Samstag, 28. September 2024

The Soft Boys - Underwater Moonlight


In den Annalen der britischen Musikgeschichte nimmt die Band The Soft Boys einen Platz ein, der sowohl von Obskurität als auch von unbestreitbarer Brillanz gekennzeichnet ist. In der schillernden Ära der späten 1970er und frühen 1980er Jahre tauchte diese Band auf, deren Musik ebenso schwer zu fassen war wie ein Traum. Ihr 1980 erschienenes Album „Underwater Moonlight“ steht als leuchtendes Fanal an der Schwelle zwischen den ausufernden Experimenten der 70er Jahre und der aufkeimenden Post-Punk-Ära - ein Werk, das in seiner schillernden Vielschichtigkeit bis heute fasziniert und polarisiert. Angeführt von dem exzentrischen und brillanten Robyn Hitchcock schufen The Soft Boys ein Werk, das sich jeder klaren Kategorisierung verweigert und heute als Juwel der britischen Psychedelic-Revival-Szene gilt.

Die musikalische Reise der Soft Boys, angeführt von Robyn Hitchcock, begann in den späten 70ern im brodelnden Kessel der Cambridge-Szene. In der Zeit, als der Punk seine wildeste Phase bereits überschritten hatte und die Post-Punk-Szene begann, ihre Fühler in experimentellere und intellektuellere Gefilde auszustrecken. Ihr erstes Werk von 1979, geprägt von einer eklektischen Mischung aus Psychedelia, Folk und punkiger Energie, war ein wilder, ungestümer Mix aus Krach und Melodie und deutete bereits an, dass hier eine Band am Werk war, die sich jeglicher Kategorisierung entzog. Doch erst mit „Underwater Moonlight“ gelang es ihnen, ihre disparaten Einflüsse zu einer kohärenten, wenn auch weiterhin zutiefst idiosynkratischen Form zu verschmelzen.

Der Sound des Albums ist eine Offenbarung - eine kaleidoskopische Fusion aus scharfen Gitarrenriffs, die an die Byrds erinnern, psychedelischen Soundlandschaften a‘la Pink Floyd und einer Rhythmussektion, die mal treibend, mal träumerisch den Kurs vorgibt. Hitchcock und seine Mitstreiter - Kimberley Rew (Gitarre), Matthew Seligman (Bass) und Morris Windsor (Schlagzeug) - erschaffen eine Klangwelt, die gleichermaßen nostalgisch und neuartig ist. Hitchcocks Stimme, gleichzeitig nasaler Klagelaut und luzider Visionär, schwebt über diesem Klanggebilde wie ein surrealer Geist, der Geschichten von kosmischem Liebeskummer und existenzieller Verwirrung erzählt.

Die Gitarrenarbeit auf diesem Album ist besonders hervorzuheben. Rew und Hitchcock verweben ihre Gitarrenlinien mit einer Leichtigkeit und Präzision, die an die besten Momente von Television erinnert, wobei sie jedoch stets einen schrägen, fast halluzinatorischen Ton beibehalten. Die Melodien sind eingängig, doch stets durchsetzt mit unerwarteten Wendungen, wie ein Traum, der plötzlich in einen Albtraum umschlägt. Songs wie ‘I Wanna Destroy You‘ sind kraftvolle, direkte Angriffe, die gleichzeitig von einem unterschwelligen Wahnsinn und einer spielerischen Anarchie geprägt sind.

Besonders bemerkenswert ist die Art und Weise, wie The Soft Boys es schaffen, selbst in den vertrackteren Momenten des Albums eine gewisse Zugänglichkeit zu bewahren. ‘Kingdom of Love‘ etwa, mit seinen verschachtelten Gitarrenlinien und dem fast mantraartig wiederholten Refrain, während es gleichzeitig den Geist mit seiner lyrischen Abstrusität herausfordert.

Dieses Album ist ein Werk von erstaunlicher Reife und Klarheit und ein Meisterwerk der Feinheit und Präzision, das zeigt, wie weit sich die Band in kurzer Zeit entwickelt hat.

In einer Zeit, in der die Grenzen zwischen den Genres zunehmend verschwimmen, wirkt dieses Album wie ein prophetischer Vorbote einer Ära, in der musikalische Orthodoxie der Vergangenheit angehört. Während die meisten Bands entweder dem post-punkigen Minimalismus oder dem aufkommenden New Wave frönten, gelang es The Soft Boys, eine Brücke zwischen den psychedelischen Experimenten der 1960er Jahre und der zynischen Energie des Punks zu schlagen. Ihr Sound war einzigartig, eine Mischung aus dem Melodiösen und dem Schrillen, die sie von vielen ihrer Zeitgenossen abhob.

„Underwater Moonlight“ ist ein Album, das tief in das psychologische Terrain seiner Schöpfer eintaucht. Es ist durchdrungen von einer dunklen, fast nihilistischen Weltsicht, die dennoch von einem tiefen, fast kindlichen Sinn für Wunder und Verwunderung ausgeglichen wird. Hitchcock nutzt seine Songs, um die Absurditäten und die dunklen Ecken des menschlichen Geistes zu erforschen, und schafft es dabei, gleichzeitig verspielt und zutiefst verstörend zu sein.

„Underwater Moonlight“ ist ein Album, das in seiner Zeit weitgehend übersehen wurde. Es ist eine Platte, die eine eigene, unverwechselbare Welt erschafft, in der Wahnsinn und Brillanz, Schönheit und Abscheu Hand in Hand gehen. Das Album ist nicht nur ein Zeugnis für die Kreativität von The Soft Boys, sondern auch ein Beweis dafür, wie zeitlos gute Musik sein kann.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen