Trauer-Braten der Neunziger. Eigentlich von kaum einer Band in diesem Bereich je wieder erreicht, was auf "Within The Veil" an Intensität ausgelebt wird.
Ich finde die meisten (männergemachten) Frauen an der Front im Heavy Metal ja höchst peinlich und befremdlich. Vieles gehört unbedingt verboten – dieser gespielte, benutzerfreundliche, feuchte, spätpubertäre Männertraum, von Männern erdacht, für Männer gemacht. Doch Dawn Crosby hat ihre Hand fest am Hodenbeutel vieler Männer an der Front angespannt.
Im Mittelteil von 'Betrayed', in dem sich Slayer-Riffs überschlagen, sich Rhythmus und Tempo schlagartig ändern, und Crosby grunzt, flucht und schreit, als gäbe es keinen Morgen, sowie im schmerzlichen 'Drift', in dem sich Frau Crosby komplett entblößt und Angst- und Schmerzensschreie entfacht, finden sich nach wie vor einige der abgründigsten Erlebnisse in der Musik der Neunzigerjahre.
Meiner Meinung nach der perfekte Prototyp für alle Eisenfrauen, der aber niemals in Serie gegangen ist. Schade – und gerade deswegen so toll und einzigartig.
Freitag, 2. September 2016
Fear Of God - Within The Veil
Dienstag, 23. August 2016
Type O Negative - Slow, Deep And Hard
Nach der Auflösung von Carnivore gründete Peter Steele, der zu den zehn prägnantesten Persönlichkeiten im Heavy Metal gehört, mit Type O Negative eine der markantesten, herausragendsten und wichtigsten Bands in der Geschichte langer Männerhaare. Es ist schon fast unverschämt, dass Type O Negative mit ihrem Debüt nicht nur das beste Album ihrer Karriere abgeliefert haben, sondern mit Slow, Deep and Hard ein Unikat in Sachen Hass und Bösartigkeit geschaffen haben, das bis heute in dieser Form unerreicht ist. Slow, Deep and Hard ist nicht nur ein Klassiker der Extreme, sondern eines der ganz großen Meilensteine der harten Musik.
Die überlangen und unaussprechlichen Songs sind spielerisch nicht einmal besonders anspruchsvoll, sondern von einer Rohheit und Direktheit geprägt, die sich direkt ins Knochenmark bohrt. Die abnormale Mischung aus punkwildem Hardcore, Zeitlupen-Doom, Schmerzmittel-Gothic und ruppigem Thrash Metal wurde auf keinem anderen mir bekannten Album mit solch einer Höllenintensität vertont, wie es die vier Brooklyn-Boys hier (aus)leben.
Textlich überschreitet das Album Geschmacksgrenzen in einer Weise, dass es eine wahre Freude ist, den angepissten Ausbrüchen von Peter Steele zu lauschen. Das ist allerdings nichts für nervenschwache Gemüter, denn wenn man den derb-bitteren Sarkasmus, den überzogenen schwarzen Humor und den teilweise persönlichen Hintergrund in Steeles Texten nicht erkennt, kann das durchaus auch abstoßend wirken. Auch wenn die Band eher für den Schlüpferstürmer Bloody Kisses und den Blockbuster October Rust bekannt und berühmt ist, ist es dieses Über(menschen)debüt, das in seiner Einzigartigkeit und Pracht eine Sonderstellung im Bereich „Hart & Laut“ innehat.
Peter Steele verstarb am 14. April 2010 im Alter von 48 Jahren an einem Herzinfarkt, und mit ihm endete auch die Band Type O Negative. Trauriger ist eigentlich nur die Tatsache, dass mit Peter Steele eine große Persönlichkeit, ein charismatischer Charakterkopf und ein kantiges Unikat eine Lücke hinterließ, die nicht geschlossen werden kann.
Celtic Frost - Into The Pandemonium
Bügelt ihr auch so gerne wie ich? Man denkt sich den ganzen Tag bei der Arbeit: „Ist die Wäsche auf der Leine schon trocken?“ und „Welches Album lege ich heute dazu auf?“ Into the Pandemonium von Celtic Frost gilt bei mir als der ganz große Wurf der Band.
Die Schweizer hatten auf diesem Klassiker ihre Pforten geöffnet und allerlei Fremdeinflüsse in ihren bis dato urigen und gewaltigen Krachsound Einlass gewährt. 1987 war Heavy Metal längst nicht mehr die NWoBHM-Schunkelmusik, die härtere Version von Rock und Punk aus den Siebzigern; Maiden, Priest & Co. strauchelten nur noch vor sich hin, während Metallica, Slayer & Co. sowie der weltweite Underground die Musik in immer neue Härtedimensionen rumpelten.
Und dann kamen plötzlich die Schweizer mit ihrem Zweitwerk daher und hinterließen wohl (ich selbst hörte damals noch Petra Zieger, Frank Schöbel und IC Falkenberg im Kindergarten, also kann ich nicht als Zeitzeuge dienen) eine Menge hämmernder Fragezeichen beim tobenden Mob.
Während Celtic Frost auf ihren beiden EPs und dem Vorgänger den Protosound für die spätere Death-Metal-Welle zelebrierten, gab es auf Into the Pandemonium auf einmal Disco, Bauhaus-Wave, elektronische Beatexperimente, Pop, Gothic-Tristesse, fliegende Teppiche, orientalischen Bazar-Zauber, opernhaftes Frauengesang, orchestrale Arrangements mit Pauken und Trompeten – und Thomas Gabriel Fischer sang plötzlich vereinzelt in verständlicher Sprache.
Heute läuft das unter dem Namen Avantgarde, damals war das Langhaarvolk damit wohl ziemlich überfordert. Diese größenwahnsinnige Kombination aus dem urtypischen Celtic-Frost-Sound (der Gitarrensound gehört zu den besten Momenten im gesamten Hard’n‘Heavy-Bereich) und den erwähnten Einflüssen schuf diesen kreativen Höhepunkt – ein Geniestreich, der auch nach fast dreißig Jahren zu den großen Meilensteinen der Heavy Metal-Musik zählt. Veredelt wurde diese Machtrakete mit einem wunderbaren, erdigen und warmen Sound sowie einem Ausschnitt aus der rechten Höllenseite von Hieronymus Boschs The Garden of Earthly Delights.
Übrigens wurde ein Heavy-Metal-Album nie wieder größenwahnsinniger und abgeklärter eröffnet als mit Mexican Radio.
Dienstag, 9. August 2016
Clerks
Regie: Kevin Smith, 1994
Irgendwann Ende der Neunziger habe ich diesen ersten Film von Kevin Smith mal im TV gesehen, doch er ist bei mir irgendwie völlig in Vergessenheit geraten. Man muss wohl nicht viel dazu sagen: Eine kleine Perle der Neunziger, für viele tonnenschwerer Kult und ein kleines Abzeichen dieser Zeit und der Generation der 90er Jahre.
Brian O’Halloran als Dante und Jeff Anderson als Randal verkörpern die beiden gelangweilten Nichtskönner auf überzeugend glaubwürdige Weise, auch wenn man schauspielerisch nicht allzu viel erwarten darf. Die große Stärke dieser kleinen Indie-Perle liegt in den Dialogen: Die ganzen Gespräche mit der nervenden Kundschaft (Dante arbeitet als Kassierer in einem schäbigen kleinen Lebensmittelladen, Randal übernimmt dieselbe Aufgabe in einer Videothek, die sich zwei Meter neben dem Laden befindet) und die skurrilen Situationen, die sich oft aus diesen Gesprächen ergeben, sind der Kern des Films.
Randal mag keine Menschen und verärgert mit Freude seine Kundschaft, was er auch bei Dante im Laden abzieht, da er dort oft zu „Besuch“ ist, wenn ihm langweilig ist. Dazu gesellt sich ein derber Humor, der meiner Meinung nach zwar die Fäkalgrenze, wie man sie aus aktuellen Komödien kennt, streift, aber trotz aller Zoten fast immer ins Schwarze trifft. Einige Sprüche sind auch heute noch unglaublich lustig und großartig. Der russische Metalsänger ist auch so ein kleines Highlight:
„My love for you is like a truck, Berserker. Would you like some making fuck, Berserker.“
Genau so funktioniert Heavy Metal!
Atmosphärisch ist der Film ebenfalls ganz groß, da die Bilder komplett in Schwarz-Weiß gehalten sind und die grobe Kameraführung ein ganz eigenes Bild zeichnet. Zudem besitzt der Film eine starke melancholische Note, die auf wundervolle Weise eine Generation einfängt. Für die Augen gibt es mit der damaligen Damenmode und den unglaublich hässlichen Damenfrisuren ein tolles Bild der Zeit.
Stimmig, lustig, skurril und ganz nah dran.
Donnerstag, 4. August 2016
Toto - The Seventh One
Hier lief dann mal IV, dann mal Isolation und Hydra. Aber alles eher nebenbei. Irgendwann kam der Tag, als The Seventh One im CD-Schacht landete. Und dieses Werk machte mich zum Fan. Mit dem Opener Pamela und seinem Mörder-Refrain hatte die Band sofort meine volle Aufmerksamkeit. Joseph Williams’ großartiger Gesang, irgendwo zwischen George Michael und einer kraftvollen Rockröhre, in Kombination mit den punktgenau komponierten Songs, ergab über das gesamte Album eine eindrucksvolle Verschmelzung von handwerklichem Können, 80er-Sound, „dicke Hose“-Radiorock und einer Hitdichte, die fast schon eitel wirkt.
Mit diesem Album veröffentlichten Toto die Blaupause für perfekten Pop-Rock und untermauerten ihren Status als Band, die einige der besten Musiker der Rockmusik beherbergte. Am bekanntesten ist dabei die Rhythmusfraktion der Porcaro-Brüder, Jeff und Mike, die leider nicht mehr unter uns weilen. Besonders Jeff gehört zu den mächtigsten Schlagzeugern der Rockmusik.
Die nächste Größe ist Steve Lukather an der Gitarre, ein Weltklassegitarrist und gefragter Studiomusiker, dessen unaufdringliches Spiel erst beim genauen Hinhören seine wahre Größe zeigt. David Paich an den Tasten ist der heimliche Wunderknabe der Band. Er zeichnet sich nicht nur als hervorragender Songwriter für die meisten Songs aus, sondern pumpt mit seinem Keyboard gewaltige Melodien in den typischen Toto-Sound.
The Seventh One ist natürlich komplett im Stil der Achtziger produziert, allerdings mit feinen Nuancen, die man erst mit der Zeit erkennt. Der allgemeine Tenor besagt ja, dass IV DAS Toto-Album ist. Für mich jedoch ist es ganz eindeutig dieses hier. Hier sind in konzentrierter Form die besten Songs aus ihrer Achtziger-Phase vertreten: das übermenschliche Stop Loving You, in dem auch Jon Anderson im Hintergrund trällert, mit seinem unfassbar leichtfüßigen Refrain, das wunderbare Mushanga mit einem unbeschreiblichen Jeff Porcaro, das pumpende Straight for the Heart, mein persönlicher Liebling Only the Children oder das epische Home of the Brave – alles Kompositionen auf einem Niveau, das nur die wenigsten Rockbands erreichen.
Trotz allem technischen Können der einzelnen Musiker drängt sich nie jemand in den Vordergrund oder spielt sinnlos an seinem Instrument herum. Auch versucht sich niemand in krampfhafter Komplexität. Die Songs von Toto sind immer klar strukturiert und songdienlich, aber unter der Haube oft technischer und abgefahrener als bei den meisten Prog-Bands.
The Seventh One gehört für mich ganz klar neben Köstlichkeiten wie Agent Provocateur und Frontiers auf den Achtziger-Altar gestellt.
Dead Congregation - Promulgation Of The Fall
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Dead Congregation - Promulgation Of The Fall (CD, Martyrdoom Productions, 2014) |
Promulgation of the Fall hat alles, was ich noch am Death Metal mag. Ich war beinahe erstarrt, als mich die ersten Snare- und Bassdrumanschläge in Only Ashes Remain getroffen haben. Es fühlt sich an, als würde der Drummer seine gesamten Schlagzeugkomponenten nach mir werfen und die Bassdrum-Fußmaschinen direkt am Skrotum montieren, sodass die beiden Rosinen im Beutel im freudigen Sekundentakt wie Eiterpusteln zum Platzen gebracht werden.
Wenn dieses menschliche Drummonster auf Promulgation of the Fall komplett ausflippt, bricht förmlich ein barbarischer Sturm aus. Was für eine teerschwarze Wand aus Druck, Höllenenergie und Zerstörung! Besonders im Song Nigredo tobt in den ersten Sekunden eine schier unglaubliche Panzerschlacht auf Speed. Gewaltige Drumfontänen treiben die ätzenden Todesriffs bis an die Spitze der Bösartigkeit.
Das gnadenlose Serpentskin, das Säure verspritzende Immaculate Poison oder Schisma – für mich der mächtigste und erdrückendste Gewaltakt auf diesem Werk mit seinem verstandauslöschenden Mittelteil – sind Todesschwadronen, die in der Lage sind, Leben zu eliminieren.
Dead Congregation haben mit dieser todesmetallischen Dämonenbrutstätte für mich das gewaltigste Extremwerk dieses Jahrzehnts veröffentlicht. Es liefert den Beweis, dass eine lebendige, spürbare und am eigenen Leib vollzogene Exekution nichts weiter benötigt als erschlagende Songs, unkontrollierte Gewalt, eine Produktion nach Art des Hauses und eine unverfälscht eingefangene, schlicht unmenschliche Energie.
Dienstag, 2. August 2016
QUERSCHNITT - zehn Songs, ein Künstler; heute: PJ Harvey
Den ersten QUERSCHNITT auf diesem Blog übernimmt natürlich und ganz klar...
Die großartigste Musikerin unserer Zeit. Die Herrlichkeit mit Busen, die Kaiserin der modernen Rockmusik, die Gebieterin der Lust, schlicht und ergreifend die beste Rocksängerin aller Zeiten – Helene Fischer. Falscher Zettel. Polly Jean Harvey – die Frau mit dem markanten Mund, der einprägsamen Nase und den tausend Gesichtern. Optisch und akustisch besser als jeder Penis. Der Kompetenzgynäkologe empfiehlt – 10x Qualitätsabstrich:
PJ Harvey - Dress (Quelle: Youtube)
PJ Harvey - 50 Ft Queenie (Quelle: Youtube)
PJ Harvey - Meet Ze Monsta (Quelle: Youtube)
PJ Harvey - A Perfect Day Elise (Quelle: Youtube)
PJ Harvey - Big Exit (Quelle: Youtube)
PJ Harvey - The Whores Hustle And The Hustlers Whore (Quelle: Youtube)
PJ Harvey - Who The Fuck? (Quelle: Youtube)
PJ Harvey - Silence (Quelle: Youtube)
PJ Harvey - All And Everyone (Quelle: Youtube)
Judas Priest - Sad Wings Of Destiny

Stellvertretend für alles, was Judas Priest bis 1988 auszeichnet, ist bereits auf dem zweiten Album der Birmingham-Legende enthalten. Das urklassische Gitarrenduo Tipton/Downing hämmerte sich bis 1988 auf jedem Album songorientierte Hookline-Riffs aus den Pranken, ohne dabei übertrieben komplex oder selbstverliebt zu wirken (was mich bei der „billigeren“ Variante Maiden mittlerweile ziemlich nervt). Dazu schoss Halford unwiderstehliche Refrains und Gesangslinien in die Plattenrillen.
