Montag, 18. Juli 2016
De rouille et d'os
Regie: Jacques Audiard, 2012
Der rohe Alain schlägt sich mit seinem Sohn ohne viel Perspektive durchs Leben und bekommt einen Job als Türsteher in einem Club. Dort muss er gleich bei einem Handgemenge eingreifen, wo er auf die schöne Stéphanie trifft, die wohl daran beteiligt war und etwas abbekommen hat. Er fährt sie nach Hause und bittet sie, noch Eis für seine verletzte Hand zu besorgen. Stéphanie lässt ihn in die Wohnung, wo Alain auch gleich ihren Freund kennenlernen darf. Zudem erfährt er von ihrem Beruf, da überall in der Wohnung Fotos und Artikel Stéphanie als Orca-Dompteurin in einem Seapark zeigen. Für Alain eine unerwartet coole Sache. Cut.
Stéphanie wird bei ihrer nächsten Show gezeigt – alles riesengroß mit Pomp und Menschenmengen. Alles läuft normal, bis plötzlich ein Orca mehr Hunger hat als die anderen. Stéphanie wird bei dem Zwischenfall schwer verletzt und verliert ihre beiden Beine.
Monate später meldet sich Stéphanie bei Alain (der damals seine Nummer hinterlassen hat), der mittlerweile bei seiner ebenfalls sozial eher schwachen Schwester wohnt und jetzt Nachtschichten in einer Security-Firma schiebt. Er besucht sie, doch Stéphanie hat die Lust am Leben verloren, gammelt im Rollstuhl in ihrer abgedunkelten Wohnung vor sich hin und steht völlig alleine da (bis auf eine Kollegin, die öfter vorbeikommt).
Alain nimmt es gelassen, bemerkt ungehobelt, dass es in der Wohnung ziemlich stinkt, und überredet Stéphanie letztendlich dazu, an die frische Luft zu „gehen“. Beide unterhalten sich in einem Strandcafé, bis Alain Stéphanie plump fragt, ob sie Lust hat, mit ihm schnell ins Wasser zu springen. Stéphanie hält das anfänglich für einen Scherz, bis sie dann doch mit dem Rollstuhl zum Strand fährt, wo Alain schon im Wasser ist. Schließlich lässt sie sich von Alain überreden, der sie dann ins Wasser trägt.
Hier sind mir dann schon die Tränen gekullert. Aber was bitte ist das für eine geile Tricktechnik mit den beiden Stummeln? Hier werden keine Kameratricks verwendet – wie das alles in Szene gesetzt ist, zeigt ein tolles Making-of als Extra auf der DVD. Wahnsinn, wie authentisch das aussieht.
Stéphanie schwimmt den halben Tag im Meer (auch das sieht man – ohne Beine) und ist überglücklich, als Alain sie wieder aus dem Wasser trägt und sie sich herzlich dafür bedankt.
Zwischen den beiden entwickelt sich eine tiefere Freundschaft, auch wenn Alain eher der Arschlochtyp ist. Gegenüber Stéphanie zeigt er aber unbewusst Gefühle. Als Alain ein Angebot für Straßenkämpfe bekommt, sieht er darin seine große Chance auf mehr Geld. Und Stéphanie verliebt sich langsam in Alain.
Wow! Was für ein grandioses Stück Europakino! Marion Cotillard ist einfach eine der besten derzeitigen Schauspielerinnen und spielt ihre Rolle so authentisch und beeindruckend, dass ich der Frau ab sofort verfallen bin. Ihre Ausstrahlung auf dem Bildschirm ist sagenhaft. Matthias Schoenaerts' Rolle als Alain ist ebenfalls überragend. Eine fantastische Schauspielleistung der beiden Hauptakteure.
Jacques Audiard hat mich damals schon mit seinem meisterlichen Gefängnisdrama "Un prophète" überzeugt und legt hier nochmal eine Schaufel Emotion drauf. Eine erstklassige Kamera, unterlegt mit einem coolen Soundtrack (Springsteens 'State Trooper'!), und der „Mut“, ungeschönte Sexszenen mit amputierten Beinen zu zeigen, sind dabei eigentlich nur Nebensächlichkeiten, die erst nach dem Ende im Kopf wirken. Getragen von den beiden herausragenden Darstellern, einer absolut kitschfreien Geschichte und dem Weg, wie Stéphanie wieder Freude am Leben findet, ist "De rouille et d'os" für mich großartiges europäisches Kino, wie man es eigentlich nicht besser machen kann.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen