Samstag, 27. Oktober 2012

Dismember - Like An Everflowing Stream

Dismember - Like An Everflowing Stream 

Mit „Like An Ever Flowing Stream“ haben DISMEMBER 1991 einen wahren Schwedentod-Klassiker auf das gierige Death Metal-Volk losgelassen. Aus dem Dunst von NIHILIST, CARNAGE und CARBONIZED entstand bereits einige Jahre zuvor DISMEMBER, doch erst 1991 erschien mit diesem Album ihr auf ewig bestes Werk.

DISMEMBER gehören zu den „fantastischen Vier“ des Schwedentods, neben UNLEASHED, GRAVE und ENTOMBED, und waren zugleich auch die radikalsten und brutalsten unter den Vier! Während UNLEASHED einfachen und eher unspektakulären Death Metal bedienten, GRAVE stumpf alles niederwalzten und ENTOMBED sich auf dem Thron des europäischen Death Metal niederließen, kombinierten DISMEMBER den räudigen Sound des US Death Metal à la AUTOPSY mit den typisch melodischen Gitarrenläufen des Schwedentods und dem Sunlight-Sound.

Doch das reichte den Schlächtern noch nicht ganz, denn in ihrem Sound wurden stellenweise unglaubliche, Maiden-typische Gitarrenläufe eingebaut, die mit erstaunlichen Soli überraschten. Diesen speziellen Stil bauten DISMEMBER auf den folgenden Alben noch weiter aus, was allerdings die ungezügelte Brutalität des Debüts aus dem Sound nahm. DISMEMBER schufen sich dadurch einen völlig eigenen Sound, und die ewigen ENTOMBED-Vergleiche sind meiner Meinung nach teilweise an den Haaren herbeigezogen.

Natürlich, auf „Like An Ever Flowing Stream“ klingt der Sound stark nach ENTOMBED, schon alleine wegen dem Mitwirken von Nicke Andersson, zur damaligen Zeit bekanntermaßen der Schlagzeuger von ENTOMBED, der hier bis auf „Override of the Overture“ alle Leadgitarren-Parts eingesägt hat. Aber schon allein wegen Matti Kärki mit seinem unnachahmlichen Gebell, den räudigeren Gitarren und dem doch etwas brutaleren Songwriting unterschieden sich DISMEMBER stark von ENTOMBEDs „filigranerer“ Songgestaltung.

Bereits der Opener „Override the Overture“ ist ein absoluter Klassiker des Schwedentods. Hier prallen knallharte, tiefer gestimmte Gitarren auf ein polterndes, nach vorne treibendes Schlagzeug und irrwitzige Gitarrenharmonien. Überhaupt ist die Gitarrenarbeit auf diesem Klassiker absolute Sahne – es ist eine Freude, wie hier Knüppelparts von melodischen Läufen und Soli durchsetzt werden, um dann wieder in rohes, aber durchdachtes Geknüppel zu verfallen. Diese Gegensätze haben DISMEMBER meiner Meinung nach von den „großen Vier“ am besten umgesetzt und gleichzeitig den Melodic Schweden Death viele Jahre zuvor schon mitbegründet und eine Blaupause für spätere Bands geschaffen.

Auch der Einsatz von kurzen Keyboardsounds trägt zur düsteren und tödlichen Stimmung bei. Obwohl diese sehr selten auftauchen, erschaffen DISMEMBER mit nur ein paar Sekunden eine bedrohliche Atmosphäre. Natürlich werden textlich alle Extreme ausgereizt, und man bekommt die typischen Death Metal Lyrics, die Anfang der 90er so „berühmt“ waren: hier etwas Splatter, da etwas Gore, und ein bisschen Satan ist auch dabei – das Übliche, was ein jeder Death Metal-Fan schätzen und lieben gelernt hat.

Über das Coverartwork brauche ich wohl nicht viel zu sagen: Es ist einfach eines der göttlichsten Death Metal-Cover, das jemals ein Album in diesem Genre geschmückt hat, und eine der besten Arbeiten von Dan Seagrave. Dieser Künstler hat Anfang der 90er einige der größten Klassiker in diesem Genre veredelt, und jedes Mal hat er es geschafft, die Stimmung des Albums perfekt mit dem Stift umzusetzen. Das Cover und die Musik sind fast unheimlich aufeinander abgestimmt! Seagrave hat so viele Death Metal-Klassiker eingehüllt, und es ist unvorstellbar, was diese Alben ohne seine genialen Coverartworks wären.

Wir schreiben nun bereits das Jahr 2012, also sind gut 20 Jahre seit diesem legendären Album vergangen, und es ist immer noch eines der 10 besten Death Metal-Alben, die je geschrieben wurden. „Like An Ever Flowing Stream“ ist und bleibt absolutes Kulturgut des Schweden Death Metal!

Freitag, 26. Oktober 2012

Verdunkeln - Einblick in den Qualenfall

Verdunkeln-Einblick-in-den-Qualenfall

Eigenständiger Black Metal aus Deutschland, komischer Bandname, komischer Albumname? Ja, es gibt sie, diese besonderen Black Metal-Bands aus Deutschland! Alben, die in meinen Ohren mit nichts aus der Szene zu vergleichen sind. Ein ganz eigener Sound, eine besondere Ausstrahlung und Anziehungskraft, Faszination und Dunkelheit. Nach den sehr mageren 90er Jahren entstanden immer mehr interessante und kreative Black Metal-Bands in Deutschland.

VERDUNKELN gehören meiner Meinung nach zu den faszinierendsten und beeindruckendsten deutschen Black Metal-Bands der letzten Jahre. Hinter VERDUNKELN stecken Gnarl und Ratatyske von GRAUPEL, die schon auf dem Demo „Verdunkeln“ von 2005 einen eigentümlichen Sound kreierten. „Leider“ ist der Sound auch ein echter Demo-Sound, sodass man schon genau hinhören muss, um die Qualität von VERDUNKELN zu erkennen.

2007 erschien das Debüt „Einblick in den Qualenfall“, veröffentlicht vom Qualitäts-Label Ván Records, und beinhaltet nichts weiter als eine ganze Stunde hypnotischen, psychedelischen, verrückten und lavaartigen Black Metal der Sonderklasse. Man kann den wirklich eigenständigen Sound von VERDUNKELN mit keiner anderen Band vergleichen. Hier und da schimmert zwar ein wenig GRAUPEL durch, aber das ist nur sehr marginal.

Bereits der erste Song „In die Irre“ zieht einen sofort in seinen Bann. Surrende Gitarren- oder Basstöne eröffnen diese acht Minuten lange Fahrt durch die Finsternis. Doomig, fast schon ambientartig, baut der Song eine hypnotische Monotonie auf, die durch abwechselnde cleane und klirrende Parts immer spannend bleibt. Es wird zwischen mönchartigem Gesang und psychotischem Gekreische hin und her gewechselt, und so wird eine sehr bedrückende Atmosphäre erschaffen. Extrem zäh und vernichtend düster kriecht der Song vor sich hin – hier gibt es kein Licht. Die Stimmung ist so ergreifend lebendig, und der aufwühlende Mittelteil wird in einer beängstigenden Intensität dargeboten, einfach absolute Tonkunst.

Kratzige Gitarrenmelodien, stumpfes Drumming und begeisternd frische Gitarrenriffs, dazu der abwechslungsreiche Gesang von Gnarl – alles so interessant komponiert und fanatisch vertont. Die nächsten 15 Minuten sind nicht weniger intensiv! „Im Zwiespalt“ ist mit seinen sägenden Gitarren, den irren Melodien und dem wieder einmal zähen und doomigen Sound nichts weiter als ein fieser und düsterer Brocken. Keine Blastbeats, keine Hochgeschwindigkeits-Riffs – ganz langsam lassen VERDUNKELN den Song eine Stimmung entfalten, die ungemein anziehend ist. Hypnotisch, dunkel und völlig kahl ist der Sound. Wie viel allerdings in diesen 15 Minuten passiert, ist großes Songwriting. Diese teilweise ambientartigen Gitarrenmelodien, der geschickte Einsatz von Hall und der basslastige Gesamtsound ziehen sich wie ein roter Faden durch das gesamte Album.

Auch Gnarls eigenartige Gesangsrhythmik gehört zu dem Gesamtkunstwerk VERDUNKELN. Man könnte der Band vorwerfen, dass jeder Song gleich aufgebaut ist – teilweise trifft das auch zu. Doch wenn man in der Lage ist, sich in der Musik auf „Einblick in den Qualenfall“ fallen zu lassen und sich darin zu verlieren, wird dies zu einem unbeschreiblichen Erlebnis.

„Der Quell“ begeistert als etwas schnellerer Song mit gleichzeitigem Klar- und Kreischgesang. Wieder ist sie sofort von der ersten Sekunde anwesend, diese hypnotische Monotonie sowie die psychedelischen Gitarrenriffs. Ratatyske spielt die Drums so songdienlich und technikbefreit, weicht keine Sekunde von einem Takt ab oder benutzt irgendwelche Brücken oder Beckengebimmel – das hebt die Monotonie in noch hypnotischere Sphären.

Das absolute Highlight stellt für mich das folgende „Die Saat der Klinge“ dar. Hypnotischer geht es kaum! Harmonien, Melodien, Rhythmik, Gesang, Riffs, Drumming – alles so unfassbar gut abgestimmt: cleane Parts, ein stampfendes Doom-Fundament, ausdrucksstarke Vocals, dezente Keyboards und leichte BURZUM-Einflüsse, eingefangen in einem einzigartigen Soundgewand. Dark Doom Black Metal oder so ähnlich könnte man den Sound beschreiben – völliger Irrwitz, was VERDUNKELN mit „Einblick in den Qualenfall“ abgeliefert haben.

Jeder Song ist ein kleines Kunstwerk für sich: kreativ und zugleich bodenständig, tiefschwarz und herausragend eigenständig. Die abschließende Hymne „Auf freiem Felde“ lässt jeden peinlichen Viking/Pagan-Moment, der in den letzten Jahren verbrochen wurde, mit einem höher schlagenden Herz vergessen. Kurz und knapp: So wird es gemacht! Ohne Pomp, Kitsch und einen unerträglichen Florian-Silbereisen-Touch.

VERDUNKELN schaffen es mit den einfachsten Mitteln, großartige Black Metal-Kunst zu erschaffen und gehören zu den begnadetsten Black Metal-Bands aus Deutschland. Völlig geil, völlig abgefahren, absolut finster und unverschämt unbekümmert gehört „Einblick in den Qualenfall“ zu den größten Momenten, die die deutsche Black Metal-Szene je erleben durfte!

Autopsy - Severed Survival

Autopsy-Severed-Survival

1989 erschien ein bis heute unerreichter Klassiker des Death Metal. Bis heute gilt „Severed Survival“ von AUTOPSY als das vielleicht purste Death Metal-Album aller Zeiten! „Severed Survival“ ist das Kernstück einer ganzen Szene, das reinste und ungeschliffenste Stück Todesstahl, welches in seiner Hässlichkeit die eigentliche Energie einer ganzen Musikrichtung darstellt. Bis heute wächst das Album mit jedem Jahr und stinkt immer noch so faulig wie vor über 20 Jahren.

Jeder einzelne Song auf „Severed Survival“ ist ein Standardwerk im Death Metal. Produktion und Songwriting drücken genau das aus, was Death Metal eigentlich ist: hässliche Musik für eine bestimmte Masse, die mit Trends, „Kommerz“ und der eigentlichen Musikindustrie nicht viel zu tun haben will. AUTOPSY haben mit ihrem Debüt bis heute DAS Death Metal-Reinheitsgebot erschaffen.

Jeder ausgekotzte Grunzlaut von Meister Reifert gleicht einer Erfüllung. Jeder Bassanschlag von DiGiorgio ist mehr wert als jede High-End-Death Metal-Scheibe. Das Drumming ist brutal stumpf und hat mehr Durchschlagskraft als jeder Klöppelmeister aus diesem Genre, und die unfassbaren, abgrundtief hämmernden Riffs gehören zur Genregrundausstattung.

AUTOPSY haben nicht nur einen Genre-Standard erschaffen, sondern ein ganzes Genre geformt, geprägt. Bis heute hat sich an der Stellung von „Severed Survival“ nichts geändert – es ist und bleibt eines der fünf besten Death Metal-Alben aller Zeiten. An manchen Tagen ist es für mich sogar das beste Werk, das der Death Metal zu bieten hat.

Angefangen bei den völlig irren Vocals von Chris Reifert, die völlig einzigartig sind – asozial, eklig und widerlich abstoßend. Dazu bearbeitet Reifert gleichzeitig das Drumkit mit minimalem Aufwand, aber maximalem Genuss. Stumpfheit wird hier definiert, und in jedem Anschlag steckt so viel Energie, Leben und barbarische Härte, wie man sie nur bei zwei bis drei anderen Scheiben vorfindet.

Über Steve DiGiorgio muss man wohl kaum Worte verlieren. Gerade sein Bassspiel gehört zur absoluten Königsklasse im gesamten Heavy Metal-Universum. Auch wenn er auf „Severed Survival“ nicht die komplexe Schiene fährt, treibt er mit seinen durchschlagenden Bassläufen das Chaos voran. Die beiden Gitarristen, Eric Cutler und Danny Coralles, liefern auf „Severed Survival“ ein Feuerwerk an Riffs ab, die so primitiv sind, dass es weh tut – und genau das soll es auch.

Death Metal in seiner reinsten Form: hässlich, brutal, abstoßend und nur für eine bestimmte Zielgruppe bestimmt. Schlürfend, zäh und polternd rumpeln sich AUTOPSY durch zehn Klassiker der Death Metal-Geschichte. Jeder einzelne Song steht für den Ursprung eines ganzen Genres und hat unzählige Bands beeinflusst.

Kein Album bringt die Essenz dieser Musikrichtung so genau auf den Punkt wie „Severed Survival“. Der Schweden-Death wäre ohne AUTOPSY kaum vorstellbar, und ohne dieses Ungetüm wäre der Verlauf einer ganzen Szene unvorstellbar.

AUTOPSY sind vielleicht die wichtigste Band im Death Metal, und für mich sind sie auf jeden Fall die bedeutendste Death Metal-Band aller Zeiten. Auch nach „Severed Survival“ veröffentlichten AUTOPSY mit „Mental Funeral“ (1991) einen weiteren Klassiker, und mit „Acts of the Unspeakable“ (1992) und „Shitfun“ (1995) baute man die Ekelgrenze noch weiter aus.

Texte, Image, Covergestaltung sowie der Gesamtsound gehen Hand in Hand und bieten nichts weiter als die reinste Ursuppe der gesamten Death Metal-Welle!

Mehr muss man zu diesem Werk auch nicht mehr schreiben. Jeder Death Metal-Fan sollte dieses Album kennen, und jedes weitere Wort wäre reine Zeitverschwendung. Wer „Severed Survival“ nicht kennt, hat nie gelebt!

Ved Buens Ende - Written In Waters

Ved-Buens-Ende-Written-In-Waters

Mit “Written In Waters” erschien 1995 eines der bis heute bedeutendsten Avantgarde-Black Metal-Alben der gesamten Szene. Hinter dieser schrägen Formation verbergen sich keine unbekannten Namen: Vicotnik (DØDHEIMSGARD, STRID, CODE), Skoll (ULVER, ARCTURUS, FIMBULWINTER) und natürlich Carl-Michael Eide (AURA NOIR, VIRUS, SATYRICON, NATTEFROST, ULVER). Man kann also von einem kleinen All-Star-Ensemble ausgehen, von dem man eigentlich nichts anderes erwartet als puren, energiegeladenen, traditionellen Norge-Black Metal.

Doch das Ergebnis, sprich “Written In Waters”, ist nichts weniger als die atonale Antithese des traditionellen norwegischen Black Metal. Eigentlich ist an “Written In Waters” kaum noch etwas Black Metal; nur die Namen der Musiker und die düstere, leicht kalte Ausrichtung des Sounds erinnern noch an dieses Genre. Während man bei FLEURETY (“Min Tid Skal Komme”, 1995) und ARCTURUS (“Aspera Hiems Symfonia”, 1996) die Black Metal-Wurzeln noch klar erkennen konnte, haben VED BUENS ENDE mit diesem Album einen komplett eigenständigen Sound kreiert.

Atonale und disharmonische Gitarrenriffs treffen auf ungerade und hektische Drumrhythmen sowie eigenwillige Basslinien. Spätestens, wenn der Gesang einsetzt, sind alle Erwartungen an Black Metal ausradiert. Monotoner Sprechgesang, teils heftig schief, aber enorm wirksam und interessant gestaltet, zieht die Hörer in einen Strudel ungewöhnlicher Klänge. Keine Frage, “Written In Waters” ist extrem schwierige und an die Nerven gehende Musik, die weder schön ist noch schön sein möchte.

Die dissonanten Melodien von Vicotnik und das nicht nachvollziehbare Drumming von Carl-Michael Eide ergänzen sich wunderbar mit den herrlich kranken Basslinien von Skoll. Diese Musik ist jenseits aller bekannten Grenzen – dunkel, bedrohlich, schräg, hässlich und dennoch einzigartig faszinierend. Das Tempo variiert von Song zu Song, meist eher im gemäßigten Bereich, mit wenig Blastbeats und kaum Uptempo-Passagen, aber auch nicht doomig oder zähflüssig. Jazz, Progressive Rock, Avantgarde, Heavy Metal und nur sehr wenige Black Metal-Referenzen bestimmen den Sound von “Written In Waters”.

Was FLEURETY einige Monate zuvor mit ihrem fantastischen Debüt erschaffen haben, stellen VED BUENS ENDE mit diesem Meisterwerk an schräger Musik ohne Mühe in den Schatten. Nie wieder hat eine norwegische Band es geschafft, einen so eigenständigen und scheinbar unverdaulichen Bastard kaputter Musik zu erschaffen wie VED BUENS ENDE. Trotz aller Disharmonien und nicht erkennbaren Strukturen gelingt es der Band, ein rundes und fesselndes Stück Musik zu erzeugen – beängstigend und gleichzeitig unglaublich gut gespielt.

Das Songwriting ist durchgehend uneingängig, fast schon abstoßend und kompliziert. Alleine der Gesang könnte für viele Hörer schon das Aus bedeuten. Wer sich aber intensiv mit der musikalischen Größe von “Written In Waters” beschäftigt und immer weiter in die Tiefen des VED BUENS ENDE-Sounds eintaucht, wird feststellen, dass dieses Album süchtig macht. Es verlangt nach Aufmerksamkeit und will erkundet werden. Fragen wie „Was denken sich die Musiker dabei, solche Musik zu erschaffen?“, „Welche Aussage steckt hinter “Written In Waters”?“ oder „Welche Stimmung soll hier erzeugt werden?“ werden wohl nie beantwortet.

Vielleicht liegt gerade darin der tiefere Reiz des Albums: die geheimnisvolle Musik, die undurchdringlichen Soundfragmente und die abstrakte Klangwelt im Ganzen. Vielleicht sagt auch das geniale Covermotiv der Erstauflage etwas über dieses Werk aus – ein abstraktes Bild, das nicht unbedingt besonders ist, aber gleichzeitig total faszinierend und anziehend wirkt.

Soundtechnisch wurden die Instrumente für „Black Metal“-Verhältnisse sauber abgemischt und gut hörbar produziert. Der Sound ist voluminös, trocken und räumlich, und jedes Instrument ist klar erkennbar, besonders der Bass hat einen auffallend großen Raum im Klangbild. Auch wenn die Musik sicherlich nichts für jedermann ist, haben VED BUENS ENDE mit “Written In Waters” einen unsterblichen Klassiker hinterlassen, der musikalisch wenig mit der traditionellen Szene zu tun hat.

So geheimnisvoll schräg, urwüchsig kauzig, faszinierend erschreckend, betörend gut und abstoßend hässlich klang weder davor noch danach je wieder ein Album, das zumindest im weiteren Sinne aus der Black Metal-Szene stammt.

Strid - Strid / End of Life

Das vorliegende Werk stellt eine Best-of-Compilation dar, doch ich werde mich nur auf das hier enthaltene “End Of Life”-Demo von 1993 konzentrieren. Wer das Original-Demo-Tape besitzt, darf sich glücklich schätzen, denn STRID kann man, wenn man so will, als die eigentliche Vorreiter-Band des heutigen DSBM (Depressive Suicidal Black Metal) ansehen. Neben BURZUM hat wohl keine andere Band diesen Sound so stark geprägt und geformt wie STRID.

Ein charakteristisches Stilmerkmal auf dem Demo von 1993 ist der voluminöse und hervorstechende Bass, der reduzierte Sound und die für Black Metal-Verhältnisse ungewöhnlich groovigen Songs. Die drei enthaltenen Stücke verlieren sich kaum in wilder Raserei, sondern bauen konsequent eine morbide, schwarze Stimmung auf.

Das Kern- und Herzstück des Demos ist zweifellos der elf Minuten lange Titelsong “End Of Life”, der mit seiner ergreifenden Atmosphäre zwischen Wut, Hass und Trauer wie ein Sturm über den Hörer hinwegfegt. Tiefschwarz wird hier die Tür zur Hölle aufgestoßen – finster, bedrückend und nihilistisch vertont dieser Song einen elf Minuten langen Leidensweg, der auch heute noch zu den ehrfürchtigsten Black Metal-Stücken zählt, die jemals den Höllenschlund verlassen haben.

Das treibende Drumming, die kernigen, leicht melodischen Riffs und die pumpenden Bassläufe erzeugen eine dichte, düstere Grundstimmung, die vom verzweifelten Gesang von Storm verstärkt wird. Der Wechsel zwischen Blastbeats und Groove, zarten Melodien und nihilistischer Schwärze ist beängstigend intensiv und quälend schön. Das inbrünstige und kraftvolle Kreischen von Storm stellt ein weiteres Highlight auf diesem Demo dar. Kaum ein Black Metal-Sänger hat so viel Ausdruck, Leiden, Qualen, Geisteskrankheit und Verzweiflung auf einem Tonträger verewigt wie er.

Technisch sind die drei Songs nicht unbedingt spektakulär, doch die erzeugte Stimmung gehört immer noch zu dem Besten, was die (skandinavische) Black Metal-Szene zu bieten hat. Dass die Band relativ unbekannt blieb, liegt vielleicht an den zahlreichen Namenswechseln (von MALFEITOR über BATTLE zu STRID) und auch daran, dass „nur“ dieses eine Demo im Jahr 1993 veröffentlicht wurde.

Bands wie EMPEROR, SATYRICON, ENSLAVED, IMMORTAL, DARKTHRONE oder auch GORGOROTH – aber ganz besonders BURZUM – entfachten zu dieser Zeit einen Sturm, in dem STRID und ihr heute so bedeutendes und wertvolles Demo einfach untergingen. Vielleicht fehlte der Band eine vollwertige Albumveröffentlichung, um mit der Besessenheit und der (jugendlichen) Inbrunst solcher Alben wie “In The Nightside Eclipse”, “Pure Holocaust”, “Burzum” oder “Vikingligr Veldi” standzuhalten.

Musikalisch gesehen waren STRID besser als BURZUM auf ihrem Debüt, reifer als IMMORTAL und schwärzer als GORGOROTH. Was bleibt, ist ein Demo-Klassiker des Black Metal, vielleicht sogar der Demo-Klassiker, der bis heute einen riesigen Einfluss auf die Black Metal-Szene ausübt und von unzähligen Bands zitiert wird. Nihilismus, Depressionen und Weltschmerz wurden in der Black Metal-Szene nie besser vertont!

Enslaved - Eld

Enslaved-Eld

1994 veröffentlichten die Norweger ENSLAVED mit ihrem zweiten Album “Frost” eines der Referenzwerke der 2. Black Metal-Welle. Ich persönlich hielt “Frost” schon immer für überbewertet. Klar, das Album bietet große Momente, rasend-klirrende Songs und wütendes Songwriting auf hohem Niveau, aber sowohl der Vorgänger als auch der hier besprochene Nachfolger sind meiner Meinung nach die besseren Werke der frühen ENSLAVED.

Besonders “Eld” ragt bis heute aus der Schaffensphase von ENSLAVED heraus. Denn nicht nur der eigenwillige Sound und das etwas gezügeltere Tempo, sondern auch die epische Breite und das homogenere Songwriting lassen “Eld” in einem ganz eigenen Licht erscheinen.

Mit dem viertelstündigen monumentalen Epos „793 (Slaget Om Lindisfarne)” wird “Eld” in einer epischen Breite eröffnet, die ENSLAVED bis heute nie wieder erreicht haben. Leise steigern sich die Keyboardflächen, die eine wunderbare Atmosphäre erschaffen, bis Akustikgitarren und polterndes Drumming einsetzen. Grutles Klargesang klingt heldenhaft, leidenschaftlich und nicht übertrieben. Dazu werden immer wieder elektrisierende Gitarrenriffs eingeflochten, bis die Ruhe plötzlich in sich zusammenbricht und eiskalt in einem infernalischen Ausbruch der Raserei wechselt.

Willkommen in der barbarischen Welt von “Eld”. Auf keinem anderen Album von ENSLAVED lagen wütende Raserei und hymnische Songstrukturen so nah beieinander wie auf diesem Werk. Hymnische Gitarrenmelodien – immer kratzig und roh – brutales Gekrächze von Grutle, dynamische Tempowechsel, eiskalte und brodelnde Riffwände und ein natürlich klingendes Schlagzeug: abwechslungsreich und eigentümlich zugleich. In diesen 16 Minuten bekommt man alles, wofür der Name ENSLAVED in den Neunzigern stand: erstklassigen, brutalen(!) und authentischen Viking Metal, der keine Kompromisse eingeht – weder im Sound noch beim Gesang oder der Instrumentalisierung.

Der nächste Song, „Hordalendingen”, bietet wütende Riffs, Blastbeats und einen herrlich kreischenden Grutle. Die epische Magie des Openers wird binnen Sekunden zerstört, und ENSLAVED wüten und hacken sich durch barbarische fünf Minuten. Kompromisslos gut, beängstigend intensiv und gnadenlos rasend. Kurze Erinnerungen an “Frost” drängen sich auf. Auch hier wird wieder mit Klargesang gearbeitet, dieser dient jedoch nur als Farbtupfer, genau wie die stimmigen Keyboards, die sich im Hintergrund halten – im Vordergrund regiert das kontrollierte Chaos.

„Alfablot” gehört zu den Klassikern des Albums und ist ein vertonter Vernichtungsschlag. Kräftiges Drumming, wahnwitzige Gitarrenriffs und wieder besessenes Kreischgesang von Grutle prägen den Song. Auch hier wird der charismatische Klargesang verwendet, und kurze Tempowechsel sowie fast ruhige Momente wechseln sich ab, nur um erneut in vollkommene Raserei zu verfallen.

ENSLAVED erzeugen auf “Eld” ein wahres Inferno, obwohl die Blastbeats von Harald Helgeson niemals die Intensität eines Trym erreichen. Doch gerade der polternde Schlagzeugsound sorgt vielleicht für eine ungewollte zusätzliche Brutalität im Sound. Helgeson spielt auf “Eld” ungewohnt abwechslungsreich, leicht technisch und sehr songdienlich.

Man könnte dem Album Eintönigkeit nachsagen, da der eigenwillige Sound die Songs untereinander sehr ähnlich klingen lässt. Doch beim genauen Hinhören erkennt man die Klasse und Raffinesse von ENSLAVED. Das perfekte Zusammenspiel von epischer Breite, gnadenloser Raserei, rohen und kantigen Songs, hymnischen Melodien, Klargesang und anstrengendem Songaufbau sowie eine einmalige Atmosphäre haben ENSLAVED vielleicht nur noch auf “Hordanes Land” erschaffen.

Auch wenn die späteren Werke musikalisch anspruchsvoller, gereifter, durchdachter, verspielter, eingängiger und möglicherweise auch besser sind, haben ENSLAVED nach “Eld” nie wieder Werke wie “Vikingligr Veldi”, “Frost”, “Hordanes Land” oder “Eld” erschaffen – von anderen Bands ganz zu schweigen. Alle vier genannten Werke sind Meisterwerke der 2. Black Metal-Welle, Monumente und unantastbare Vorzeigewerke. Leider wurden sie von hunderten nachfolgenden Kapellen Ende der 90er Jahre, die es leid waren, auf Mittelaltermärkten ständig mit Spott und Gelächter überschüttet zu werden, nicht im Ansatz erkannt und völlig falsch verstanden.

Mittwoch, 24. Oktober 2012

Thorns - Thorns

Throns-Thorns


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das bisher einzige Album von THORNS aus Norwegen gilt nicht nur als ein verspäteter Klassiker, sondern auch als eine der faszinierendsten und einflussreichsten Veröffentlichungen im Black Metal. Snorre, der bereits seit 1989 im tiefsten Underground mit THORNS (vorher unter dem Namen STIGMA DIABOLICUM) sein Unwesen trieb, veröffentlichte 1999 zusammen mit EMPEROR eine legendäre Split-LP. Bereits hier sorgten THORNS für große Aufregung in der Szene. Der damals noch sehr „fremdartige“ Sound von THORNS hat viele Fans vor den Kopf gestoßen.

Doch es sollte noch viel besser kommen! Zwischen 1998 und 2000 versammelte Snorre mit Aldrahn (Dødheimsgard), Hellhammer (Mayhem) und Satyr (Satyricon) drei bekannte Namen um sich, um eines der kreativsten, hässlichsten und richtungsweisendsten Black-Metal-Alben bis zum heutigen Tag aufzunehmen. Was in diesen zwei Jahren entstanden ist, ist vielleicht das beste Industrial-Black-Metal-Album, das die Szene jemals hervorgebracht hat.

