Donnerstag, 24. März 2016

Def Leppard - Pyromania

Def Leppard - Pyromania
Nach den beiden schon fantastischen Vorgängern, auf denen das Talent der Musiker förmlich um die Ohren geschlagen wurde, erschufen Def Leppard mit "Pyromania" das für mich bis heute größte Pop-Rock-Album. Die so typische Mutt Lange-Produktion formte "Pyromania" zur Stilikone des klassischen und weltweit bekannten Pop-Rock-Sounds der Achtziger. Aber was nützt eine Milliardenproduktion, wenn die Songs nicht funktionieren? Genau das unterscheidet "Pyromania" von ähnlichen Produktionen – hier wurden die perfekten Pop-Rock-Songs komponiert, die man für Geld kaufen kann.

'Too Late for Love', 'Rock! Rock! (Till You Drop)', 'Rock of Ages', 'Billy's Got a Gun', 'Foolin'' und natürlich die Meganummer 'Photograph' – eine Nummer, die selbst ein Dieter Bohlen nie zustande gebracht hätte – sind bis heute einzigartig geblieben.

Das gesamte Album ist vollgepackt mit Hooklines, Refrains und Melodien, mit denen man theoretisch den Welthunger hätte stoppen können. Leider wurde die Band danach nie wieder so gut, dafür aber umso erfolgreicher, und viele weitere Kinder wurden im Alkoholrausch gezeugt.

Dienstag, 22. März 2016

The Warriors


Regie: Walter Hill, 1979

Kennt jeder, oder sollte zumindest jeder anständige Mensch kennen! Der Klassiker von Walter Hill aus dem Jahr 1979 gehört auch heute noch zur Reihe „cooler Jugendfilm“ und hat schon seit längerer Zeit einen festen Platz in meiner Lieblings-VHS-Kiste.

Um was geht’s?
Gangs, die in New York City (noch) friedlich untereinander durch die Straßen ziehen, bis es zu einem übertrieben großen Treffen aller Gangs kommt, bei dem der selbsternannte Allvater Cyrus alle Gangs dazu aufruft, sich zu vereinigen, um die Großherrschaft in der Stadt zu übernehmen. Das alleine klingt schon wie ein schlechter C-Film aus dem Hause Troma. Doch wie in den ersten Minuten die unterschiedlichen Gangs und Mitglieder vorgestellt werden, ist aus meiner Sicht schlicht überragend und zieht einen förmlich in den Film hinein.

Während des Treffens und der wieder einmal übertrieben heroischen Ansprache durch Cyrus wird ein tödliches Attentat auf ihn verübt, das durch ein Mitglied der Warriors beobachtet wird. Das Treffen platzt hektisch und panisch auseinander, und der Anführer der Warriors wird erschossen, weil die Gang für den Mord an Cyrus beschuldigt wird. Ab dann verwandelt sich der Film zu einer grandios gefilmten Odyssee durch das nächtliche New York City – alles in einem unglaublich stimmig eingefangenen Abbild dieser Zeit.

Die restlichen Mitglieder der Warriors müssen sich bis zu ihrer „Heimat“ Coney Island durch die Straßen, U-Bahnstationen, Parks und sonstige Seiten- und Hintergassen durchschlagen. Dabei werden sie natürlich von den anderen Gangs ständig verfolgt und angegriffen, darunter sogar eine „coole“ Frauengang. Und wenn das nicht schon alles ausweglos erscheint, wird im Radio auf einem Piratensender auch noch Hetzjagd durch eine weibliche Moderatorin betrieben.

Das mag jetzt alles albern und übertrieben klingen – das ist es natürlich auch. Aber, und deswegen liebe ich den Film so: Er ist in seiner Einfachheit ein mitreißender, guter Film mit fantastischen, ausgedachten Gangs, die sich alle optisch unterscheiden. Er legt mehr Wert auf ästhetische Bildsprache und die Eindrücke von New York City aus dieser Zeit. Und das ist für mich neben den Bildern die größte Stärke – der Film wartet schlicht mit einem der grandiosesten Soundtracks der Filmgeschichte auf.

