Montag, 1. August 2016
Castaway on the Moon
Regie: Lee Hae-jun, 2009
Kennt ihr das? Man lümmelt sich auf die Schnoddercouch, wühlt im Stapel ungesehener Filme im verstaubten Regal herum und zieht blind etwas heraus? Eigentlich wollte ich mich ja mit einem weiteren Werk von Sion Sono beschäftigen, hatte dann aber doch Lust auf etwas Zufälliges. Und dann bekommt man so einen wunderbaren Film!
Ein junger Mann hat seinen Job und seine Freundin verloren, ist pleite, verschuldet und hat keinen Lebenswillen mehr. Er beschließt, sich von einer Brücke in den Hangang (einen Fluss in Südkorea) zu stürzen. Leider wacht er später auf einer "Insel" zwischen Brückenpfeilern wieder auf, direkt gegenüber der Skyline der Wolkenkratzer am Strand. Mit seinem getrockneten Handy versucht er den Notruf zu erreichen, wird aber für verrückt gehalten. Da er nicht schwimmen kann, bleibt ihm nur noch der Gedanke an Suizid, den er mit seiner Krawatte und einem Baum umsetzen will. Doch schließlich beschließt er, sein Leben auf dieser "Insel" neu zu ordnen. Aus dem angeschwemmten Stadt- und Touristenmüll baut er sich ein kleines Lager und versucht vergeblich, Nahrung zu beschaffen. Sein anfängliches "HELP" am Strand verwandelt sich später in ein "HELLO", nachdem er nach drei Monaten einigermaßen gelernt hat, sich Nahrung zu erbeuten.
Szenenwechsel: In einem Wolkenkratzer direkt gegenüber lebt die völlig zurückgezogene junge Kim, eingesperrt in ihrem vermüllten Zimmer. Sie betreibt eine Homepage und inszeniert sich im Rampenlicht, gibt vor, jemand zu sein, der sie nicht ist. Kim ist im Gesicht leicht entstellt (vielleicht eine Brandnarbe?), was wohl nicht dem Schönheitsideal der Gesellschaft entspricht. Aber das ist natürlich Quatsch – sie ist eine niedliche Schönheit, wie ich finde. Egal. Ihr zweiter großer Lebensinhalt ist die Mondfotografie, für die sie eine entsprechende Ausrüstung besitzt. Im Gegensatz zu ihrem vollgemüllten Zimmer ist der Rest des Elternhauses wohlhabend und blitzblank. Ein weiterer Tick von Kim: Sie schläft im Schrank, eingemummelt in Luftpolsterfolie.
Als sie mit ihrer Kamera das "HELLO" und den Mann auf der Insel entdeckt, hält sie ihn zunächst für einen Außerirdischen (es gibt ein paar absurde Szenen, die ich hier nicht verraten möchte, durch die dieser Eindruck entsteht). Der junge Mann bekommt plötzlich Heißhunger auf Nudeln. Er beschließt, sich seine eigenen Nudeln "anzubauen". Wie er das macht, sollte sich jeder selbst anschauen. Großartig!
Kim entschließt sich, dem Mann Nachrichten per Weinflaschenpost zu schicken. Doch dafür muss sie nicht nur ihr Zimmer, sondern auch das Gebäude verlassen. Mit Motorradhelm und buntem Sonnenschirm schleicht sie sich in der Nacht zur Brücke, die nahe der "Insel" liegt, und wirft die Flasche in diese Richtung. Daraufhin entwickelt sich eine gewisse Kommunikation. Der junge Mann antwortet mit Botschaften, die er in den Sand schreibt, und Kim wagt jede Nacht erneut ihren gefürchteten Gang. Mehr möchte ich zur Geschichte nicht verraten.
Wow! Echt jetzt. WOW! Auch wenn sich das hier sehr komisch liest, der Film ist eine grandiose Mischung aus Isolation, Witz und Menschlichkeit. Er ist ungeheuer herzerwärmend und bietet selbst für Nicht-Asiakenner ein ungewöhnliches Bild. Beide Schauspieler liefern eine großartige Vorstellung ab, dabei wird auf die typischen asiatischen Stilmittel komplett verzichtet. Eine Mischung aus Mary & Max, Le fabuleux destin d’Amélie Poulain und ein wenig Robinson Crusoe mit einer tollen Portion Tiefgründigkeit. Zudem erlebt man eine der bezauberndsten Romanzen der jüngeren Kinogeschichte. Dass beide Figuren den Namen Kim tragen, ist nur das i-Tüpfelchen.
Dringende Empfehlung mit dem Louis Cyphre-Gütesiegel an alle, die mal wieder einen richtig schönen Film erleben wollen. Welt, schau mehr asiatische Filmkunst!
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