Neben Black Sabbath sind Judas Priest DIE Definition der klassischen Heavy-Metal-Band, auch wenn sich die Band ab den Neunzigern komplett demontiert hat (mit Ausnahme von Jugulator) und nie wieder zu alter Stärke fand. Dabei sind es solche sensationellen Übersongs wie Dreamer Deceiver/Deceiver (welch begnadete Gesangsleistung Halford hier abliefert), die eben nur Judas Priest schreiben konnten.
Montag, 1. August 2016
Castaway on the Moon
Regie: Lee Hae-jun, 2009
Kennt ihr das? Man lümmelt sich auf die Schnoddercouch, wühlt im Stapel ungesehener Filme im verstaubten Regal herum und zieht blind etwas heraus? Eigentlich wollte ich mich ja mit einem weiteren Werk von Sion Sono beschäftigen, hatte dann aber doch Lust auf etwas Zufälliges. Und dann bekommt man so einen wunderbaren Film!
Ein junger Mann hat seinen Job und seine Freundin verloren, ist pleite, verschuldet und hat keinen Lebenswillen mehr. Er beschließt, sich von einer Brücke in den Hangang (einen Fluss in Südkorea) zu stürzen. Leider wacht er später auf einer "Insel" zwischen Brückenpfeilern wieder auf, direkt gegenüber der Skyline der Wolkenkratzer am Strand. Mit seinem getrockneten Handy versucht er den Notruf zu erreichen, wird aber für verrückt gehalten. Da er nicht schwimmen kann, bleibt ihm nur noch der Gedanke an Suizid, den er mit seiner Krawatte und einem Baum umsetzen will. Doch schließlich beschließt er, sein Leben auf dieser "Insel" neu zu ordnen. Aus dem angeschwemmten Stadt- und Touristenmüll baut er sich ein kleines Lager und versucht vergeblich, Nahrung zu beschaffen. Sein anfängliches "HELP" am Strand verwandelt sich später in ein "HELLO", nachdem er nach drei Monaten einigermaßen gelernt hat, sich Nahrung zu erbeuten.
Szenenwechsel: In einem Wolkenkratzer direkt gegenüber lebt die völlig zurückgezogene junge Kim, eingesperrt in ihrem vermüllten Zimmer. Sie betreibt eine Homepage und inszeniert sich im Rampenlicht, gibt vor, jemand zu sein, der sie nicht ist. Kim ist im Gesicht leicht entstellt (vielleicht eine Brandnarbe?), was wohl nicht dem Schönheitsideal der Gesellschaft entspricht. Aber das ist natürlich Quatsch – sie ist eine niedliche Schönheit, wie ich finde. Egal. Ihr zweiter großer Lebensinhalt ist die Mondfotografie, für die sie eine entsprechende Ausrüstung besitzt. Im Gegensatz zu ihrem vollgemüllten Zimmer ist der Rest des Elternhauses wohlhabend und blitzblank. Ein weiterer Tick von Kim: Sie schläft im Schrank, eingemummelt in Luftpolsterfolie.
Als sie mit ihrer Kamera das "HELLO" und den Mann auf der Insel entdeckt, hält sie ihn zunächst für einen Außerirdischen (es gibt ein paar absurde Szenen, die ich hier nicht verraten möchte, durch die dieser Eindruck entsteht). Der junge Mann bekommt plötzlich Heißhunger auf Nudeln. Er beschließt, sich seine eigenen Nudeln "anzubauen". Wie er das macht, sollte sich jeder selbst anschauen. Großartig!
Kim entschließt sich, dem Mann Nachrichten per Weinflaschenpost zu schicken. Doch dafür muss sie nicht nur ihr Zimmer, sondern auch das Gebäude verlassen. Mit Motorradhelm und buntem Sonnenschirm schleicht sie sich in der Nacht zur Brücke, die nahe der "Insel" liegt, und wirft die Flasche in diese Richtung. Daraufhin entwickelt sich eine gewisse Kommunikation. Der junge Mann antwortet mit Botschaften, die er in den Sand schreibt, und Kim wagt jede Nacht erneut ihren gefürchteten Gang. Mehr möchte ich zur Geschichte nicht verraten.
Wow! Echt jetzt. WOW! Auch wenn sich das hier sehr komisch liest, der Film ist eine grandiose Mischung aus Isolation, Witz und Menschlichkeit. Er ist ungeheuer herzerwärmend und bietet selbst für Nicht-Asiakenner ein ungewöhnliches Bild. Beide Schauspieler liefern eine großartige Vorstellung ab, dabei wird auf die typischen asiatischen Stilmittel komplett verzichtet. Eine Mischung aus Mary & Max, Le fabuleux destin d’Amélie Poulain und ein wenig Robinson Crusoe mit einer tollen Portion Tiefgründigkeit. Zudem erlebt man eine der bezauberndsten Romanzen der jüngeren Kinogeschichte. Dass beide Figuren den Namen Kim tragen, ist nur das i-Tüpfelchen.
Dringende Empfehlung mit dem Louis Cyphre-Gütesiegel an alle, die mal wieder einen richtig schönen Film erleben wollen. Welt, schau mehr asiatische Filmkunst!
Freitag, 29. Juli 2016
Idi i smotri
Regie: Elem Germanowitsch Klimow, 1985
Der Film erzählt die Geschichte des 12-jährigen Fljora, eines weißrussischen Bauernjungen zur Zeit der deutschen Besatzung. Nach dem Untergang der deutschen Armee in Stalingrad ziehen Einheiten der Waffen-SS durch Weißrussland und ermorden die Einheimischen. 628 Dörfer fallen den Gräueltaten zum Opfer. Fljora schließt sich den Partisanen an und muss nach einem Überfall deutscher Fallschirmjäger auf das Lager fliehen. Ein Massaker der SS überlebt der Junge.
In eindringlichen, teilweise erschreckenden Bildern erzeugt der Film eine beklemmende Endzeitstimmung. Der karge und hintergründige Soundtrack unterstreicht die Grausamkeit und den Horror der Bilder. Anders als in Hollywood werden die Szenen hier nicht von Explosionen, Schlachten und Effekten dominiert, sondern durch ein extrem authentisches und realistisches, dreckiges Bild. Fast dokumentarisch fängt die Kamera Gesichter in Nahaufnahmen, weite Waldgebiete und graue Landschaften ein. Manche Szenen sind großartig gefilmt und symbolisieren oft Verzweiflung, Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit. Überhaupt ist die Kameraarbeit absolut großartig und beeindruckend – typisch russisch eben.
Untypisch für einen Kriegsfilm ist auch die geringe Darstellung von Gewalt in exzessiven Bildern, die kaum vorkommt. Stattdessen ist der psychische Horror umso grausamer, bedrückender und gnadenloser als in allen Kriegsfilmen, die ich kenne.
Die Schlussszene gehört übrigens zu den eindrucksvollsten montierten Szenen, die ich je gesehen habe. Ein Film, der nicht unterhält, sondern zeigt!
Mittwoch, 27. Juli 2016
Black Sabbath - Vol. 4

Es gibt Alben, die nicht nur eine Ära definieren, sondern die Essenz eines ganzen Genres in sich tragen. „Vol. 4“ von Black Sabbath ist ein Album, das den Hörer in eine wahre Urgewalt aus Sound, Wut und psychedelischem Taumel stürzt. Es ist eine der bedeutendsten Veröffentlichungen der frühen Siebziger und markiert einen Wendepunkt im Schaffen der Band, die sich von ihren bluesgetränkten Wurzeln weiter in die Tiefen einer zunehmend progressiven und experimentellen Klangwelt vorwagt. Die bereits bekannte Schwere und Finsternis, die Black Sabbath als Begründer des Heavy Metal kultivierten, erhält hier eine zusätzliche Dimension: eine Mischung aus Verzweiflung, nahezu nihilistischer Euphorie und einer eigentümlichen Sensibilität, die in ihrer Eigenart unvergesslich ist. „Vol. 4“ ist nicht nur eines der wichtigsten Alben für den Heavy Metal – es ist eines der coolsten, lässigsten und kompromisslosesten Werke, die jemals aufgenommen wurden. Die rohe Energie und der ungezähmte Spirit, der durch jede Note dieses Albums pulsiert, machen es zu einem zeitlosen Meisterwerk. Es ist ein Album, das vor Authentizität strotzt und die unbändige Kreativität der Band auf ihrem absoluten Höhepunkt einfängt.
Für mich persönlich zählt „Vol. 4“ zu den ganz wenigen perfekten Alben der Musikgeschichte, obwohl es in meinem musikalischen Werdegang erst relativ spät seine volle Wirkung entfalten konnte. So gut wie auf „Vol. 4“ waren Black Sabbath in ihrer klassischen Besetzung nie wieder. Es ist das perfekte Zusammenspiel von vier Musikern, die hier die Höhe ihrer Schaffenskraft erreicht haben. Tony Iommi zaubert Riffs aus seiner Gitarre, die so ikonisch und mächtig sind, dass sie bis heute als Blaupause für unzählige Metalbands dienen. Bill Ward am Schlagzeug und Geezer Butler am Bass bilden eine Rhythmussektion, die so tight und druckvoll spielt, dass sie jeden Song in eine unerbittliche Walze aus purem Rock verwandelt. Und natürlich Ozzy Osbourne – der Teufelsanbeter, dessen unverkennbare Stimme über dem ganzen Werk thront und ihm seine dunkle, unheimliche Seele verleiht.
Der Opener ‚Wheels of Confusion‘ zeigt, dass es hier um mehr geht als um bloße Kraftmeierei. Das Stück beginnt mit einem getäuschten Gefühl der Kontrolle, einem scheinbar einfachen, fast rockigen Riff, doch bereits nach wenigen Takten weicht es einem musikalischen Wirbelwind, der das bekannte Terrain verlässt und sich in immer verworrenere Bahnen begibt. Iommis Gitarre klagt, schwelgt, erhebt sich in triumphale Höhen, nur um sich wieder in melancholische Gefilde zu stürzen. Es ist ein Epos, das in seinen verschiedenen Teilen die Bandbreite von Black Sabbath aufzeigt: vom verführerisch melodischen bis zum geradezu beängstigend düsteren Klangspektrum.
Ein weiterer Höhepunkt ist das treibende ‚Snowblind‘ – die offene Hommage an die Kokainexzesse, die das Leben der Band damals prägten. Tony Iommi spielt hier eines seiner prägnantesten Riffs, eine schwerfällige, aber unwiderstehliche Wand aus Sound, die sich wie eine Lawine auf den Zuhörer zubewegt. Ozzy Osbournes Stimme klingt hier verletzlich und aufgeladen zugleich; es ist eine Mischung aus Wahnsinn und Klarheit, die durch die gesamte Aufnahme hindurchschimmert. Gerade in dieser Unmittelbarkeit, in der schonungslosen Ehrlichkeit, die nicht um das Thema der Droge herumtänzelt, sondern es frontal angreift, liegt die Intensität von ‚Snowblind‘. Es ist ein Song, der das Gefühl der Flucht und des Kontrollverlusts in purer musikalischer Form einfängt.
Was „Vol. 4“ ebenfalls auszeichnet, ist die Fülle an stilistischen Experimenten, die die Band wagt. ‚Changes‘, eine balladeske Nummer, markiert einen tiefen Bruch im sonst so düsteren Klangbild der Band. Hier dominiert das Klavier, gespielt von Iommi selbst, und Ozzys Stimme erreicht eine emotionale Tiefe, die von Schmerz und Verlust erzählt. Der Song ist schlicht, fast verletzlich, und zeigt eine Seite der Band, die viele vielleicht nicht erwartet hätten – eine melancholische Aufrichtigkeit, die zwischen all der Schwere und Dunkelheit fast wie eine Erlösung wirkt. Es sind Momente wie diese, die Black Sabbath als mehr denn eine bloße Metal-Band ausweisen – sie waren stets auch musikalische Pioniere, bereit, die Grenzen dessen, was „heavy“ sein kann, zu erweitern.
Mit ‚Supernaut‘ liefert die Band eines der direktesten und kraftvollsten Stücke auf dem Album. Das treibende Riffing von Iommi in Verbindung mit Bill Wards unermüdlichem, fast tribalistischem Schlagzeugspiel macht diesen Track zu einer wahrhaft energiegeladenen Hymne. Der Groove, der sich durch das Stück zieht, ist elektrisierend, und auch wenn die Riffs simpel erscheinen, tragen sie eine unbändige Kraft in sich, die bis heute nichts von ihrer Wirkung verloren hat. Es sind genau diese Elemente – die scheinbare Einfachheit kombiniert mit einer absoluten Hingabe und Präzision – die ‚Supernaut‘ zu einem unverzichtbaren Stück der Rockgeschichte machen. Es hat etwas fast Hypnotisches an sich, wie die Band hier unaufhaltsam und kompromisslos nach vorne prescht.
Songs wie ‚Snowblind‘, ‚Supernaut‘ und ‚Wheels of Confusion‘ sind nicht nur Klassiker – sie sind essenziell für das Verständnis des Heavy Metal. Sie zeigen, wie man düsteren, schweren Rock mit einer fast mühelosen Coolness verbindet. Die unheilvolle Stimmung, die düsteren Lyrics und die rohe, unpolierte Produktion verleihen dem Album eine Authentizität, die es von allem abhebt, was zuvor kam und was danach noch folgen sollte. Die Produktion von „Vol. 4“ fängt den Geist der Zeit perfekt ein: Sie ist roh, stellenweise fast unfertig wirkend. Es gibt keinen Schnickschnack, keinen überflüssigen Glamour – alles ist auf den Punkt, direkt und ehrlich. Man hört dem Album an, dass es in einer Zeit entstanden ist, in der Musik noch unmittelbarer Ausdruck von Lebensgefühl und Existenz war. Die Soundexperimente und kleinen Studio-Gimmicks tragen alle dazu bei, dass „Vol. 4“ wie ein organisches Ganzes wirkt – ein lebendiges Stück Musik voller Überraschungen.
Es ist ein versiffter Trip, ein Hörspiel des Wahnsinns und des Genies, eine Reise durch die tiefsten Abgründe und die höchsten Höhen der menschlichen Kreativität. Einer der eindrucksvollsten Aspekte von „Vol. 4“ ist die Balance zwischen der kompromisslosen Härte und der tiefen Emotionalität, die durch das gesamte Album schwingt. Ob es die düsteren, drogengetriebenen Visionen in ‚Snowblind‘ sind, die schmerzvolle Melancholie von ‚Changes‘ oder die rohe, fast ekstatische Energie von ‚Supernaut‘ – all diese Elemente verbinden sich zu einem komplexen Geflecht, das in seiner Gesamtheit weit über das hinausgeht, was man von einem „Metal-Album“ erwarten könnte. Black Sabbath waren niemals nur die Begründer eines Genres, sie waren Künstler, die die Grenzen dessen, was Musik leisten kann, immer weiter ausloteten.
„Vol. 4“ ist ein Denkmal der Rockgeschichte – ein Album, das für immer den Stempel "unvergänglich" trägt. Es ist eines dieser Werke, die nicht altern, die nichts von ihrer Kraft verlieren und die auch nach Jahrzehnten noch die gleiche elektrisierende Wirkung entfalten. Wenn man darüber spricht, was Heavy Metal wirklich ausmacht, wenn man nach der Essenz dieser Musik sucht, dann führt kein Weg an „Vol. 4“ vorbei. Es ist die Verkörperung dessen, was Rock und Metal sein können – roh, ungeschönt und absolut zeitlos.