Der klare Grundton ist immer noch Black Metal, aber alleine durch die eigenständige und klinisch-präzise Produktion klingt der Sound völlig fremdartig und postapokalyptisch. Die eingestreuten elektronischen Samples, Keyboardsequenzen, Maschinengeräusche und Ambient-Collagen legen zusätzlich einen kalten und abstrakten Nebel über das faszinierende Konzept THORNS.

Doch das alleine macht nur einen Bruchteil des Sounds von THORNS aus. Wenn man von THORNS spricht, müssen natürlich als erstes die abartig-monstruösen Roboter-Riffs von Snorre genannt werden. Wie übergroße Maschinenmesser, die von Androiden bedient werden, schneiden sich die beängstigenden Gitarrenriffs durch den Sound, treiben die kalt-blaue Atmosphäre in unmenschliche Höhen, um dann plötzlich einen nuklearen Sturm heraufzubeschwören.

Bereits der erste Song „Existence“ überrennt alles mit diesen Cyber-Riffs, dazu diese bohrenden Höhen, die Sequenzen und der abartige Gesang. Und was wären diese vernichtenden Riffs ohne das wahnwitzige Drumming von Hellhammer, das natürlich bis zum Anschlag getriggert und gepitcht ist – ein natürlicher Drumsound wäre bei keinem anderen Album so fehl am Platz wie hier.

Wie perfekt Gitarrenriffs und Drumming hier zusammengefügt sind, sich gegenseitig antreiben, ergänzen und fast schon ein zusammenhängendes Instrument ergeben, ist bis heute im Black Metal unerreicht. „World Playground Deceit“ mit seinen irren Rhythmen, den psychopathischen Obertönen und dem überragenden Mittelteil, wenn alles in sich zusammenstürzt und durch Snorres Maschinengewehr-Riffs ein riesiges schwarzes Loch erschaffen wird, ist ein weiteres Beispiel für die unmenschliche Ausgewogenheit dieses Albums.

Über allem thront Satyr mit seinem hasserfüllten und abartig bissigen Gesang – vielleicht seine beste Leistung auf einem Album. Black Metal für das neue Jahrtausend: dreckig, roh, kalt, futuristisch, abstoßend hässlich, betörend, kompromisslos, nihilistisch, maschinell, präzise und unglaublich stimmig!

Der Höhepunkt ist für mich die Cyberspace-Vertonung „Shifting Channels“. Angsteinflößende Maschinentöne, Mensch-Maschinen-Drumming, hintergründige Alptraum-Ambient-Collagen, Gitarrenriffs am Abgrund des Weltuntergangs und Aldrahns beschwörende, knurrige Stimme. Der Song klingt, als ob die Menschheit von Maschinen und künstlicher Intelligenz überrannt wurde, ja sogar, als ob Maschinenwesen diesen Song in einer Menschenvernichtungsanlage eingespielt hätten – ein alles vernichtendes Monster aus tonnenschwerem Stahl und Elektronik!

„Stellar Master Elite“ ist wieder ein Berg aus kinetischen Riffs und wütender Drum-Präzision. Mit „Underneath The Universe (Part 1)“ wird dann die endgültige Vernichtung der Menschheit eingeleitet. Ein vertonter Aufmarsch der Maschinen, unterstützt von postnuklearem Ambient. Kein Gesang, nur kurzweilige marschartige Riffs und Kriegs-Drumming – dann wieder absolute Stille, nur vereinzelte Endzeittöne dringen durch. Eine unfassbare Atmosphäre zieht den toten Körpern praktisch das letzte Leben heraus.

„Underneath The Universe (Part 2)“ demonstriert die Macht der Maschinen, die über die toten Körper rollen, marschieren und alles Lebende vernichten. Was übrig bleibt, ist nichts weiter als eine unwirkliche, menschenleere Welt in Dunkelheit.

THORNS haben für mich vielleicht die beste Vertonung des Weltuntergangs eingefangen. Das Album ist in der Lage, Bilder im Kopf des Hörers zu erschaffen, die Fantasie auf die Spitze zu treiben und dabei völlig unmenschlich zu klingen. Kein anderes Album hat in meinem Kopf ein so klares Zukunftsbild erschaffen, und nie wieder wurde der bevorstehende Weltuntergang so präzise, beängstigend, aber zugleich fesselnd und faszinierend durch Musik vertont.