Freitag, 21. Februar 2025

Swans - Children of God


"Children of God", der markante und epochale "Wendepunkt" der Band, die Transformation hin zu einem emotionalen Erlebnis, ist ein Beben und zugleich ein wütender, giftiger Gottesdienst, der in einer zerstörten Kathedrale abgehalten wird, in dem Heiligkeit und Verdammnis miteinander verschmelzen und eine musikalische Metamorphose offenbart, die gleichermaßen faszinierend wie verstörend ist.
Auf diesem fünften Studioalbum, ihrem großen Meisterwerk, schüttelten Michael Gira und seine Mitstreiter die rohe Brutalität ihrer frühen Noise- und Industrial-Phase ab, um einer düsteren, sakralen und emotional tiefgreifenden Klanghölle Platz zu machen - eine schier unermessliche Klangfülle und Ambivalenz zwischen brutalem Krach und zarten, fast sakralen Momenten. Das Album zwingt einen wortwörtlich in die Knie - nicht aus Resignation, sondern vor Ehrfurcht.

Die Eröffnung 'New Mind' tritt und schlägt sofort das massive Tor zur Hölle auf. Die düsteren, stampfenden Rhythmen, die stählerne Monotonie der Gitarren, das dröhnende Schlagzeug, Giras markerschütternde Stimme, die einen siamesischen Zwilling aus Prediger und Tyrann abgibt und sich zwischen Verdammung und Erlösung windet, und der unheilvolle, bedrohliche Unterton machen klar, dass hier keine Erlösung wartet. "Save your soul, damn you to hell" - die Worte brennen sich tief ein, als würde Gira die unversöhnliche Härte von Glauben und Sünde beschwören und den Teufel höchstpersönlich an die Wand nageln. Doch dann schimmert etwas Unerwartetes durch: Schönheit.

Songs wie 'In My Garden' und 'Our Love Lies' zeigen eine neue, fast zärtliche Seite der Swans - getragen von Jarboes entrücktem Gesang, der der Finsternis des Albums ein silbernes Leuchten verleiht. Jarboe ist auf "Children of God" nicht nur ein Gegengewicht zu Giras unbarmherziger Härte, sie ist die personifizierte Verführung, der Engel, der in die Dunkelheit hinabgestürzt wurde. Diese beiden Songs schaffen es, einen in falscher Sicherheit zu wiegen. Doch diese trügerische Stille entpuppt sich als perfekte Falle. Jarboe, die in der Band immer stärker an Bedeutung gewinnt, fungiert hier nicht nur als Gegenpol zu Gira, sondern als spirituelle Führerin durch die dunklen, verlassenen Korridore dieses Albums. Ihre Stimme in 'Our Love Lies' klingt so zerbrechlich, und doch liegt eine tiefgründige, fast schreckliche Intensität in ihrem Gesang.

Das zentrale Thema von "Children of God" ist der ewige Kampf zwischen Spiritualität und Verzweiflung, zwischen Erlösung und Verdammnis. Songs wie das erbarmungslose und abgrundtief boshafte, von körperlicher Gewalt geprägte 'Beautiful Child' - immer noch der extremste Song, den ich bisher gehört habe mit all seiner puren negativen Überladung und unmenschlichen Vehemenz, seinem ertaubenden, hämmernden SCHLAGzeug und den kriegerischen Synthfanfaren - und natürlich Gira in seiner bis heute manischsten, schier greifbarsten Hasspredigt, die zerfressen von obsessiver Wut und zerstörerischem Zorn aus einem Sumpf des Niedergangs emporsteigt. Auch 'Sex, God, Sex' entblößt die groteske Seite von Glauben und Heiligkeit, indem es die Widersprüche der menschlichen Existenz offenlegt. Giras Texte, voller düsterer Symbolik und bösartigem Zynismus, zeichnen ein schreckliches Bild von fanatischer Hingabe und psychischer Verwahrlosung - beide Songs loten die tiefsten Abgründe und höchsten Höhen der menschlichen Psyche aus.

Die monumentale Klangarchitektur des Albums wird durch den kreativen Einsatz verschiedener Instrumente unterstützt. Swans sprengen hier die Grenzen des Industrial und No Wave, die ihre früheren Werke wie "Filth" oder "Holy Money" prägten, und erweitern ihr Spektrum durch den Einsatz von Celli, Flöten, Oboen und Violinen. "Children of God" zeigt Swans auf dem Weg in ein neues, experimentelleres Klangterritorium, das neben der fast schon orchestralen Atmosphäre dennoch ihre fundamentale Härte und zerstörerische Brutalität beibehält.

Das Album bewegt sich in einer faszinierenden Zwischensphäre. Die Gitarren dröhnen und sägen, während sakrale Keyboard-Klänge und unerwartet fragile Melodien immer wieder durch die Finsternis brechen und Jarboes unheilvolle, dunkle Stimmführung, die wie ein bösartiges Omen über der Szenerie schwebt, kombiniert mit einem hypnotischen Gitarrenspiel, erschafft eine Stimmung der absoluten Beklommenheit - die einen immer tiefer in einen Strudel aus Angst und Faszination zieht. Der Sound ist gleichermaßen roh und majestätisch, düster und erhebend, und erschafft eine klaustrophobische Atmosphäre - eine perfekte Balance zwischen den industriellen Wurzeln der Swans und der hymnischen Eleganz, die sie später perfektionieren sollten.

"Children of God" hinterlässt keine Wunden, sondern Narben, die Geschichten erzählen. Ein Werk von visionärer Kraft, das in seiner Intensität und spirituellen Tiefe für mich einzigartig ist. Wenn die Swans hier tatsächlich eine Messe abgehalten haben, dann war sie nicht für Gott - sondern für die verloren geglaubten Götter in uns allen. Die Gewalt, die Dunkelheit und die Zerrissenheit, die ständig durch die Musik strömen, sind beängstigend spürbar. Man kann das Album nicht hören, ohne sich davon erschüttert, ja fast verschluckt zu fühlen. "Children of God" ist ein unumstößliches Monument in der Geschichte der experimentellen Musik - ein Album, das wie kein anderes die Schönheit und Grausamkeit zu einem überwältigenden Ganzen verbindet.

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