"The Warriors" ist so ein Stück Film, das es heutzutage einfach nicht mehr gibt: ein einfaches, aber wertvolles Dokument einer vergessenen Zeit. In meinen Augen ist er neben Rumble Fish, The Wanderers, Rebel Without a Cause und The Outsiders der atmosphärischste Gang-Filmklassiker schlechthin.

Montag, 21. März 2016

PJ Harvey - White Chalk

PJ Harvey - White Chalk
PJ Harvey - White Chalk (CD, Universal Island Records Ltd., 2007)
Müsste ich mich für ein Album dieser großartigen Frau entscheiden, würde meine Wahl wohl eindeutig auf "White Chalk" fallen. Selten hat mich Musik so schnell und ohne Inkubationszeit gefangen genommen.
Mein persönliches Einstiegsalbum und gleichzeitig ein extrem intimer und persönlicher, zerbrechlicher und klagender düsterer Seelenstriptease von der Todesmaid Polly Jean. Da auf "White Chalk" keine E-Gitarren enthalten sind und die Musik zum größten Teil komplett auf akustischen Musikwerkzeugen eingespielt wurde, untermalt von einem simplen Piano und Harveys extrem hoher Stimme - leidend, schreiend, klagend, wütend, traurig, schmerzlich und zurückhaltend schön - klingt das Album wie ein vertonter Trauerzug, der Soundtrack auf dem Sterbebett.
Dabei sind es solche berührende Momente wie das bittersüße 'Silence', das hoffnungslose 'Dear Darkness', der verträumte Titelsong oder das elegische 'The Mountain', welche einen extrem bedrückenden Zauber heraufbeschwören. Vielleicht sogar DAS Album, welches am deutlichsten das Jahrhunderttalent dieser Musikerin aufzeigt. Göttingegebenes 10-Punkte-Meisterwerk für die Insel und nichts weiter als eines der 10 besten Musikalben der 00er Jahre!

Mittwoch, 16. März 2016

Air - Moon Safari

Air - Moon Safari 

Das französische Kreativduo um Jean-Benoît Dunckel und Nicolas Godin hat mit dem Erstschlag Moon Safari eines der zehn denkwürdigsten Popalben bis zur heutigen Zeit erschaffen. Neben den beiden Welthits 'Sexy Boy' und dem einfach wunderbaren und unglaublich tollen 'Kelly Watch the Stars' sind es vor allem die Mini-Sinfonien wie 'La femme d'argent', das von der großartigen Beth Hirsch gesungene 'All I Need' und 'You Make It Easy' sowie 'New Star in the Sky', die dieses Werk weit über die durchschnittliche Popmusik hinausheben.

Die schwermütige Atmosphäre und der schwüle Sound tragen zur Perfektion bei, mit der die beiden Künstler ganze Klanggemälde zeichnen. Moon Safari ist ein fantasievoller musikalischer Sommernachtstraum, der bis heute nichts von seiner Faszination verloren hat.

Montag, 14. März 2016

Show Me a Hero

David Simons aktuelle Miniserie für HBO ist ein Meisterstück; ein Kaleidoskop, welches Rassismus, wirre Politik, Schicksale, soziale Randexistenzen und Scheuklappenpolitiker beleuchtet und dem Zuschauer schmerzhaft vorführt, wie abscheulich Menschen sein können, aber auch gleichzeitig aufzeigt, dass es auch Auswege gibt – Hoffnung, und dass der Mensch doch fähig sein kann, umzudenken. In sechs Folgen begleitet man den Stadtrat Nick Wasicsko, der sich zum Bürgermeister hocharbeitet und daran zerbricht.

Kern der Geschichte ist ein geplanter Bau von Sozialwohnungen in der unmittelbaren Umgebung der weißen Mittelschicht, wo ein Teil der Bevölkerung (Schwarze, Hispanics) mit geringem Einkommen aus den Brennpunkten „ausgesiedelt“ werden soll. Wasicsko steht kurz nach seinem Amtsantritt als Bürgermeister so gut wie allein da, denn seine Stadträte sträuben sich gegen den geplanten Bau, der von einem Richter erzwungen wird. Sie machen es nicht nur Wasicsko schwer, ordentlich zu regieren, sondern stacheln gleichzeitig auch den hirntoten, tobenden Mob an – extra für die Serie von HBO aus Städten wie Leipzig, Dresden oder Clausnitz eingeflogen –, um sich bei den nächsten Wahlen besser zu positionieren. Besonders der schmierige Spallone (widerwärtig großartig: Alfred Molina) befeuert mit seinem Großmaul und seiner animalischen Verhaltensweise die Zündung der Demonstranten und besorgten (wie ich dieses Wort hasse!) (weißen) Bürger.

David Simon beweist hiermit, dass er zu den grandiosesten Geschichtenerzählern der TV-Landschaft unserer Zeit gehört. Ob nun Treme, The Wire oder Generation Kill – seine Serien bestechen durch kluge Konzepte, packende und aufrüttelnde Themen, authentische und zeitlich beeindruckende Aufarbeitungen sowie ziemlich komplexe Geschichten. Mit Show Me a Hero hat er neben The Wire seinen zweiten TV-Meilenstein gesetzt und nicht nur eine hässliche Geschichte der USA aus den Achtzigern eingefangen, sondern auch für uns Europäer eine erschreckend aktuelle Schweinerei menschlichen Ekels gespiegelt.

Oscar Isaac beweist zudem in seiner Hauptrolle als Nick Wasicsko, dass er zu den derzeit besten und ganz großen Schauspielern aus den USA zählt – wie schlimm es aber auch gleichzeitig ist, dass so ein grandioser Schauspieler demnächst für so einen Quatsch wie X-Men und Star Wars sein Können verschwendet. Für mich persönlich ist er sozusagen die Wiederauferstehung des jungen Pacinos. Auch der restliche Cast ist – wie von HBO gewohnt – großartig besetzt (James Belushi!). Und als Bonbon aus Wurst wird jede Folge mit einem Springsteen-Song veredelt. Außerdem finde ich das Format der Miniserie richtig großartig – und die Hosen (die gleichzeitig als BH dienen) sowie die Schulterpolster der Frauen; eine Mode, die in den Achtzigern so ziemlich das Maximum an Weiblichkeit herausgeholt hat.

Sonntag, 13. März 2016

Dead Kennedys - Fresh Fruit For Rotting Vegetables

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Das Sammelsurium von Punk-Hits, die um die Welt gingen. Gesellschaftskritik, Satire, politische Auseinandersetzungen – all das wird auf diesem Album auf die Spitze getrieben, verpackt in Aggro-Songs, die auf das Nötigste reduziert und oberflächlich dilettantisch auf Speed heruntergerotzt wurden. Klassiker wie 'Kill the Poor', 'Chemical Warfare', 'Holiday in Cambodia', 'California über alles' oder das mörderisch treibende 'Drug Me' sind unverwüstliche Punk-Standards.

Ich verwette meinen Schnurrbart, dass eine Band wie Slayer hier ganz genau hingehört hat. Dieses Album braucht jeder anständige Mensch!

Freitag, 11. März 2016

Some Like It Hot

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Regie: Billy Wilder, 1959

Ich lege mich hiermit fest und ernenne Some Like It Hot für mich zum besten Film aller Zeiten. Lange Zeit gab es auf dieser Position nur einen: Taxi Driver. Aber wie ich es auch drehe und von allen Seiten betrachte, Some Like It Hot ist für mich in allen Belangen, nach all den Jahren, und in seiner Vollkommenheit der rundum perfekte Film.

Alleine das Drehbuch ist gottgleich. Billy Wilder hat wirklich genug 10-Punkte-Filme gedreht (Sunset Boulevard, One, Two, Three, Witness for the Prosecution), aber hier hat er sich für mich als einer der drei besten Regisseure aller Zeiten ein Denkmal gesetzt, das bis heute von keinem weiteren Film oder Regisseur wieder erreicht wurde. Dieser Film bietet einfach so viel, es ist für jeden etwas dabei: Spannung, etwas Action, grandioser Humor und Witz, und überhaupt ist der Film so unfassbar klug.

Und man kann es auch heute nicht oft genug sagen: Jack Lemmon hat mit seiner Rolle als Daphne die für mich größte und anbetungswürdigste Schauspielleistung in der Geschichte von Hollywood manifestiert. Ich liebe diesen Schauspieler so sehr – kein anderer mir bekannter Schauspieler hätte auch nur ansatzweise diese Rolle spielen können. Wie ungeheuer viel Menschlichkeit in dieser Rolle steckt! Lemmon konnte einfach so unglaublich viel und alles. Mit seiner Schrulligkeit, gerade als Daphne, hat er mich so berührt. Man ist so extrem nah an seiner Figur dran und kommt aus dem Staunen überhaupt nicht mehr heraus, wenn er seine Gesichtsmuskeln benutzt. Alleine diese ganzen unterschiedlichen und aberwitzigen Gesichtsausdrücke, die er in dem Film abliefert, sind es wert, dass man sich vor Lachen einnässt. Ja, für mich ist er vielleicht der größte und perfekteste Schauspieler, den man jemals bewundern konnte.

Tony Curtis als sein kongenialer Partner(in) steht da natürlich etwas im Hintergrund. Aber diese Kombination aus beiden ist meisterhaft, beispiellos und ein Geniestreich der Filmgeschichte. Auch hier könnte ich mir keinen anderen Schauspieler für die Rolle der Josephine vorstellen. Zudem hat Curtis als Shell Junior noch eine dritte Rolle zu spielen, die er ebenfalls meisterhaft verkörpert. Beide Schauspieler sehen in ihren Damenmasken auch heute noch überzeugend und wahnsinnig realistisch sowie abartig genial-komisch aus. Das liegt natürlich auch an der zum Weinen wunderbaren Mimik und Gestik von Lemmon und Curtis – genau dadurch wirkt es erst so richtig glaubwürdig.

Der ganze Rest des von A bis Z großartigen Ensembles ist nichts weiter als purer Glanz und Können. "Spats" Colombo, Detective Mulligan, Mr. Beinstock(!), Sweet Sue, Osgood, "Toothpick" Charlie und natürlich Sugar sind einfach durchdachte und interessante Charaktere. Alles komplett genial dargestellt. Dazu kommt fulminante Musik und eine perfekte Kamera. Als Komödie für mich unerreicht, als Film furchteinflößend perfekt.

Donnerstag, 10. März 2016

Neil Young - Tonight's The Night

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Wenn es um Neil Young geht, schreien fast alle immer 'Heart of Gold' und "Harvest", doch dieser Ausnahmekünstler hat weitaus mehr zu bieten als nur diesen einen ungewollten Hit und das vergleichsweise eingängige Album.

Neil Young ist erst einmal musikalisch gegen den Strich gebürstet, ob gesanglich oder musikalisch. Bei ihm steht das Songwriting an vorderster Front, erst danach kommt das musikalische (Wohlfühl-)Beiwerk. "Tonight's The Night" entstand direkt nach "Harvest" und war damals eine Schelte an die Musikindustrie. Man erwartete einen ähnlichen (erfolgreichen) Nachfolger, doch Young distanzierte sich von seinem großen Hit und auch von "Harvest". In mehreren "unprofessionellen" Aufnahmesessions kreierte er diesen Nachfolger – so gut wie live eingespielt und in einem authentisch rohen Sound eingepackt.

"Tonight's The Night" ist ein karges Album, düster und überaus depressiv. Es gilt allgemein als Pate für den Seattle-Sound der späten Achtziger/frühen Neunziger. Diese ungeschliffene Ästhetik übt auf dem Album eine große Faszination aus – die weiten Leerräume und die trostlose Stimmung.

Neil Young ist kein Poet, er besitzt auch nicht das Talent eines Bob Dylan – aber er ist der uramerikanischste Singer-Songwriter, den ich mir vorstellen kann. Seine Musik kann sehr tief unter die Haut gehen, zu Tränen rühren, Freude schenken und je nach Stimmung als Lebenssoundtrack dienen. In seiner umfangreichen, hochinteressanten und spannenden Diskografie gibt es unfassbare Wundertüten zu entdecken. Das zentrale Werk von Young ist berührend, authentisch, lebensnah, unaufgeregt und erzeugt betörende Stimmungen im einzigartigen Kleid seiner Musik.

