Freitag, 26. Oktober 2012

Ved Buens Ende - Written In Waters

Ved-Buens-Ende-Written-In-Waters

Mit “Written In Waters” erschien 1995 eines der bis heute bedeutendsten Avantgarde-Black Metal-Alben der gesamten Szene. Hinter dieser schrägen Formation verbergen sich keine unbekannten Namen: Vicotnik (DØDHEIMSGARD, STRID, CODE), Skoll (ULVER, ARCTURUS, FIMBULWINTER) und natürlich Carl-Michael Eide (AURA NOIR, VIRUS, SATYRICON, NATTEFROST, ULVER). Man kann also von einem kleinen All-Star-Ensemble ausgehen, von dem man eigentlich nichts anderes erwartet als puren, energiegeladenen, traditionellen Norge-Black Metal.

Doch das Ergebnis, sprich “Written In Waters”, ist nichts weniger als die atonale Antithese des traditionellen norwegischen Black Metal. Eigentlich ist an “Written In Waters” kaum noch etwas Black Metal; nur die Namen der Musiker und die düstere, leicht kalte Ausrichtung des Sounds erinnern noch an dieses Genre. Während man bei FLEURETY (“Min Tid Skal Komme”, 1995) und ARCTURUS (“Aspera Hiems Symfonia”, 1996) die Black Metal-Wurzeln noch klar erkennen konnte, haben VED BUENS ENDE mit diesem Album einen komplett eigenständigen Sound kreiert.

Atonale und disharmonische Gitarrenriffs treffen auf ungerade und hektische Drumrhythmen sowie eigenwillige Basslinien. Spätestens, wenn der Gesang einsetzt, sind alle Erwartungen an Black Metal ausradiert. Monotoner Sprechgesang, teils heftig schief, aber enorm wirksam und interessant gestaltet, zieht die Hörer in einen Strudel ungewöhnlicher Klänge. Keine Frage, “Written In Waters” ist extrem schwierige und an die Nerven gehende Musik, die weder schön ist noch schön sein möchte.

Die dissonanten Melodien von Vicotnik und das nicht nachvollziehbare Drumming von Carl-Michael Eide ergänzen sich wunderbar mit den herrlich kranken Basslinien von Skoll. Diese Musik ist jenseits aller bekannten Grenzen – dunkel, bedrohlich, schräg, hässlich und dennoch einzigartig faszinierend. Das Tempo variiert von Song zu Song, meist eher im gemäßigten Bereich, mit wenig Blastbeats und kaum Uptempo-Passagen, aber auch nicht doomig oder zähflüssig. Jazz, Progressive Rock, Avantgarde, Heavy Metal und nur sehr wenige Black Metal-Referenzen bestimmen den Sound von “Written In Waters”.

Was FLEURETY einige Monate zuvor mit ihrem fantastischen Debüt erschaffen haben, stellen VED BUENS ENDE mit diesem Meisterwerk an schräger Musik ohne Mühe in den Schatten. Nie wieder hat eine norwegische Band es geschafft, einen so eigenständigen und scheinbar unverdaulichen Bastard kaputter Musik zu erschaffen wie VED BUENS ENDE. Trotz aller Disharmonien und nicht erkennbaren Strukturen gelingt es der Band, ein rundes und fesselndes Stück Musik zu erzeugen – beängstigend und gleichzeitig unglaublich gut gespielt.

Das Songwriting ist durchgehend uneingängig, fast schon abstoßend und kompliziert. Alleine der Gesang könnte für viele Hörer schon das Aus bedeuten. Wer sich aber intensiv mit der musikalischen Größe von “Written In Waters” beschäftigt und immer weiter in die Tiefen des VED BUENS ENDE-Sounds eintaucht, wird feststellen, dass dieses Album süchtig macht. Es verlangt nach Aufmerksamkeit und will erkundet werden. Fragen wie „Was denken sich die Musiker dabei, solche Musik zu erschaffen?“, „Welche Aussage steckt hinter “Written In Waters”?“ oder „Welche Stimmung soll hier erzeugt werden?“ werden wohl nie beantwortet.

Vielleicht liegt gerade darin der tiefere Reiz des Albums: die geheimnisvolle Musik, die undurchdringlichen Soundfragmente und die abstrakte Klangwelt im Ganzen. Vielleicht sagt auch das geniale Covermotiv der Erstauflage etwas über dieses Werk aus – ein abstraktes Bild, das nicht unbedingt besonders ist, aber gleichzeitig total faszinierend und anziehend wirkt.

Soundtechnisch wurden die Instrumente für „Black Metal“-Verhältnisse sauber abgemischt und gut hörbar produziert. Der Sound ist voluminös, trocken und räumlich, und jedes Instrument ist klar erkennbar, besonders der Bass hat einen auffallend großen Raum im Klangbild. Auch wenn die Musik sicherlich nichts für jedermann ist, haben VED BUENS ENDE mit “Written In Waters” einen unsterblichen Klassiker hinterlassen, der musikalisch wenig mit der traditionellen Szene zu tun hat.

So geheimnisvoll schräg, urwüchsig kauzig, faszinierend erschreckend, betörend gut und abstoßend hässlich klang weder davor noch danach je wieder ein Album, das zumindest im weiteren Sinne aus der Black Metal-Szene stammt.

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