Dienstag, 10. März 2009

Anathema - Alternative 4

Anathema-Alternative-4

Anathema gehören zu den großen „Big Three“ des britischen Doom Metals Anfang der 1990er Jahre und haben meiner Meinung nach den größten musikalischen Stilwandel vollzogen. Nachdem Paradise Lost mit „Gothic“ und „Icon“ zwei stilprägende Meisterwerke ablieferten, stürzten sie spätestens nach dem meiner Meinung nach unterschätzten Album „One Second“ in die Bedeutungslosigkeit ab.

Einzig My Dying Bride halten auch heute noch die Fahne des melancholischen, depressiven und zutiefst finsteren Doom Metal „made in England“ hoch.

Anathema starteten als reine Doom-Death-Band mit grunzenden Vocals und extrem tiefen Gitarrenwänden und zelebrierten auf ihren ersten Veröffentlichungen „The Crestfallen“, „Serenades“ und „The Silent Enigma“ noch den puren Lavasound. Doch bereits mit „The Silent Enigma“ vollzog sich ein Bruch im Sound der Briten: Es wurde mehr auf klaren Gesang gesetzt, und auch die Melodien wurden ausgefeilter und ansprechender.

Mit „Eternity“ legte Anathema den Grundstein für den Stilwechsel, den sie dann zwei Jahre später mit ihrem Jahrhundertwerk „Alternative 4“ perfektionierten und ein Werk voller Schönheit, Trauer, Melancholie, Düsternis und Verzweiflung hinterließen.

Schon das grandiose „Shroud Of False“ lässt den Hörer in eine Welt abtauchen, in der man für immer verweilen möchte. Piano, Gitarre, Schlagzeug und der unglaublich intensive Gesang von Vincent Cavanagh eröffnen einen musikalischen Rausch der Sinne. Was danach kommt, ist ohne Übertreibung für mich die perfekte Verschmelzung von Rock, Pop und Tristesse, die ich jemals gehört habe.

„Fragile Dreams“ lebt von großen Melodien, fantastischem Songwriting und Vincent Cavanaghs betörendem Gesang. Auf „Alternative 4“ gibt es keinen einzigen schwachen Song. Die Stimmung wechselt zwischen melancholisch ruhigen Momenten, erdigem Gitarrenrock, depressiven Tönen und purer Verzweiflung.

Songs wie „Empty“ oder das erwähnte „Fragile Dreams“ sind die sogenannten Hits auf dem Album, während melancholische Klangreisen wie „Lost Control“, „Re-Connect“ oder „Inner Silence“ eine andere, tiefere Seite der Band zeigen.

Doch die eigentliche Größe des Albums steckt in zwei absoluten Meisterwerken der düsteren Musik. Der Titelsong „Alternative 4“ ist die vertonte Apokalypse, der perfekte Soundtrack zum Weltuntergang. Wenn Vincent Cavanagh die Textzeile „I'll dance with the angels to celebrate the holocaust...” mit seinem britischen Akzent singt, sieht man förmlich die Welt zusammenbrechen. Dieser Song ist intensiv wie die Hölle und brennt sich für immer ins Gedächtnis ein.

Danach folgt mit „Regret“ der Höhepunkt des Albums. Anathema kratzen mit diesem Wundersong an das vermeintlich unantastbare Erbe von Pink Floyd und festigen damit ihre Stellung als hoffnungsvollster Erbe dieser Band. Bands wie Opeth, Porcupine Tree oder Riverside kommen nicht einmal ansatzweise an diese Tiefe heran!

Was bleibt, ist ein Meilenstein der 1990er Jahre, wie man ihn vielleicht zuletzt von Tiamat mit ihrem Album „Wildhoney“ gehört hatte, auch wenn musikalisch Welten zwischen diesen beiden Bands liegen. Was Anathema noch viel höher anzurechnen ist, ist die Tatsache, dass nur ein Jahr später mit „Judgement“ ein Album erschien, das denselben Meilensteinstatus beanspruchen kann und sich auf demselben Level wie „Alternative 4“ bewegt.

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