"Tonight's The Night" ist mitnichten das beste Werk von Young, doch es zeigt ihn so ehrlich wie auf keinem anderen Album. Es sticht mit seinem künstlerischen Nährwert und durch seine intime Schroffheit aus der durchweg makellosen Schaffensphase dieses Künstlers heraus. Neben "Harvest Moon", "Zuma" und "After the Gold Rush" ist es eines meiner liebsten Young-Werke.

David Bowie - Low

David Bowie - Low 

Wenn man sich einmal überlegt, wie viel Einfluss dieser Künstler mit seinen unterschiedlichen Alben auf die Popmusik ausübte, ist es sehr schwer, ein einziges Album herauszufiltern. "The Man Who Sold the World", das Triumvirat "Lodger", "Low" und "Heroes", "The Rise and Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars", "Hunky Dory" oder das aus einer anderen Zeitzone stammende "Station to Station" sind nur einige Werke, die um die Welt gingen.

Vom künstlerischen Wert und den unzähligen Wow-Effekten ist es wohl "Low", das mich am stärksten beeindruckt. Nicht nur, weil mit 'Be My Wife' ein absoluter Kracher auf dem Album vertreten ist, sondern auch, weil die Zusammenarbeit mit dem Genie Brian Eno hier kongenial funktioniert. Ein beeindruckender Künstler, Musiker, mächtiger Beeinflusser und der Königsvisionär der 70er Jahre.

Mittwoch, 9. März 2016

Viskningar och rop


Regie: Ingmar Bergman, 1972 

Ingmar Bergman hat sich in den letzten Jahren zu meinem absoluten Lieblingsregisseur entwickelt. Solche einzigartigen und bildgewaltigen Kompositionen wie "Det sjunde inseglet", "Jungfrukällan" oder "Smultronstället" konnte nur ein Bergman erschaffen. Kubrick, Tarkovskij, Wilder, Kurosawa und Fellini – alles übergroßartige Regiefürsten, aber letztendlich einem Bergman immer noch unterlegen.

"Viskningar och rop" gehört zu den schmerzhafteren, anstrengenderen und extrem anspruchsvollen, sowie unangenehmen Filmen von Bergman. Er war bekannt für seine extrem starken, authentischen und mutigen Frauenrollen, verbunden mit seinem manischen Drang, die Psyche der Frau offenzulegen und möglichst tief in sie einzudringen (also in die Psyche).

Als mächtig großes Meisterwerk zu diesem "Thema" zählt auch sein Film "Persona", den man kennen sollte.

"Viskningar och rop" spielt zum Ende des 19. Jahrhunderts in einem edlen Wohnsitz und handelt von den drei Schwestern Agnes, Maria und Karin, wobei Agnes an Krebs im Sterben liegt und aufgrund ihrer qualvollen Schmerzen das halbe Haus zusammenschreit. Die einzige Person, die sich um Agnes kümmert und ihr menschliche Nähe, Wärme und Liebe schenkt, ist das Dienstmädchen Anna.

Von allen drei Schwestern gibt es jeweils eine Rückblende: Agnes erinnert sich an ihre Mutter, Maria an ihren Ehebetrug und den darauf folgenden Selbstmordversuch ihres Mannes, und in Karins Erinnerung verstümmelt sie ihren Intimbereich mit einer Glasscherbe, weil sie ihren Mann hasst.

Alles spielt sich in ein paar Zimmern ab, deren satten roten Wände, Teppiche und Vorhänge für eine intensive Farbgebung sorgen. Durch die extrem bewundernswert eingefangenen Lichteffekte wirken die Bilder wie ein glühender Fiebertraum. Musik gibt es kaum, stattdessen hört man das ständige Ticken der Uhr, die beängstigenden Schmerzensschreie von Agnes und unverständliches Flüstern in den Szenenübergängen zwischen den Rückblenden und dem aktuellen Geschehen. Bergmans treuer Kameramann Sven Nykvist hat nicht umsonst dafür einen Oscar erhalten. Die Kamera bleibt extrem dicht an den Gesichtern der Darstellerinnen, lässt kein Ausweichen zu und fängt jede Gefühlsregung ein.

Alle vier Frauen spielen ihre Rollen grandios, darunter auch die großartige Liv Ullmann, die man als Bergman-Fan kennt und liebt. Auch die Ausstattung der wenigen Kulissen ist phänomenal, ebenso die Kostüme.

Dieses sehr unangenehme und reduzierte Kammerspiel gehört vielleicht nicht unbedingt zu den größten Filmen Bergmans, aber es ist einer seiner eindringlichsten und quälendsten Filme, den man als Filmfan gesehen haben sollte.

Dienstag, 8. März 2016

Omen - The Curse

Omen - The Curse 

Im Zeitraum von 1984 bis 1987 haben die US-Metal-Könige Omen drei herbe Klassiker abgeliefert, wobei das letzte Album mit dem Sangesfürst J.D. Kimball, "The Curse", in meiner Gehörkanalisation nicht nur das beste Album der Band darstellt, sondern im Großen und Ganzen neben "Melissa" das einzig wahre 80er Heavy Metal Album ist.

Es gibt haufenweise Merkmale, die den Sound von Omen so besonders machen, zwei davon sind jedoch unüberhörbar: Zum einen gehört J.D. Kimball zu den drei größten klassischen Heavy-Metal-Sängern, und zum anderen gibt es mit Kenny Powell einen Gitarristen, der im Alleingang alle überschätzten und kritiklosen Murray/Smith-Maiden-"Sternstunden" bereits mit dem bloßen Störungs-Kratzen verpuffen lässt, wenn er seinen rostigen Cinch-Stecker in den eingeschalteten Amplifier fingert. Was Powell hier auf der Gitarre abliefert, hat so vielleicht nur noch ein gewisser Herr Tsamis in selbiger Bedeutung geleistet.

Ja, meine zauberhaften und hübschen Damen, "Battle Cry", "Warning of Danger", "The Curse" und die abschließende "Nightmares" EP sind ausnahmslos DIE Sternstunden der klassischen 80er Heavy Metal Jahre.

Sonntag, 6. März 2016

Fates Warning - A Pleasant Shade Of Gray

Fates Warning - A Pleasant Shade Of Gray 

Fates Warning gehören zu den seltenen Bands, die es verstehen, Anspruch, Atmosphäre, Können und Komplexität in einer Weise zu vereinen, die nicht nur beeindruckend, sondern regelrecht überwältigend ist. Unter der Führung des begnadeten Gitarristen und Songschreibers Jim Matheos hat diese stilprägende und einflussreiche Band der Metallandschaft zahlreiche Klassiker geschenkt, die als Orientierungspunkte für Generationen von Musikern dienen. Dabei steht das Album „A Pleasant Shade of Gray“ für mich auf einem besonderen Podest – ein Monument, das alles, was Fates Warning je ausgemacht hat, in Perfektion vereint.

Fates Warning hatten sich seit ihrer Gründung 1982 stetig weiterentwickelt. Von den frühen, noch stark vom traditionellen Heavy Metal beeinflussten Werken über die bahnbrechende Komplexität von „Perfect Symmetry“ bis hin zu „A Pleasant Shade of Gray“ zeichnet sich eine klare Evolution ab – eine Reise von technischer Virtuosität zu emotionaler Tiefe.

Die Frage, ob die Ära mit John Arch oder die mit Ray Alder besser ist, lässt sich für mich ganz klar beantworten. Es ist die Alder-Phase, die mich musikalisch tief berührt und beeindruckt hat. Und es ist „A Pleasant Shade of Gray“, das die Essenz dieser Phase in sich trägt und für die Ewigkeit festhält. Hier finden sich nicht nur die technischen Fertigkeiten und das enorme musikalische Können der Band, die man bereits auf „Awaken the Guardian“, „No Exit“, „Parallels“ und „Perfect Symmetry“ bewundern konnte. Nein, hier wird all dies zu einem großen Ganzen verwoben, zu einem Werk, das als Lehrbuch dafür dienen könnte, wie man Metal anspruchsvoll und zugänglich, komplex und songorientiert, atmosphärisch dicht und doch nie überladen gestalten kann.

Jeder einzelne Musiker auf diesem Werk liefert eine Leistung ab, die ihresgleichen sucht. Ray Alder, dessen Gesang ohnehin immer herausragend ist, erreicht hier eine Tiefe und Ausdruckskraft, die unter die Haut geht. Mal flüsternd, mal drängend, mal flehend, aber immer mit einer kontrollierten Intensität, die sich durch das gesamte Werk zieht. Alder singt nicht nur die Texte – er lebt sie, er atmet sie, als würde jede Zeile, die er von sich gibt, tief aus der Dunkelheit seiner eigenen Seele hervortreten. Seine Performance auf „A Pleasant Shade of Gray“ ist eindringlich und bewegend, und sie verleiht der Musik eine menschliche Wärme, die sich unter der eisigen Oberfläche verbirgt.

Joey Vera legt mit seinem Bassspiel ein Fundament, das nicht nur trägt, sondern die Songs förmlich atmen lässt. Kevin Moores Keyboard-Sequenzen verleihen dem Album eine düstere und doch faszinierende Grundstimmung, die den Hörer in ihren Bann zieht. Und natürlich Jim Matheos, der als Gitarrist und Hauptkomponist dieses monumentale Werk erdacht hat, und einmal mehr zeigt, warum er zu den größten Gitarristen im Metal zählt. Seine Riffs und Melodien sind nicht nur technisch brillant, sondern auch emotional aufgeladen – sie sprechen direkt zur Seele. Statt donnernder Riffs setzt Matheos auf atmosphärische, fast post-rockige Texturen, die sich langsam entfalten, mit endlosen Wiederholungen, die die hypnotische Wirkung des Albums verstärken. Es ist eine Übung in Zurückhaltung und Geduld – jede Note, jeder Akkordwechsel ist sorgfältig gewählt und fügt sich perfekt in das komplexe Geflecht ein, das die Musik so tiefgründig und vielschichtig macht.

Über all dem schwebt das Schlagzeugspiel von Mark Zonder, dessen Performance auf „A Pleasant Shade of Gray“ für mich zu den spannendsten und ehrfurchtgebietendsten der letzten Jahrzehnte zählt. Es ist fast schon lächerlich, wie oft Mark Zonder übersehen wird, wenn es um die großen Drummer im Metal geht. Gerade auf diesem Album zeigt er, warum er zu dem (!) ganz Großen gehört. Seine rhythmische Präzision, die feinen Nuancen und die fast schon hypnotische Präsenz, mit der er den Songs ihren pulsierenden Herzschlag verleiht, machen ihn für mich zu einem der faszinierendsten Schlagzeuger der Rockmusik. Ohne sich je in den Vordergrund zu spielen, schafft er es, eine Dramatik und Intensität zu erzeugen, die einen fesselt und die Songs in eine zusätzliche, höhere Sphäre hebt. Jeder Schlag, jede zischende Hi-Hat, jedes sanfte Pochen der Bassdrum ist durchdacht, präzise und subtil, fast so, als würde er die Musik umschlingen, statt sie voranzutreiben. Und doch – wenn man genau hinhört – entdeckt man, dass Zonder im Hintergrund eine Meisterklasse liefert, die ihresgleichen tatsächlich findet und mühelos übertrifft (stimmt die Satzkreation überhaupt? *g*). Seine Schlagzeugarbeit auf „A Pleasant Shade of Gray“ ist eine Lehrstunde, wie man technische Finesse mit Zurückhaltung und Perfektion kombiniert.

„A Pleasant Shade of Gray“ ist kein gewöhnliches Album, sondern ein einziges, in zwölf Teile gegliedertes Opus. Diese unkonventionelle Struktur erlaubt es der Band, eine zusammenhängende erzählerische und musikalische Reise zu kreieren, die einen von der ersten bis zur letzten Note in ihren Bann zieht.

Der Eröffnungsteil ‚Part I‘ etabliert die melancholische, fast bedrückende Atmosphäre, die das gesamte Werk durchzieht. Jim Matheos' akustische Gitarrenarbeit verwebt sich mit Mark Zonders subtilen Percussion-Texturen zu einem klanglich dichten Gewebe, über dem Ray Alders ausdrucksstarke Stimme schwebt.

Besonders bemerkenswert ist die Art und Weise, wie Fates Warning zwischen Momenten intensiver Härte und fragiler Zerbrechlichkeit schwingen. In ‚Part V‘ etwa bricht die Band in eine fast jazzige Passage aus, nur um kurz darauf in einen wuchtigen, von Joey Veras druckvollem Bassspiel getragenen Groove überzugehen. Diese dynamischen Wechsel spiegeln die emotionale Reise wider, die das Album beschreibt – ein Auf und Ab von Hoffnung und Verzweiflung, Akzeptanz und Auflehnung.

Es gibt Momente auf diesem Album, die schlichtweg atemberaubend sind. Wie im grandiosen ‚Part VI‘, wo sich die Spannung über die Länge des Stücks langsam aufbaut, bis sie sich in einem majestätischen Höhepunkt entlädt. Der Song verkörpert für mich perfekt, was dieses Album ausmacht. Eine geduldige, fast hypnotische Herangehensweise an Songwriting, die das Ohr des Hörers fesselt und einen tief in die Musik hineinzieht. Fates Warning geben ihren Ideen Zeit zum Atmen, zum Wachsen, bis sie zu etwas Größerem und Bedeutenderem heranwachsen.

Der lyrische Inhalt von „A Pleasant Shade of Gray“ ist ebenso vielschichtig wie die Musik selbst. Alders Texte kreisen um Themen wie Entfremdung, Selbstzweifel und die Suche nach Sinn in einer scheinbar sinnlosen Welt.

Im Vergleich zu ihren früheren Werken zeigt sich auf „A Pleasant Shade of Gray“ eine Band, die technische Brillanz zugunsten emotionaler Resonanz zurückstellt. Die komplexen Arrangements dienen hier nicht dem Selbstzweck, sondern unterstützen die Struktur des Albums. Doch all diese Elemente – das brillante Songwriting, die technischen Meisterleistungen der Musiker, die kalte und düstere Atmosphäre – wären ohne die fantastische Produktion von Terry Brown nicht das, was sie sind. Brown hat eine Klangwelt geschaffen, die trotz ihrer Komplexität immer klar und fokussiert bleibt. Jede Instrumentalspur ist perfekt ausbalanciert, jedes Detail ist hörbar und trägt zur Tiefe des Gesamtwerks bei. Es ist eine Produktion, die unglaublich detailreich, scharf umrissen, und doch voller melancholischer Schwere ist.

„A Pleasant Shade of Gray“ markiert den Moment, in dem das Genre begann, sich von seinen Wurzeln im traditionellen Metal zu lösen und Einflüsse aus Alternative Rock, Jazz und Ambient zu integrieren. Die konzeptuelle Natur des Albums weist voraus auf Werke wie "Still Life" von Opeth oder „Metropolis Pt. 2: Scenes from a Memory“ von Dream Theater. Innovativ ist das Album vor allem in seiner Struktur und seinem Ansatz zum Songwriting. Gleichzeitig weist es voraus auf die zunehmende Bedeutung von Atmosphäre und Stimmung im Metal der 2000er Jahre. Das Album gehört für mich persönlich nicht ohne Grund zu den zehn besten Alben der Neunziger und hat seit seiner ersten Veröffentlichung 1997 (ein Jahr, das für mich sowieso sehr prägend war) nichts – aber auch wirklich gar nichts – von seiner Aura und Anziehungskraft verloren.

Es ist für mich unmöglich, all die Facetten und die Größe dieses unvergleichlichen Albums in Worte zu fassen, ohne mich ständig in Superlativen zu verlieren. „A Pleasant Shade of Gray“ ist ihr technisch brillantestes Werk, aber auch ihr emotional kraftvollstes. Ein Album, das nicht nur durch seine Virtuosität beeindruckt, sondern vor allem durch die Fähigkeit, Emotionen in komplexe, doch zugängliche Klangstrukturen zu kleiden. Es ist ein Album, das es versteht, Anspruch, Atmosphäre und Musikalität zu vereinen – ohne dabei überladen oder aufgesetzt zu wirken.