
Dass Charles Michael Schuldiner zu den einflussreichsten und wertvollsten Grob-Gitarristen eines ganzen Genres gehört(e), ist unwiderlegbar. Seine Art und Weise, dieses Instrument zu spielen, Songs zu komponieren, den ständigen Drang zur nächsten Evolution zu verfolgen und die Musiker, die Chuck auf seinen Lebenswerken versammelte und zu schier unmöglichen Höchstleistungen antrieb, ist ein bis heute nie wieder erreichtes Unikum in der weltweiten Metallverarbeitung. Sein perfektionistischer Anspruch an sich, seine Musik und an seine Mitmusiker prägte ein Genre und setzte Maßstäbe, die bis heute unerreicht geblieben sind.
Seine klassischen Revolten wie „Human“, „Symbolic“, „Leprosy“, „Spiritual Healing“ oder „Individual Thought Patterns“ sind Schablonen, die um die Welt gingen und die Blaupausen für unzählige Bands und Musiker darstellen. Doch mit seinem letzten Death-Werk „The Sound of Perseverance“ übertrieb es Herr Schuldiner schon fast – alles ist auf die Spitze getrieben, jede Note, jedes Riff, jedes Solo ist "to the MAX". Dieses Album markiert den Höhepunkt eines Schaffens, das schon zuvor als unerreicht galt, und das in „The Sound of Perseverance“ seine absolut radikalste, komplexeste und zugleich emotionalste Ausprägung fand. Es gibt und gab nie wieder ein vergleichbares Knallbonbon, welches ultra komplexe Songs, "was'n jetzt?"-Solis und unruhiges Zappeldrumming so gekonnt verschmolzen hat, wie „The Sound of Perseverance“.
Von Beginn an nimmt das Album den Hörer an die Hand und zieht ihn in eine wuchtige und zugleich filigrane Klangwelt. ‚Scavenger of Human Sorrow‘ setzt die Marschrichtung: Mit fesselnder Rasanz prallen Gitarrenlinien und die wütende, dennoch erstaunlich klare Stimme Schuldiners aufeinander. Richard Christy stürzt kopfüber in seinen Schlagzeugberg und reißt dabei alles mit – ein Wirbelsturm aus Doublebass-Salven und unvorhersehbaren Breaks, während Schuldiner eines der andächtigsten Riffs der Rockmusik dagegensteuert. Es ist der Beginn einer Reise, die alles bisher Gehörte übertrifft, die den Hörer durch ein Labyrinth aus komplexen Arrangements und rasenden Soli führt, die nur Schuldiner in dieser Perfektion zu erschaffen vermochte. Dabei zeigt sich hier bereits, was dieses Album so unvergleichlich macht: Es ist durchdrungen von einem wahnhaften Perfektionismus, einer kompromisslosen Schönheit in der technokratischen Kälte des Death Metal. Schuldiner hat nie so differenziert gesungen, nie so technisch gespielt, und doch trägt jeder Ton ein emotionales Gewicht, das fast erdrückend wirkt.
Eine zentrale Größe dieses Albums ist ohne Frage die Virtuosität aller beteiligten Musiker. Besonders Richard Christy am Schlagzeug scheint oft so zu spielen, als würde er die Taktarten als bloße Vorschläge betrachten. Seine Fill-Exzesse, der fast chaotische Umgang mit Rhythmus und Dynamik – all das ist die perfekte Folie für Schuldiners Gitarrenspiel, das gleichzeitig ausbrechend und präzise bleibt. Diese organische Unberechenbarkeit von Christy verleiht den Songs eine fast jazzige Note.
Jeder Song auf „The Sound of Perseverance“ ist ein Meisterwerk für sich. Die schiere technische Brillanz wird nur noch von der emotionalen Tiefe übertroffen, die sich durch das gesamte Album zieht. Songs wie ‚Bite the Pain‘ und ‚Spirit Crusher‘ sind nicht nur musikalische Extremleistungen, sie sind auch Ausdruck von Chucks unermüdlichem Streben nach Perfektion und seinem unbändigen Willen, die Grenzen dessen, was möglich ist, immer weiter auszudehnen.
Das Herzstück des Albums, ‚Spirit Crusher‘, bleibt eines der eindrücklichsten Beispiele für Schuldiners Kompositionskunst. Es vereint die wütende Intensität des Death Metal mit einer tiefen, beinahe erhabenen Melancholie, die in der Hookline zur vollen Entfaltung kommt. Der Basslauf von Scott Clendenin, fast untypisch prominent für das Genre, fungiert hier als treibende Kraft, unterlegt die alles verschlingenden Gitarrenwände mit einer unterschwelligen, drohenden Dunkelheit. Gerade diese Kombination aus technischer Präzision, schierer Kraft und emotionaler Tiefe macht den Song – und das ganze Album – zu einer derart besonderen Erfahrung.
Und diese Soli – diese atemberaubenden, irrwitzigen, jenseitigen Soli, die Schuldiner auf eine Art und Weise spielt, die man einfach nicht erklären kann. Sie scheinen direkt aus einer anderen Umlaufbahn zu kommen, als würde Chuck die Gitarre nicht nur spielen, sondern mit ihr sprechen, sie singen lassen. Und es sind diese Soli, die „The Sound of Perseverance“ zu einem der komplexesten und doch zugänglichsten Alben machen, die jemals im Metal entstanden sind.
Was „The Sound of Perseverance“ über seine musikalischen Qualitäten hinaus so besonders macht, ist, wie es Schuldiners künstlerischen Weg zu einem Abschluss bringt, ohne jedoch jemals das Gefühl eines echten Endes zu vermitteln. Es ist ein Album, das sich der Endgültigkeit verweigert – was besonders tragisch wirkt, wenn man bedenkt, dass dies tatsächlich das letzte Kapitel der Bandgeschichte sein sollte. Jeder Song atmet eine unbändige Sehnsucht, eine Suche, die nie abgeschlossen scheint. Die abschließende Coverversion von ‚Painkiller‘ ist in diesem Kontext fast ironisch: Ein Song, der von Unzerstörbarkeit handelt, wird hier in ein fast verzweifelt wirkendes Gewand gekleidet. Die Coverversion wirkt wie ein Vermächtnis – eine respektvolle Verbeugung vor den eigenen Einflüssen und zugleich eine Anklage gegen die eigene Vergänglichkeit.
Charlie, du warst und bist einer der größten Gitarristen und Musiker der Heavy Metal Geschichte. Einzigartig. Unersetzbar. Fehlend! „The Sound of Perseverance“ ist ein Testament, eine letzte große Geste eines Genies, das uns viel zu früh genommen wurde. Ein Werk, das noch heute seinesgleichen sucht und für immer als eines der größten Metal-Alben in die Geschichte eingegangen ist.
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