckt in zwei absoluten Meisterwerken der düsteren Musik. Der Titelsong „Alternative 4“ ist die vertonte Apokalypse, der perfekte Soundtrack zum Weltuntergang. Wenn Vincent Cavanagh die Textzeile „I'll dance with the angels to celebrate the holocaust...” mit seinem britischen Akzent singt, sieht man förmlich die Welt zusammenbrechen. Dieser Song ist intensiv wie die Hölle und brennt sich für immer ins Gedächtnis ein.

Danach folgt mit „Regret“ der Höhepunkt des Albums. Anathema kratzen mit diesem Wundersong an das vermeintlich unantastbare Erbe von Pink Floyd und festigen damit ihre Stellung als hoffnungsvollster Erbe dieser Band. Bands wie Opeth, Porcupine Tree oder Riverside kommen nicht einmal ansatzweise an diese Tiefe heran!

Was bleibt, ist ein Meilenstein der 1990er Jahre, wie man ihn vielleicht zuletzt von Tiamat mit ihrem Album „Wildhoney“ gehört hatte, auch wenn musikalisch Welten zwischen diesen beiden Bands liegen. Was Anathema noch viel höher anzurechnen ist, ist die Tatsache, dass nur ein Jahr später mit „Judgement“ ein Album erschien, das denselben Meilensteinstatus beanspruchen kann und sich auf demselben Level wie „Alternative 4“ bewegt.

Donnerstag, 5. März 2009

Van der Graaf Generator - H to He Who am the Only One

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1970 war so ein unglaublich fantastisches Musikjahr. Eines der großartigsten Werke aus diesem Jahr stammt meiner Meinung nach von VAN DER GRAAF GENERATOR, der Band um den charismatischen Sänger und Kopf Peter Hammill. Peter Hammill ist, wenn man so will, der beeindruckendere Peter Gabriel – ein dunkler Poet mit einer viel besseren Stimme und einem ausgeprägteren Sinn für tieferes Songwriting.

Das tut hier aber nichts zur Sache. Beide Künstler verehre ich hingebungsvoll, würde mich aber in den 70er Jahren, wenn es darauf ankommt, immer für VDGG und Peter Hammill entscheiden. GENESIS haben zwar nicht so eine „extrem“ musikalisch schwankende Kurve in ihrer Diskographie, dafür haben GENESIS aber auch niemals solche weggesperrten Ungeheuer aus der seelischen Tiefsee freigesetzt. VDGG waren da viel näher am geistigen Niveau von KING CRIMSON, anstatt am bunten Zauber von YES oder GENESIS.

Eröffnet wird „H to He Who Am the Only One“ von einem der genialsten Progressive-Rock-Songs, die bis heute je aufgenommen wurden, und gehört zu den magischen Momenten neben ’Starless’, ’Lady Fantasy’ oder ’Supper's Ready’. ’Killer’ donnert von der ersten Sekunde an ungezügelt wie ein unumgänglicher Sturm auf einen herein, angetrieben durch den extrem pumpenden Bass und natürlich durch das Meister-Saxophon von Großkünstler David Jackson, der dieses Instrument auf eine völlig einzigartige und ungewöhnliche Weise spielt.

Herausstechendes Merkmal im VDGG-Sound ist jedoch die majestätische, ausdrucksstarke, druckvolle und unheimlich charismatische Stimme von Peter Hammill und sein unwirkliches Talent, Songs zu schreiben sowie durchweg großartige Texte zu verfassen. Peter Hammill ist und bleibt der fantastischste Sänger dieser Ära. Kein anderer Sänger reicht an seine ungemein nachdenklichen, extrem düsteren, poetischen und eindringlichen Texte heran, die er nicht nur stimmig vertont hat, sondern auch beängstigend mit Leben füllt.

Daneben sorgt David Jacksons abartiger Höllenritt auf dem Saxophon einfach nur für staunende Momente, womit man sogar Leute begeistern kann, die diesem Instrument normalerweise nichts abgewinnen können. In ’Killer’ übernimmt er mit seinem Blasinstrument quasi den Part der E-Gitarre, die es bekanntermaßen so gut wie gar nicht im einzigartigen Sound von VDGG gibt, inklusive eines Psychosolos der ungezügelten Lust. Es ist einfach nur der blanke Wahnsinn, was Jackson in dem Song abzieht, sich quasi beim Spielen dreimal um die eigene Achse dreht, sich in jede Richtung überschlägt und sein Saxophon hemmungslos vergewaltigt.

Guy Evans hält mit seinem anspruchsvollen, aber sehr songdienlichen Schlagzeugspiel alles zusammen und lässt den beiden Stars Hammill und Jackson genug Freiraum. Vertonte Schizophrenie! Wie Hammill die Wörter betont und in die Höhe treibt: „So you live in the bottom of the sea, and you kill all that come NEEEAAAAARRR YOOOOOOUUUUUUUHHHHHHOOOUUUUUU…”. Oder wenn er dann in seiner durchdringenden Art ein paar Oktaven höher singt: „And you crave companionship and someone to call your own; because for the whole of your life, You've been living alone“.

Festgehaltene Gänsehautmomente und Sternstunden des Progressive Rocks. Was für eine enorme Stimme das ist! Dieses kurze Rhythmuserdbeben dazwischen und dann dieser sich öffnende Erdspalt, eingeleitet von den stakkatoartigen Zeilen: „Death in the sea, death in the sea, Somebody please come and help me, Come and help me. Fishes can't fly, fishes can't fly, Fishes can't and neither can I, neither can I.“ Danach herrscht absolute grausame Dunkelheit, ein tosender Sturm, kurze aufblinkende Lichter, bevor alles wieder in sich zusammenstürzt und der Fürst mit seinem Blasinstrument aus der Hölle aufsteigt. Unbeschreiblich, was da alles abgeht in dem Song und welche mächtige Kraft entwickelt wird – und das alles ohne E-Gitarre(n)! Pure Intensität!

Mit ’House with No Door’ folgt ein zutiefst trauriger, aber wunderschöner, ruhiger Song mit einer überwältigenden Gesangsdarbietung von Hammill, der hier unfassbares Gefühl in seiner Stimme trägt. Wie großartig emotional kann man bitte singen und betonen? Begleitet von Hammills Pianoklängen, pumpenden Bassläufen und Evans' beruhigenden Rhythmen am Schlagzeug, entfaltet sich ein wunderschöner Song – ganz ohne Kitsch.

Nach diesem Ruhepol des Albums folgt mit ’The Emperor in His War Room’ wieder ein sehr düsterer Song, der alles beinhaltet, was VDGG ausmacht. Wieder ist es dieser unglaubliche Sänger, der mit seiner Stimme alles mitreißt, und die beunruhigend kalte Atmosphäre, die für den frühen VDGG-Sound so typisch ist. Schon fast sakral betörend, erzeugt der Song eine sehr intime Stimmung.

Das folgende, leicht avantgardistische ’Lost’ variiert dabei immer zwischen anmutigen, ruhigen Momenten und kurzen Ausflügen in die Psychose, bevor mit ’The Pioneers over C’ das Album noch mal mit einem weiteren Höhepunkt ausklingt, wie es begonnen hat.

Es gibt auf „H to He Who Am the Only One“ keinen einzigen Schwachpunkt. Jede Note ist grandios ausgearbeitet, die Gesangslinien sind meisterhaft inszeniert, jedes Break ist stimmig, und die Rhythmuswechsel sitzen perfekt – genau wie die faszinierenden und passenden Texte von Hammill. Und obwohl dieses Album eigentlich schon perfekt war, erschien 2005 eine remasterte Edition in einem noch druckvolleren, donnernden und voluminöseren Sound, wodurch dieses Werk noch weiter aufgewertet wurde. Zudem gibt es mit ’Squid 1 / Squid 2 / Octopus’ einen unveröffentlichten Bonustrack (neben einer alternativen Version von ’The Emperor in His War Room’), der nebenbei zu den besten VDGG-Kompositionen gehört und eine unerwartet wilde Band präsentiert. Hier drehen alle Akteure so richtig auf – besonders der eher ruhige Evans am Schlagzeug und der nicht wiederzuerkennende, unkontrollierte Hammill – und machen das Album endgültig zu dem Meisterwerk, das es ist.

Ein leider einsames, aber wünschenswertes Beispiel für eine gelungene und nachvollziehbare Neuauflage eines Albums. In seiner Gesamtheit ist „H to He Who Am the Only One“ für mich vielleicht das beste und ergreifendste Werk aus diesem Genre, das sich nur noch mit dem noch düsteren, aber komplexeren „Pawn Hearts“ streiten kann – ebenfalls aus dem Hause und dem Hirn von Peter Hammill.

Ich weiß gar nicht, wie oft ich dieses Werk und den Namen Peter Hammill hier schon gepusht habe, aber für alle ernsthaften Prog-Fans hier im Forum ist „H to He Who Am the Only One“ ohne Ausrede ein unumgängliches Pflichtalbum. Für mich ist es in seinen stärksten Momenten mit das Beste, was es an Musik gibt.

Dienstag, 3. März 2009

The Ruins Of Beverast - Rain Upon The Impure

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Was kann man über ein Werk wie „Rain upon the Impure“ großartig schreiben? Ein Werk, das nur schwer zu greifen ist – Monster und Lebenspartner gleichzeitig.

