Mittwoch, 5. Februar 2014
Talking Heads - Remain in Light
Wenn man mir heute eine Frage zu den besten Alben der Populärmusik stellen würde, würde „Remain in Light“ von mir wahrscheinlich gar nicht erwähnt werden – nicht, weil es nicht großartig wäre, sondern weil es so gut ist, dass ich es schlichtweg vergessen würde. Es gehört für mich zu den Werken, die man als selbstverständlich großartig betrachtet und daher nicht sofort nennt. Dabei gehören die Talking Heads mit ihren ersten vier Alben „Talking Heads: 77“ (1977), „More Songs About Buildings and Food“ (1978), „Fear of Music“ (1979) und besonders das hier gepriesene Lichtwerk, zu meinen persönlichen Musikgöttlichkeiten, auf die ich niemals verzichten möchte.
Die Band um den kreativen Chefdenker und Visionär David Byrne hat innerhalb von vier Jahren vier absolute Meisterwerke veröffentlicht. Davon ist „Remain in Light“, das von der Band selbst nicht wieder übertroffen wurde, eine der revolutionärsten Platten der 1980er Jahre. Der für die Talking Heads so typische und dennoch einzigartige Stil aus Post-Punk und New Wave wurde auf jedem Werk weiterentwickelt, bis diese Evolution auf „Remain in Light“ ihren Höhepunkt erreichte. Mit afrikanischen Rhythmen, einer Offenheit für Weltmusik und einem mitreißenden Funkfundament sprengten sie alle musikalischen Grenzen – Grenzen, die damals noch nicht einmal klar definiert waren.
Neben David Byrne, der für mich zu den am meisten unterschätzten Künstlern der Musikgeschichte gehört, hatte auf diesem Album ein ganz besonderer Gitarrist einen unvergesslichen Auftritt: Adrian Belew. Sein prägnanter, fast schon „psycho“-artiger Gitarrenstil hat das ohnehin schon atemberaubend komponierte Album in neue Sphären katapultiert. Seine fieberhaften Gitarrenlinien brennen sich förmlich in die Songs ein. Doch obwohl Belew der herausragende „Star“ auf „Remain in Light“ ist, nimmt er sich dennoch nicht zu sehr in den Vordergrund. Sein Beitrag ist essenziell, aber niemals aufdringlich.
Natürlich muss auch Tina Weymouth, die begnadete Bassistin der Talking Heads, erwähnt werden. Ihr berserkerhaftes, aber zugleich zartes Bassspiel lässt viele ihrer männlichen Kollegen im Schatten stehen. Sie ist quasi eine „Geddy Lee in hübsch und mit Busen“, um den etwas hinkenden Vergleich zu verdeutlichen. Über allem thront jedoch David Byrne mit seiner markanten Stimme, seinem unverwechselbaren Gesangsstil, seinem rhythmischen Gitarrenspiel und seinen großartigen Texten, die mich immer wieder aufs Neue ansprechen.
„Remain in Light“ bietet 40 Minuten lang nur pure musikalische Exzellenz – keine schwachen Stellen, keine unnötigen Experimente und keinerlei Anbiederungen an den Massengeschmack. Die meisten werden vermutlich nur den Welthit „Once in a Lifetime“ kennen, aber dieses Werk enthält noch sieben weitere Weltwunder. Mein persönlicher Favorit ist „The Great Curve“, ein rhythmisches Monster, das einem kreativen Ideenfeuerwerk gleicht. Außerdem sind die beiden fantastischen Traumsequenzen „Listening Wind“ und „The Overload“ herausragend und verdienen gesonderte Erwähnung.
Heute, fast 35 Jahre später, kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass „Remain in Light“ der Vorstellung eines perfekten Musikalbums sehr nahekommt. Und das liegt nicht zuletzt daran, dass es von niemand Geringerem als dem Großmeister Brian Eno produziert wurde, der dem Werk seine unverwechselbare Handschrift verliehen hat.
Um es etwas geerdeter auszudrücken: Die Talking Heads waren, zumindest mit ihren ersten vier Alben, eine der coolsten Bands, die jemals in die Umlaufbahn der Musik geschossen wurden. Eine Band, die es in dieser Form nie wieder geben wird. Einzigartig, faszinierend, grenzenlos, intelligent, unberechenbar – einfach richtig gut.
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