„Geist ist Teufel“ darf mit Sicherheit heute schon zu den schillerndsten Veröffentlichungen des „neuen“ Black Metal gezählt werden. Aber ist „Geist ist Teufel“ überhaupt noch Black Metal? Wie weit sind die Grenzen? Urfaust lassen sich jedenfalls auch heute noch nicht kategorisieren oder in irgendeine Schublade stecken. Die Musik der Holländer ist eine komplett unwirkliche Fahrt durch Sphären, die man gewillt sein muss zu betreten.
Dabei machen es einem die Holländer nicht leicht, sich in ihrer Musik zurechtzufinden. Proberaum-Sound, bewusst belassene Spielfehler, überlange Songs und massenweise fremde Einflüsse – dazu ein Gesang, der zwischen purem Wahnsinn und betörender, hypnotischer Kraft hin und her pendelt. Der Gitarrensound ist fast schon an der Grenze zur Unhörbarkeit reduziert: mächtig kratzig und rostig. Melodien, die es massenweise auf „Geist ist Teufel“ zu entdecken gibt, bleiben dem Hörer zunächst verschlossen.
Das Album wird von einem stimmungsvollen Intro eröffnet. Ein eigenwilliger Tenor, beinahe beängstigend, von IX macht gleich von der ersten Sekunde an klar: Love it or hate it! Ambient-Klänge, dunkle Töne, wabernde Schwingungen – völlig reduziert und auf eine ganz eigenwillige Weise faszinierend. Eine geistige Spannung baut sich auf, bevor man durch den ersten Song „Die kalte Teufelsfaust“ die Hässlichkeit in Ton und Schmerz erlebt – zumindest vorerst.
Primitiv, völlig abwesend und ohne Sound-Perfektion poltern und holpern sich Urfaust durch ganze sechs Minuten reinster Reduziertheit. Was soll das sein? Undefinierbare Riffs, katastrophales Drumming, ein Sound, der mehr als nach Keller stinkt, und dieser irre Psychopathengesang – wechselnd zwischen extremem Kreischen à la Burzum und opernhaftem Klargesang mit einer wirklich ganz eigenen Note.
Bereits hier spalten sich die Meinungen: Wollen Urfaust überhaupt Black Metal sein? Ist dieser völlig geisteskranke Chaotenhaufen es überhaupt wert, sich weiter mit ihrer Musik zu beschäftigen? Die Antwort lautet: Ja – und noch viel mehr als das! Urfaust haben nach anfänglichen Berührungsängsten etwas völlig Einzigartiges erschaffen. Sie haben sich ein eigenes Genre geformt und sich zu einer der hypnotischsten Black-Metal-Bands entwickelt, die die Szene jemals hervorgebracht hat.
Urfaust sind mehr als nur eine Black-Metal-Band: Urfaust stehen für Spiritualität, für Kunst in ihrer hässlichsten Form, für pure Magie. Rabiat und ungehobelt, musikalisch so undefinierbar wie keine andere Black-Metal-Band. Die innere Schönheit ihrer Musik wird nicht jeden erreichen – und das ist sicher auch so beabsichtigt. Diese Musik funktioniert nur, wenn man sich komplett in sie fallen lassen kann.
Urfaust ist eine der wenigen Bands, die wirklich auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn Musik erschaffen. Musik, die äußerlich abstoßend und hässlich ist, die aber erkämpft werden muss, um die wahre Magie des Urfaust-Sounds zu erkennen. Zähflüssig baut jeder Song eine unbeschreibliche Stimmung auf – krank und faszinierend zugleich, als hätten sich Urfaust im Tonstudio verirrt und wären mit ihren Instrumenten direkt in der Klapsmühle gelandet.
Wie viele beneidenswerte Songs Urfaust geschrieben haben, ist ebenfalls in der Black-Metal-Szene einzigartig. Ob man nun die vielen Split-Veröffentlichungen, die EPs oder die drei regulären Alben „Geist ist Teufel“, „Verräterischer, Nichtswürdiger Geist“ (2005) oder das aktuelle Meisterwerk „Der freiwillige Bettler“ (2010) betrachtet – jede einzelne Veröffentlichung enthält mehr als Black Metal. Ihre Musik geht weit über die Grenzen hinaus und erschafft etwas völlig Eigenartiges.
Es ist schwer, den Sound von Urfaust zu beschreiben, geschweige denn ihn mit anderen Bands zu vergleichen. Ich kann nur sagen, dass Urfaust für mich die interessanteste aller derzeitigen Black-Metal-Bands ist. Menschen mit schwachen Nerven und Schöngeister sollten allerdings einen großen Bogen um die Holländer machen!
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