THE RUINS OF BEVERAST ist so eine „Band“, die sich sofort in meinem Herzen festgesetzt hat, mit allen bisherigen drei Alben. Das bisherige Gesamtwerk der „Band“ – eigentlich bestehend nur aus Alexander von Meilenwald, dem ehemaligen Schlagzeuger von NAGELFAR – gehört zweifellos zu den besten der internationalen Black Metal-Szene.

Alexander von Meilenwald beweist mit seiner Musik ein unglaubliches Gespür für Atmosphäre und tiefschwarzen, schleppenden Black Metal, der mit nichts zu vergleichen ist. Monotonie, gepaart mit düsteren Keyboardsounds, fantastischen und stimmigen Samples (zum Beispiel aus dem Film „The Name of the Rose“, zugleich eine der größten Stärken der Band) und unwiderstehlichen Melodien, wird in einem extrem dumpfen, räudigen, kellerkalten und gleichzeitig anziehenden Sound zum Besten gegeben.

Das schaurig-finstere Gekrächze von von Meilenwald, das dröhnende, pappige Schlagzeug, gepaart mit fürchterlich hypnotisierenden Gitarrenriffs, Glockengeläut, Chören, Melodien aus einer komplett verdunkelten Welt und stimmungsvolle Taktwechsel, erschaffen eine intensive und bedrückende Atmosphäre, die in einer komplett anderen Welt stattfindet.

In der qualvollen und schleppenden Monotonie der einzelnen Songs stecken so unglaublich viele Details: Momente gottloser Erhabenheit, Anmut, Furcht, Urängste und unvergessliche Effekte, die jeden einzelnen Song zu einem Fest der Dunkelheit erheben. Hat man sich erst einmal in die komplexe und schwer zugängliche Welt von THE RUINS OF BEVERAST eingetaucht (gerade dieses Album macht es einem am Anfang sehr schwer), wird man von dem schweren, staubigen Sound regelrecht erschlagen, überrollt und zusammengepresst – durch die Erhabenheit der Songs, die magischen Momente, die überall lauern und erkundet werden wollen, und durch die schiere Unglaublichkeit der Musik in einen Trancezustand versetzt.

Das 80 Minuten lange Meisterwerk (Meisterwerk!) ist sperrig, karg, abstoßend und schwer zu entdecken. Allerdings wird man nach intensiver Auseinandersetzung mit „Rain upon the Impure“ mit dem vielleicht (und für mich mit Sicherheit) besten Stück Black Metal belohnt, das nach der Jahrtausendwende erschaffen wurde. Plötzlich erscheint „Rain upon the Impure“ flüssig und nachvollziehbar – bis dahin ist es jedoch ein weiter Weg.

Zähflüssig ziehen sich die absolut beängstigenden und faszinierenden Riffs durch jeden Song, und über jedem Ton liegt eine unwirkliche Spannung. Eine monumentale und zutiefst schwarze, bedrohliche Aura durchzieht das ganze Werk. THE RUINS OF BEVERAST verkörpert einen ureigenen Black Metal-Stil, gewürzt mit mächtigen sakralen Arrangements, opulenten Ambienteinsprengseln und der puren Rohheit der frühen 90er Jahre. Experimentierfreudig, aber niemals verspielt oder überladen – ehrlich, schwarz und unglaublich intensiv, dazu mit einem Gespür für tiefschwarze Melodien und doomige Zerstörungskraft.

Einzelne Songs herauszuheben widerspricht dem Album. Die 80 pechschwarzen Minuten, die ein wirkliches Erlebnis darstellen, gehören zu meinen größten musikalischen Ereignissen der letzten zehn Jahre. Ein Album, das ich eigentlich immer bei mir trage und das mich schon seit der Veröffentlichung im Jahr 2006 begleitet.

Der ultimative Trip in die Finsternis!

Montag, 2. März 2009

King Crimson - Lizard

King-Crimson-Lizard

"Lizard" ist so ein typisches „lieben oder hassen“-Album, ein wirklich fieser Psycho-Abgesang auf konventionelle Songstrukturen und eingängige Melodien. Ein wildes Biest mit Tollwut im Endstadium – gefährlich bekloppt und dem Hörer gegenüber komplett verschlossen.

Mein Einstieg in das King Crimson-Universum erfolgte durch "Red" und "In The Court Of The Crimson King". Später kamen dann noch "Larks' Tongues In Aspic" und "Starless And Bible Black" hinzu, bevor ich mich erstmal mit neuerem Material beschäftigte, wie dem härteren "The ConstruKction of Light", dem steril-kalten und standardssetzenden Produktions-Overkill "The Power To Believe" oder dem göttlichen Live-Knaller "The Nightwatch", das zwar 1997 veröffentlicht wurde, aber Aufnahmen aus den 70ern enthielt.

Irgendwann habe ich mich dann an das viel diskutierte "Lizard" herangetraut und wurde komischerweise sofort gefangen genommen. Dabei war mir beim Erstkontakt ganz unwohl. Auf der einen Seite war ich total überwältigt von dieser völlig unwirklichen, kranken Atmosphäre, die besonders in den beiden überkaputten Songs 'Indoor Games' und dem fiesen Migräne-Soundtrack 'Happy Family' für ein komisches Gefühl sorgt. Auf der anderen Seite stellte ich mir aber auch die Frage: Was will mir Robert Fripp damit eigentlich sagen?

Zum Glück wird "Lizard" von einem der besten 70er-Crimson-Songs eröffnet, sonst hätte sich die Beziehung zwischen mir und "Lizard" wahrscheinlich hoffnungslos in eine Fehldiagnose entwickelt. Und das würde ich heute echt bereuen, denn "Lizard" gehört mittlerweile zu meinen Lieblingsalben, wenn ich mal komplett in mich gehen möchte und die Denke abstelle.

'Cirkus', der besagte Opener in diesen Wahnsinn, baut sich schon fast ruhig und schön auf, besitzt aber schon im Hintergrund den lauernden Sinnessturm, der sich mit einem knallharten Mellotron (übrigens ein wichtiges Markenzeichen der frühen King Crimson) rasiermesserscharf in den herrlich warmen Sound schneidet, sodass die hässliche Fratze nach und nach an die Oberfläche dringt. Für mich ist 'Cirkus' eine der grandiosesten, einfallsreichsten, ehrfürchtigsten, wahnsinnigsten und zugleich unglaublich harmonisch-disharmonischsten Kompositionen, die man auf einem CRIMSON-Album finden kann.

Dieses umwerfend düstere, perlende Piano, Gordon Haskells eindringlicher Gesang mit seinen beängstigenden Ausbrüchen, der tolle Text, Fripps Gott-Akkorde an der Gitarre (Gänsehaut!), Andy McCullochs wirres Schlagzeugspiel (welches man in diesem Song noch am ehesten als songorientiert bezeichnen kann), das überragend schwebende, leise Saxophon-Solo, dazu die untermalenden Synthieklänge, dieser überperfekte Perfektionismus der Laut-Leise-Dynamik und der hämisch verspottende Abschluss des Songs gehören für mich musikalisch zu den ganz großen Momenten in meinem Lebenslauf als Musik-Fan. So wurde ich dann zum Glück doch fast schmerzfrei, für KING CRIMSON-Verhältnisse, behutsam in den Zauber von 'Lizard' hineingezogen.

Das abschließende Epos 'Lizard' stellt mit seinen fast 25 Minuten die ambitionierteste Komposition im Schaffen von Robert Fripp und KING CRIMSON dar. Bombastisch, munter, fröhlich – Jon Anderson als Gastsänger in der Einführung, eine Trompete, eine Oboe, ein boleroartiger Moment für die Ewigkeit. Clint Eastwood winkt einem aus der Ferne in seinem verstaubten Poncho zu, unmenschliche Himmelsmelodien, Monotonie, Jazz, Blues, Saxophon, Flöte, Klavier, wirres Schlagzeug, Posaunen, mellotrongeschwängerte Tristesse und frippeske ausufernde Arrangements mit knallharten Umbrüchen.

Viele sagen ja, dass das Titelstück des ebenfalls meisterhaft komponierten "Close to the Edge" der viel zugänglicheren und weitaus weniger anstrengenderen YES musikwissenschaftliche Größe besitzt – gegen 'Lizard' zerbröselt 'Close to the Edge' nicht nur als Einzelstück, sondern auch als Album. Es kommt nicht mal ansatzweise an die Vielfalt, die beachtliche „Bösartigkeit“ und die kompositorische Größe von 'Lizard' heran.

Vier Jahre später hat Robert Fripp dann mit 'Starless' ein ähnliches, aber deutlich kürzeres, unkomplizierteres und kompakteres Meisterwerk komponiert, das nicht nur aus meiner Sicht das Juwel im Schaffen von KING CRIMSON ist, sondern in meiner Welt zu den schönsten Momenten der gesamten Rockgeschichte gehört und wohl meine Grabeshymne wird.

"Lizard" klingt für mich wie ein vorbeifahrender Karneval aus einer Alptraumwelt, bestückt mit dämonischen Fratzen, entstellten Tierwesen, bösartigen Clowns, gruseligen Babys, entflohenen Psychopathen, garstigen Kobolden und Frauen mit echten Vollbärten. Alles verpackt in einem mehr als passenden surrealen Cover-Artwork.

Übrigens: Jede Wette, dass es TOOL niemals in dieser Art geben würde, wenn Robert Fripp kein einflussreicher Musiker geworden wäre.