Sonntag, 28. Januar 2018

The Doors - Waiting For The Sun

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Sechs Alben mit Jim Morrison, sechs Alben, die fest im Rockolymp verankert sind. Doch während die Diskografie der Doors mit unsterblichen Meisterwerken wie „Strange Days“, „Morrison Hotel“ und dem epochalen Debüt glänzt, ist es besonders „Waiting For The Sun“, das mich am tiefsten beeindruckt hat. Dieses dritte Studioalbum markiert eine Phase, in der die Band ihren Sound verfeinerte und gleichzeitig die dunkle, poetische Seite von Morrison noch intensiver hervorhob.

Songperlen wie ‘Summer’s Almost Gone’, ‘Hello, I Love You’, ‘Spanish Caravan’ und mein persönlicher Doors-Liebling ‘Not to Touch the Earth’ sind zeitlose Zeugnisse ihrer Schaffenskraft. ‘Not to Touch the Earth’, ursprünglich ein Fragment des epischen, nie vollendeten Songs ‘Celebration of the Lizard’, verkörpert all das, was die Doors so einzigartig macht: die mystische und bedrohliche Aura, die durch Morrisons dunkle Lyrik und die fast schamanenartige Intonation verstärkt wird, und das unheilvolle Brodeln der Instrumentierung, die sich in diesem Track zu einem intensiven Höhepunkt aufbaut. Es ist kein Wunder, dass dieser Song für mich die Essenz der Doors verkörpert - eine Band, die sich gleichermaßen in den Abgründen des Bewusstseins und den Höhen des musikalischen Ausdrucks bewegte.

Das Gitarrenspiel von Robby Krieger ist unbestritten eine der ungewöhnlichsten Erscheinungen in der Rockgeschichte. Seine Fähigkeit, Blues-, Flamenco- und Rockelemente zu einer einzigartigen Klangsprache zu verschmelzen, verleiht den Songs der Doors eine unverwechselbare Tiefe. Zusammen mit Ray Manzareks unverkennbaren Orgelklängen, die den typischen Grundsound der Doors bestimmen, entsteht eine musikalische Alchemie, die bis heute unerreicht ist. Manzareks Keyboardspiel, das ebenso melodisch wie rhythmisch fungiert, bildet das Rückgrat der Band und fügt den Songs eine zusätzliche Ebene an Textur und Atmosphäre hinzu.

„Waiting For The Sun“ ist ein Album, das sowohl in seiner lyrischen als auch musikalischen Dimension herausragt. Morrison, der als Frontmann nicht nur für seine magnetische Bühnenpräsenz, sondern auch für seine poetische Tiefe bekannt war, zeigt hier seine Fähigkeit, intime Themen mit der Macht einer Mythologie zu verbinden. Es ist diese Verschmelzung von Persönlichem und Universellem, die das Album so besonders macht. Jedes Lied ist durchdrungen von einer melancholischen Sehnsucht und einer fast schon greifbaren Dringlichkeit, die den Hörer in eine andere Zeit und einen anderen Raum versetzt.

Neben den Beatles waren The Doors zweifellos die wichtigste und einflussreichste Musiktruppe der 60er Jahre. Doch während der Mythos um Jim Morrison oft die mediale Aufmerksamkeit fesselte, sollte man nicht den Hokuspokus um seine Person zum alleinigen Mittelpunkt der Band verklären. Die Doors waren eine perfekte Einheit, in der jedes Mitglied einen essenziellen Beitrag zum Gesamtbild leistete. Sie waren nicht nur eine Plattform für Morrisons Poesie, sondern ein vollendetes musikalisches Kollektiv, das neue Wege für die Rockmusik beschritt.

„Waiting For The Sun“ mag in der Wahrnehmung der Allgemeinheit oft im Schatten seiner Vorgänger und Nachfolger stehen, doch für mich ist es ein Meisterwerk, das die unerschöpfliche Kreativität und die visionäre Kraft dieser außergewöhnlichen Band in jedem Ton einfängt. Es ist ein Album, das nicht nur die Zeit überdauert, sondern auch immer wieder neue Facetten und Geheimnisse preisgibt - ein unverzichtbarer Teil des Erbes, das The Doors der Musikwelt hinterlassen haben.

Freitag, 26. Januar 2018

Deathspell Omega - Fas - Ite, Maledicti, in Ignem Aeternum

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Kennt ihr das? Man ist in ein Album so verliebt und möchte der ganzen Welt beschreiben, wie grandios und mächtig die Musik ist, findet aber nicht mal ansatzweise die passenden Wörter, um dem Werk wenigstens annähernd gerecht zu werden. Man macht sich eigentlich nur selbst etwas vor und weiß genau, dass das eigentlich Stuss ist, was man da gerade geredet oder geschrieben hat.

Fällt mir eigentlich nie besonders schwer, aber bei Fas - Ite, Maledicti, in Ignem Aeternum ist das genau der Fall. Drei Reviews hatte ich bereits verfasst, alle drei sind wieder im virtuellen Papierkorb gelandet. Ich habe mich selbst geschämt und mir Leibesstrafen zugefügt, weil ich nicht die richtigen Wörter und Sätze gefunden habe, und habe es dann aufgegeben und eingesehen, dass es bei diesem Monster einfach keinen Sinn hat.

Musikalische Abgründe, Seelenpein, geordnetes Chaos und lustvolle Schmerzen – ein Fest für die schlechten Momente im Leben. Droge, Ritual, Moloch Angst und Fiebertraum – Gewürz des Lebens. Es ist verrückt, sinnlos Wörter aneinanderzureihen, zu versuchen, zu beschreiben, zu verstehen und zu verarbeiten. Das Album kann nicht erklärt werden, es ist nichts weiter als ein unendliches schwarzes Loch, ein Strudel in die Finsternis. Wie oft ich dieses Album drei, viermal hintereinander gehört habe, immer wieder gelähmt war und einfach nicht begriffen habe, was eigentlich gerade passiert ist.

Ich wollte das Album aber hier noch mal anpreisen, wachrütteln und zur Messe rufen. Es gibt nichts Besseres oder Vergleichbares, als sich dieses Werk alleine mit Kopfhörern in einem kalten, dunklen Keller anzuhören.

Mehr habe ich nicht zu sagen, und langsam geht mir hier im Keller der Akku aus. Wer das Wort Black Metal vermisst, hat leider nichts verstanden.

Sonntag, 21. Januar 2018

Acid Bath - When The Kite String Pops

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Dieser Underground-Klassiker von 1994 besitzt, genau wie der prächtige Nachfolger Paegan Terrorism Tactics, einen ureigenen NOLA-Sound und eine einzigartige Stimmung. Grob als Sludge zusammengefasst, bietet der einzigartige Sound von Acid Bath Ausflüge in Grindcore, Death Metal, Doom oder auch Stoner Rock – teilweise sogar in massiv unterschiedlichen Songs. Es ist das gewaltige Gebräu aus hasszerfressenden Texten, Terroratmosphäre, zerbrechlichen Songs und Gewaltschüben, das die beiden Alben auf einer anderen Ebene schweben lässt.

Die zitternde und bestialische Gesangsdarbietung von Dax Riggs in Kombination mit den Fallout-Gitarrenriffs und dem unkontrollierten Schlagzeugchaos ergeben eine hoch ätzende Mischung, die den typischen Acid Bath-Sound erzeugt. Trotz der selbstzerstörerischen, negativen Grundstimmung und dem ständigen Gefühl von Unbehagen erzeugt When The Kite String Pops einen unwiderstehlichen Sog.

Es gibt auch zwei Songs, an die man sich klammern kann, um nachhaltig in die finstere Suppe furchtlos komplett einzutauchen: Finger Paintings of the Insane und Scream of the Butterfly sind die beiden "Hits" auf dem Album, um die ein wahrhaft finsterer Trip in die Abgründe der menschlichen Psyche ausgeschieden wurde.

When The Kite String Pops ist nicht nur ein Stimmungskiller, sondern eine verzweifelte Gallewolke für alle Wutgrummler.

Dienstag, 16. Januar 2018

Léon

Leon
Regie: Luc Besson, 1994

Léon gehört wohl zu den von mir am häufigsten gesehenen Filmen meiner Jugend, und gestern Abend hat mir die schwarze Steelbox aus dem verbogenen Regal zugezwinkert. Kurzerhand habe ich den Film mit Liebe in die Betamax-Maschine geschoben. Nun, der Film ist mittlerweile über zwanzig Jahre alt, Natalie Portman ist nicht nur zu einer wunderhübschen Frau herangewachsen, sondern gehört zu den besten weiblichen Schauspielerinnen der aktuellen Dekade, und über Oldman und Reno muss man wohl keine Worte mehr verlieren.

Über zwanzig Jahre – und der Film schwebt immer noch wie eine gewaltige Gewitterwolke über den ganzen Mickey-Maus-Bullshit, der danach aus diesem Genre kam. Luc Besson hatte vorher schon mit Subway, Le Grand Bleu und dem eiskalten und düsteren Nikita rohe Diamanten abgeliefert, aber was er 1994 mit Léon geschaffen hat, ist nichts weiter als ein herausragender und im Gedächtnis bleibender Klassiker der Neunziger.

Der schüchterne Reno verkörpert für mich den vielleicht großartigsten Killer der Kinogeschichte; sein Gegenüber (Oldman) ist sogar noch einen Tick großartiger, wenn er Pillen schluckt, Beethoven hört und beim Fluchen sein Kopf zu explodieren droht. Wie Oldman da in seiner Rolle aufgeht! Das allein ist schon übernatürlich gut inszeniert und gespielt, aber Besson erzählt zudem eine rührende und knallharte Geschichte – spannend, interessant und liebevoll ausgearbeitet.

Und dann wäre da noch die bezaubernde Natalie Portman – eine komplette Traumbesetzung, und die Leistung dieser drei Schauspieler ist einfach fantastisch. Es fällt mir wirklich kein einziger ähnlicher Film ein, der auch nur annähernd danach wieder so intensiv und spannend inszeniert wurde, in dem Story, Schauspiel und Bilder zu 100 % zusammenpassen. Leider muss man auch erkennen, dass wohl solche (gewagten und schonungslosen) Filme – man denke nur mal an die Hinrichtung der Familie inklusive Kind und die Beziehungsgeschichte um Reno und Portman – nie wieder gedreht werden.

Dass man sich Zeit nimmt, tolle Figuren präsentiert, spannend und intensiv erzählt, mutig ist, Bilder zeigt, die für die Ewigkeit bestimmt sind, wo Action noch wirklich Action ist, und man nicht ständig die gleichen austauschbaren und auf den Massengeschmack getrimmten Gesichter sieht, sondern kantige, raue, nicht unbedingt „hübsche“ (bis auf Portman) Charaktere, die aber im Kopf bleiben. Ein perfektes Märchen, von Besson unglaublich sicher und überragend inszeniert, und drei Schauspieler, die dafür sorgen, dass man diesen Film einfach nicht vergisst.

Ich vermisse solche Filme heutzutage wirklich sehr.

Sonntag, 14. Januar 2018

Slayer - Seasons In The Abyss

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Ich war nie der große Slayer-Fan, Thrash Metal ist auch nicht wirklich meins, deswegen vergöttere ich auch kein Reign in Blood, welches wohl allgemein als eines der 10 größten Heavy Metal-Alben angesehen wird, mir aber nicht viel hergibt. Allerdings hat sich die Band nach den ersten drei Holterdipolter-Alben in eine ernstzunehmende Bestie verwandelt, die ihre Fratze zwar schon auf Reign in Blood aufblitzen ließ, aber erst mit South of Heaven aus dem Limbus emporstieg. Zusammen mit Seasons in the Abyss sind es auch genau diese beiden Werke, die richtig gut sind – und zwar durchgehend. Endlich kamen Strukturen zu den Songs hinzu, das Tempo wurde massiv gedrosselt – dadurch wurde die Musik bei weitem brutaler und drückender, und die Songs waren beeindruckende Riffgebilde, die durch die Hanneman- und King-Riffs Eruptionen in der Musiklandschaft erzeugten und riesige Pockennarben hinterließen. Um die Mutti im besoffenen Zustand zu karnickeln, ist dieses Album wie geschaffen.

Emperor / Enslaved - Emperor / Hordanes Land

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Die damals noch sehr jungen Bands EMPEROR und ENSLAVED waren Anfang der Neunziger die wohl interessantesten und aufstrebendsten Bands der zweiten Black Metal-Welle. Beide Bands grenzten sich bereits mit ihren ersten Demo-Veröffentlichungen von der norwegischen Black Metal-Szene ab. EMPEROR benutzten Keyboards, um ihren majestätischen Sound noch ausdrucksstärker zu gestalten – damals eine absolute Seltenheit. ENSLAVED hingegen komponierten epische, aber zugleich rasend-wilde Songs, die die 10-Minuten-Grenze locker überschritten.

Mit ihren jeweiligen EPs Emperor und Hordanes Land aus dem Jahr 1993 erschufen die baldigen Szenen-Größen zwei der Sternstunden der zweiten Black Metal-Welle. Ein paar Monate später veröffentlichte Candlelight Records die beiden Werke zusammen als eine tonnenschwere Kult-Split-EP, die bis heute innerhalb der Szene als eine der bedeutendsten und richtungsweisendsten Veröffentlichungen der Black Metal-Szene gilt.

Eröffnet wird diese Split-EP von EMPERORs erster EP Emperor, welche vier Songs enthält und schon vorwegnimmt, was das ein Jahr später veröffentlichte Album In The Nightside Eclipse in der Black Metal-Szene auslösen sollte. I Am The Black Wizards, bis heute einer der zehn wichtigsten Black Metal-Songs aller Zeiten, präsentiert eine unglaublich talentierte junge Band, die musikalisch Bands wie MAYHEM, BURZUM, DARKTHRONE oder IMMORTAL meilenweit hinter sich ließ. Eine solche kompositorische Raffinesse war damals ein Novum in der Szene. Wilde, majestätische Raserei trifft auf epische Keyboardflächen und abwechslungsreiches Songwriting.

Die Stimme von Ihsahn gehörte ab sofort zu den markantesten der gesamten norwegischen Szene, die betörenden, niemals aufdringlichen Keyboards waren nur das i-Tüpfelchen. Mystisch und geheimnisvoll tönen die vier Songs, spannend, wild und gnadenlos entschlossen, den schwarzen Thron an sich zu reißen. Jeder der vier Songs besitzt eine unglaublich magische Aura – vielleicht liegt es am ungeschliffenen Sound, dem jugendlichen Fanatismus oder einfach nur an der Gabe, dass EMPEROR in der Lage waren, grandiose Songs zu schreiben, an denen jede Black Metal-Band zu dieser Zeit gemessen werden musste. Allein aus Cosmic Keys to My Creations and Times hätte damals jede norwegische Black Metal-Band ein ganzes Album füllen können. EMPEROR hingegen komponierten eine Vielzahl solcher grandiosen und bis heute einmaligen schwarzen Hymnen.

Dass EMPEROR 1994 mit ihrem lang erwarteten Debüt In The Nightside Eclipse endgültig Black Metal-Geschichte schrieben und eines der zehn wichtigsten Werke dieser Szene ablieferten, ist heute schon eine alte Geschichte. Auch heute noch gehört Emperor zu den inspirierendsten und wichtigsten Veröffentlichungen für junge Black Metal-Bands. EMPEROR gelten unter Szenekennern als die vielleicht beste, mit Sicherheit aber als die kreativste Band der zweiten Black Metal-Welle.

Noch beeindruckender ist ENSLAVEDs Beitrag Hordanes Land, das drei überlange Songs enthält. Auf Hordanes Land hinterließen ENSLAVED ein nie wieder erreichtes Klangbild – eine Kraft, die man auf keinem der beeindruckenden Alben der Band wiederfand. ENSLAVED erschufen barbarische Stürme und begründeten den sogenannten Viking Metal, der heute dank ausgestoßener finnischer Zirkusmutanten zu einem der größten Geschwüre der Heavy Metal-Szene herangewachsen ist. Viking Metal hatte bei ENSLAVED jedoch nichts mit Akkordeon, Volksmusikanten-Keyboards und stumpfen Hüpfrhythmen zu tun. Genauso wenig wurden Texte, Symbolik, Cover oder ein unerträglich übertriebenes und lächerliches Odin-Image über die Musik gestellt.

Die Musik der frühen ENSLAVED ist ungestüm, roh, kalt, barbarisch, rasend, wild und – das Wichtigste – sie ist absolut ehrlich! Zugleich wird eine unglaublich intensive Atmosphäre in den drei Songs erschaffen. Besonders herausragend ist dabei Slaget I Skogen Bortenfor (Epilog / Slaget), für mich der intensivste und grandioseste Song, den ENSLAVED in ihrer langen Karriere komponiert haben. Mit welcher Entschlossenheit hier ein Sturm aus unglaublich sägenden und fauchenden Riffs kreiert wurde, in Kombination mit Tryms unfassbarem Hochgeschwindigkeits-Drumming und den dezenten Keyboardflächen, wurde bis heute von keiner Band wieder erreicht.

Auch hier kann man ohne zu zögern behaupten, dass dieser Song zu den wichtigsten Eckpfeilern der zweiten Black Metal-Welle zählt. Wenn man ehrlich ist, erschaffen ENSLAVED eine noch viel intensivere und majestätischere Atmosphäre als EMPEROR. Besonders Grutles mit viel Hall unterlegtes, aggressives und markerschütterndes Gekreische gehört zu den besten Leistungen der Black Metal-Szene. Allfáðr Oðinn reiht sich gleich hinter Slaget I Skogen Bortenfor (Epilog / Slaget) zu einem weiteren Klassiker ein. Das abschließende Balfár (Andi Fara / Prologr) ist vielleicht das fieseste und mitreißendste Stück von ENSLAVED.

Keine andere Band – vielleicht noch HADES und frühe HELHEIM – konnte jemals diesen Sound wieder aufgreifen, selbst ENSLAVED schafften es nie wieder, so einen Sturm zu entwickeln. Heute gelten ENSLAVED als eine der anspruchsvollsten Extrem Metal-Bands aus Skandinavien, variierten ihren Sound fast auf jeder Veröffentlichung und entwickeln sich stets weiter. Die eindrucksvollste und bedeutendste Veröffentlichung neben dem Frost-Album von 1994 ist und bleibt aber Hordanes Land – für mich das Denkmal des ursprünglichen Viking Metal.

EMPEROR und ENSLAVED gelten als die musikalisch besten Bands der zweiten Black Metal-Welle. Dies konnte man bereits zu Beginn ihrer Karriere auf vorliegendem Tondokument demütig feststellen.

Donnerstag, 11. Januar 2018

The Beatles - Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band

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Muss man wirklich noch über dieses Werk Worte verlieren? Ein Album, das wie kein anderes für die Entwicklung der Popmusik hin zu komplexen und durchdachten Kreativsongs steht. Bereits der Vorgänger Revolver vereinte quasi schon alles, was 1967 in Vollendung perfektioniert wurde. Die Musik wurde endlich erwachsen, die (Pop-)Songs dienten nicht nur zur Unterhaltung, sondern verlangten vom Hörer mehr: Konzentration, Hingabe, Aufmerksamkeit, Wertschätzung, Liebe und Begeisterung. Es ist umso erstaunlicher, dass die Beatles mit ihren durchschnittlich zweieinhalb Minuten langen Songs wahre Leitfäden in Sachen Songwriting, Arrangement, Melodieführung und Komplexität kreierten.

Auch die flüssigen Übergänge innerhalb der Songs waren von revolutionärer Bedeutung, das ganze Album hat einen unfassbaren Flow. Sicherlich gibt es einige merkwürdige Momente auf Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band – nicht jeder Song sitzt zu 100 %, aber als Gesamtwerk betrachtet ist es dieses Album, das musikhistorisch betrachtet das zentrale und wichtigste Werk für die Entwicklung der Rock- und Popmusik darstellt. Der Einfluss ist eigentlich gar nicht mit Worten auszudrücken; man muss kein Fan sein, um zu erkennen, dass dieses Album zu den wichtigsten Weltereignissen der 60er-Jahre gehört – und so etwas gab es in dieser Form danach nie wieder.

Montag, 8. Januar 2018

Halbe Treppe

Halbe-Treppe

Regie: Andreas Dresen, 2012

Der Film zeigt halb-dokumentarisch das Leben zweier Ehepaare, die in Frankfurt (Oder) ihren tristen und eintönigen Alltag meistern. Beide Paare sind befreundet: Chris, der als Radiomoderator arbeitet, und seine Frau Katrin, die beim Zoll an der polnischen Grenze beschäftigt ist, sowie Uwe, der eine Imbissbude betreibt, und seine Frau Ellen, die in einer Parfümerie arbeitet.

Uwe und Ellen leben stilecht in einer kargen Wohnblockgegend und haben sich nur noch wenig zu sagen. Uwe opfert sich voll und ganz für seinen Imbiss auf, während Ellen sich eine neue Küche und vor allem eine Dunstabzugshaube für die viel zu kleine Küche wünscht. Chris und Katrin haben ebenfalls eine Ehe mit Spannungen. Chris' Tochter aus erster Ehe taucht unangemeldet mit ihrem Freund in der Wohnung auf („Das ist doch hier keine Absteige“), was zu Konflikten führt.

Als Chris und Ellen eine Affäre beginnen, stehen die vier Freunde emotional am Abgrund. Der Film erzählt keine klassische Geschichte, sondern zeigt den ganz normalen deutschen Alltag – und das auf so ausdrucksstarke und gefährlich realistische Weise, wie es selten in einem deutschen Film zu sehen ist. Die Schauspieler improvisieren zu 90 %, es gibt nur wenige Vorgaben, und das funktioniert so herrlich absurd und urkomisch, weil man diese Situationen zu 100 % aus dem eigenen Leben kennt. Nichts wird beschönigt – es ist das wahre Leben in (Ost-)Deutschland, das hier gezeigt wird.

Dies hätte leicht schiefgehen können, aber die fantastischen Hauptdarsteller, insbesondere der überragende und fürchterlich authentische Axel Prahl, liefern eine schlichtweg glaubwürdige und lebensnahe Leistung ab. Der Film ist unglaublich lustig, ohne auf Gags oder Klamauk zu setzen, sondern getragen von Situationskomik und absurden Handlungen. Beispiele hierfür sind die Suche nach Hans-Peter, dem entflohenen Wellensittich von Uwe und Ellen im Wohnblock-Hinterhof, oder der Besuch im Küchenstudio, als Uwe und Ellen die Rolltreppe hochfahren. Auch die ostdeutschen Dialoge und Sprüche tragen zum Witz bei.

Doch neben den komischen Momenten gibt es auch tragische Szenen voller Tristesse und Existenzängste. Andreas Dresen greift alltägliche Sorgen und den Wahnsinn des Lebens auf, oft nur angedeutet, und lässt Raum für eigene Gedanken. Trotz der teils tragischen Grundstimmung läuft der Film locker und leicht ab.

Viele der dargestellten Situationen kommen einem erschreckend bekannt vor, auch aus meiner eigenen Kindheit. Ich konnte mich vollkommen mit den Hauptfiguren identifizieren und habe selten so herzlich gelacht und mit den liebevoll gezeichneten Charakteren mitgelitten. Durch und durch ein herrlich DEUTSCHER Film!

Sonntag, 7. Januar 2018

Lunar Aurora - Elixir of Sorrow

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LUNAR AURORA waren eine der ersten Bands, über die ich zum Black Metal gefunden habe. Den Weg von LUNAR AURORA verfolge ich bereits schon seit dem "legendären" Debüt Weltengänger, welches 1996 veröffentlicht wurde und gleichzeitig auch eines der ersten Black Metal-Alben war, das ich mir auch direkt in diesem Jahr ins Haus geholt hatte.

Damals war die Rede von dem wohl bisher besten Black Metal-Album aus Deutschland. Jung, naiv und mit geschwollener Brust vertraute ich damals in jeder Anzeige, in jedem Review und in jeder Beschreibung der Mailorder diesen Aussagen. Dass diese Aussagen zu 95 % niemals das hielten, was sie versprachen, war mir damals noch eher egal, und somit war neben den ganzen neuen, aufregenden und spannenden Alben jede Menge Schund und Pein dabei, was ich allerdings meistens auch erst im fortgeschrittenen Alter nach und nach erkannt habe.

Solche üblen Bands wie AEBA, ANDRAS, DUNKELGRAFEN, MYSTIC CIRCLE und ähnliches Geröll und Müll wurden damals angepriesen, als gäbe es keinen Morgen mehr. Ausnahmen waren da die erträglichen EMINENZ (bis Anti-Genesis), FALKENBACH, die genialen NAGELFAR und BETHLEHEM und eben LUNAR AURORA.

Mit LUNAR AURORA hat es sozusagen begonnen, mein Interesse wurde geweckt und ich verlor mich immer weiter in dieser Musik. Alles, was nach Black Metal aussah, wurde gekauft.

Neben dem Debüt von LUNAR AURORA kamen natürlich sofort und fast zeitgleich viele Klassiker (man hat sich ja auch nebenbei extrem belesen und überall informiert) dazu, die dem Album Weltengänger natürlich den Reiz nahmen. Somit beschäftigte ich mich mit ENSLAVED, IMMORTAL, EMPEROR, BURZUM, MAYHEM, DARKTHRONE, SATYRICON, LIMBONIC ART, ARCTURUS und HELHEIM und beachtete lange Zeit Weltengänger überhaupt nicht.

Zudem hatte mich die Musik damals überhaupt nicht begeistern können. Bis auf den grandiosen Opener Grabgesänge langweilte mich das Album eigentlich durchgehend.

2001 entdeckte ich LUNAR AURORA für mich komplett neu. Die beiden Nachfolger Seelenfeuer und Of Stargates and Bloodstained Celestial Spheres habe ich übersprungen und mir erst später nachgekauft. Bis zu diesem Zeitpunkt waren LUNAR AURORA für mich nichts weiter als eine durchschnittliche Black Metal-Band aus Deutschland, die zwar schon erkennen ließen, dass sie sich deutlich von dem üblichen Schund abgrenzen, was sich damals im Underground aus Deutschland herumgetrieben hat, mich aber nicht gerade begeistern konnten.

2001 wurde Ars Moriendi veröffentlicht, und LUNAR AURORA waren für mich eine komplett neue Band. Kalt, roh, komplex, brutal, eigenwillig, vernebelt, mystisch und mit den typischen LUNAR AURORA-Keyboards und Texten. Das war eine andere Band als auf den drei Vorgängern, eine Band, die eigenständigen und verdammt erstklassigen Black Metal aus Deutschland produzierte.

Ars Moriendi ist bis heute das wohl urigste und ungeschliffenste Werk von LUNAR AURORA, komplett schwarz und betörend. Kleine Meisterwerke wie das wuchtige Dämonentreiber, das beängstigende und gespenstische Kältetod mit seinen unterschwelligen Synths, das abgefuckte und reduzierte pechschwarze Black Aureole (geh’ ich heute noch kaputt, wenn der rotzige Taktwechsel einsetzt und die Snare so herrlich poltert) und natürlich Geist der Nebelsphären, sind bis heute Black Metal-Perlen aus Deutschland.

Aber selbst dieses bereits fantastische Album verblasst gegen die Alben, die noch folgen sollten. Und mit Elixir of Sorrow erschien 2004 dann auch ein wahres Meisterwerk. Black Metal aus Deutschland hat mit diesem Album meiner Meinung nach den besten Beweis, dass LUNAR AURORA die wichtigste und beste Black Metal-Band aus Deutschland waren.

Das ganze Album ist ein vollkommen schwarzer Strudel in die Dunkelheit, ein Orkan von hymnischen Songstrukturen, hasserfüllten Gitarrenriffs, zermürbenden Bassläufen, intensiven Synthflächen, trostlosen und kalten Melodien sowie interessanten Texten, die sich meilenweit von den üblichen Huldigungen von Satan, dem einschläfernden Christenhass und dem neumodernen Suizidgeheule abgrenzten.

Wie von einem Nebel verschleiert, kommt der garstige und knurrige Gesang unaufdringlich aus dem Hintergrund der Musik. Wirre Taktwechsel, unerwartete Tempowechsel, Zwischenspiele, Samples, Raserei und rohe Eleganz bilden den natürlichen Sound, der durch eine unspektakuläre, aber völlig passende Produktion abgerundet wird.

Schon das bedrohliche Intro Einsamkeit und Dunkelheit mit seinen Chören und Samples, Tiergeräuschen, Beckenrasseln und düsteren Glockenschlägen erzeugt eine ganz eigene Stimmung, bevor es dann direkt in Zorn aus Äonen übergeht. Hymnisch, kalt, rasend – ein perfekter Auftakt mit Keyboards, die direkt aus einer unbekannten Dunkelheit stammen. Schon fast spacig verdunkeln die vereinzelten Keyboardpassagen den stürmischen Auftakt.

Augenblick erstreckt sich über 12 Minuten mit eigenwilligem Tempo, Taktwechseln und eigenartigen Gitarrenriffs, die eine Monotonie heraufbeschwören und trotzdem immer eine gewisse Anmut ausstrahlen.

Mit Kerkerseele geht es dann gerade mal eben in diesen. Dunkel, feucht, modrig rumpelt sich der Song durch knapp 7 Minuten. Wieder wird diese typische Stimmung erzeugt, die so eigen für LUNAR AURORA ist. Die Atmosphäre, die die Bayern erzeugen, ist das typischste Merkmal im Sound von LUNAR AURORA. Musikalisch ist die Musik hörbar reduziert, aber was mit den Instrumenten, Synths, Samples und dem Gesang in Verbindung mit dem Text erschaffen wird, ist so mitreißend, nimmt einen gefangen und besitzt eine berauschende Wirkung. Auch die kurzen Zwischenspiele tragen dazu bei.

Das alles überragende und mächtige Hier und Jetzt ist vielleicht der für mich stimmigste und erhabenste Black Metal-Song, den eine Band seit 1990 komponiert hat. Allein der poetische und ausladende Anfang, der sich ganze viereinhalb Minuten Zeit lässt, bis der Gesang einsetzt, ist eines der mächtigsten und größten Ereignisse der Black Metal-Szene. Traumhafte Keyboards tanzen zusammen mit traurigen Gitarrenriffs und einem monotonen Schlagzeug in den Sonnenuntergang hinein. Und wenn die akustische Gitarre anfängt zu "singen", schwebt man förmlich in die Nacht hinein. Wer bei dem Song nichts fühlt, sollte gleich einen großen Bogen um LUNAR AURORA machen und am besten weiterhin die Finger vom Black Metal lassen.

Es sind solche Momente, solche Songs, die die Faszination auf mich ausüben, die ich so nur im Black Metal finde. Komplett frei von Hetze und dummen "lyrischen" Ergüssen erzeugen die Rosenheimer eine knapp 12-minütige Gefühls- und Stimmungsabfahrt, die so ergreifend und direkt ist, dass man kaum noch Luft bekommt.

Und wenn dann dieses Monument von einem Black Metal-Album mit so einem grandiosen Ambientstück wie Irrlichter ausklingt, bin ich manchmal in der Lage zu behaupten, dass Elixir of Sorrow das beste Black Metal-Album ist, welches in meinem Besitz ist.

An anderen Tagen ist es dann wieder Zyklus mit seinen vier eiskalten Epen (Der Abend!), die mich schockgefrostet zurücklassen. So eine Kälte und Leere haben sogar die großen Norweger niemals produziert. Sogar das etwas "schwächere" Mond gehört immer noch mit zu den besten Black Metal-Alben aus Deutschland.

Und die beiden Abgesänge der Band Andacht und Hoagascht haben einen Ehrenplatz in meinem Herzen. Jedoch unterscheiden sich diese beiden Werke extrem von der mittleren Phase der Band. Aber wenn man LUNAR AURORA beschreiben soll, kann man nur verzweifeln, denn eine der bedeutendsten Eigenschaften dieser Band ist, dass kein Album wie das andere klingt. Jedes Werk hat seinen eigenen Sound, seine eigene Stimmung, seine eigenen Songstrukturen, sein eigenes Songwriting und seine eigene Atmosphäre.

Wer Andacht mag, kann mit Elixir of Sorrow z. B. große Probleme haben. Das Gesamtwerk von LUNAR AURORA gehört für mich zum Besten, was der Black Metal hervorgebracht hat, und die Rosenheimer sind vielleicht sogar die wichtigste Black Metal-Band für mich. Gerade deswegen fällt es mir auch so schwer, die Musik und das Besondere der Band in Worte zu fassen. Es ist auch eine sehr persönliche "Beziehung" mit der Musik von LUNAR AURORA, die ich auch nicht wirklich erklären kann. Vielleicht ist es auch diese ganze Maskerade, die bei LUNAR AURORA eben nicht stattfindet, diese Bodenständigkeit und diese Finsternis, die ohne Satan und Symbolik auskommt.

Mittwoch, 3. Januar 2018

Neurosis - A Sun That Never Sets

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Neurosis sind in meinen Augen die wichtigste und bedeutendste „neumoderne“ Metal-Gewalt. Seit dem Klassiker "Souls at Zero" von 1992 veröffentlicht die Band ein Meisterwerk nach dem anderen.

Nachdem der vorläufige Höhepunkt mit dem Monster "Through Silver in Blood" 1996 erreicht wurde, entwickelte sich die Band immer weiter und schlug immer öfter ruhigere (aber nicht minder gewaltige) Töne an. Diese fanden schließlich ihren Höhepunkt in dem, meiner Meinung nach, absoluten Meisterwerk der Bandgeschichte – und auch einem der Top 10 Alben der 00er Jahre – "A Sun That Never Sets". Dieses Album, von Steve Albini gottgleich in Szene gesetzt, ist eine knapp 70-minütige Katharsis für alle hackfleischhassenden Zerhacker.

Nie klang eine Gitarrenwand mächtiger, nie gab es maskulineren Gesang zu hören, und nie wieder wurde ich so brutal in den Abgrund gezogen. Die Gitarren von Scott Kelly und Steve Von Till auf diesem Werk sind in meinen Ohren das Nonplusultra, was an Macht und Zerstörung in diesem Genre bisher erzeugt wurde. Eine Anhäufung von Männerriffs und schmerzenden Harmonien, die den Weltniedergang herbeirufen.

Allein das eröffnende Trio 'Erode', 'The Tide' und 'From The Hill', welches 20 Minuten lang ein Gefühlsuniversum aufbaut, aus dem man nicht mehr ausbrechen kann, vergiftet jegliche Hörgewohnheit. "A Sun That Never Sets" besitzt nur solche Momente. Es ist ein Eigenleben, ein Großereignis für das Nervensystem – schlicht der gewaltigste und intensivste Output mit lauten Gitarren und Energie nach der Jahrtausendwende.

Dienstag, 2. Januar 2018

Tom Waits - Swordfishtrombones

Tom-Waits-Swordfishtrombones

Tom Waits gehört als einer der bedeutendsten Musiker unserer Zeit in jedes Lexikon. Seine bis heute 16 regulären Studioalben sind untereinander so unterschiedlich, vielseitig, entdeckungsfreudig, anspruchsvoll und auch des Öfteren (sehr) schwierig, eigenwillig, hässlich und wohltuend unkonventionell, dass man alleine über jedes einzelne Werk Nachschlagewerke niederschreiben könnte.

Ähnlich wie David Bowie – auch wenn der Vergleich stark hinkt – ist Herr Waits ein musikalisches und bissiges Chamäleon, für den es keine Grenzen gibt. Polka, Jazz, Avantgarde, Rock, Folk, Blues, Zamzara – all das und noch viel mehr kann man in der großen Waits-Welt für sich entdecken und lieben lernen.

Es gibt zwei, drei "eingängige" und leichtere Einsteigerwerke wie sein wohl bekanntester Klassiker "Rain Dogs" oder das traumhafte Debüt "Closing Time", doch die wirklich dicken Fettaugen in der Waits-Suppe findet man nur, wenn man sich intensiv auf die Musik und auf die Lyrik/Geschichten einlässt – das ist bei Herrn Waits von höchster Wichtigkeit – und darin versinkt. "Swordfishtrombones" gehört für mich dabei zu seinen besten Arbeiten aus den Achtzigern, wobei es immer schwer ist, bei Tom Waits seinen Liebling herauszufiltern.

Tom Waits ist neben Frank Zappa der mir einzig bekannte Musiker, der es zu "Weltruhm" geschafft hat, obwohl man sich seine Musik hart erarbeiten muss. Ist er der letzte große noch lebende Künstler der Musiklandschaft?

Montag, 1. Januar 2018

Pungent Stench - For God Your Soul... For Me Your Flesh

Pungent-Stench-For-God-Your-Soul...-For-Me-Your-Flesh

Wenn es um die kultigsten Death Metal-Alben unserer Zeit geht, spielt das Debüt-"Schandwerk" von PUNGENT STENCH eine ganz bedeutende Rolle. PUNGENT STENCH waren der Dreck unter den Fingernägeln der europäischen Death Metal-Szene – die abscheulichen Österreicher mit den widerlichen Covern und den unzumutbaren Texten.

Die Band hat mit ihren Alben "For God Your Soul... For Me Your Flesh", "Been Caught Buttering" und mit Abstrichen "Club Mondo Bizarre - For Members Only" (auf diesem Werk wird nur noch marginal traditioneller Death Metal geboten) einzigartige Assiwerke des räudigen Death Metal auf die Menschheit losgelassen, die bis heute einen völlig eigenen Charme besitzen.

Nach der Kult-Split mit DISHARMONIC ORCHESTRA und der "Extreme Deformity" EP lieferten PUNGENT STENCH mit "For God Your Soul... For Me Your Flesh" ein Werk ab, das zu den klassischsten und typischsten Death Metal-Alben gehört, die jemals in diesem Genre entstanden sind. Cover, Texte und Image gingen Hand in Hand und bescherten der Band große Zensurprobleme, durch die sie aber nur noch bekannter wurde.

Pungent-Stench-Extreme-Deformity 

Nur wenige Bands haben Death Metal so minimal und reduziert gespielt wie PUNGENT STENCH. Die Songs kratzen so sehr an der Grenze der Primitivität, dass diese eigentlich gar nicht mehr vorhanden ist. Es rumpelt, wo es nur geht: Die Gitarre ist wunderbar dreckig, der Schlagzeuger spielt gekonnt die einfachsten Takte, und Martin Schirencs rülpsende Grunzlaute lassen das Herz des schlechten Geschmacks höher schlagen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Bands ihrer Zeit haben sich PUNGENT STENCH nie richtig ernst genommen, übertrieben es komplett mit den absurden und in dieser Form nie wieder erreichten Splattertexten. Mit "For God Your Soul... For Me Your Flesh" – einem kruden Mix aus Grindcore, Death Metal und leichten Punkeinschlag – haben sie ein morbides Meisterwerk des ganz schlechten Geschmacks abgeliefert.

Klassiker wie ‘Just Let Me Rot’, ‘Suspended Animation’, ‘Bonesawer’ oder ‘For God Your Soul... For Me Your Flesh’ machen immer noch Spaß und sind, wie auch die restlichen Songs, einzigartige Zeitzeugnisse der frühen 90er Death Metal-Welle. PUNGENT STENCH haben mit den einfachsten Mitteln und ihrem gewissen österreichischen Humor einen einzigartigen Death Metal-Klassiker veröffentlicht, der bis heute zu den Höhepunkten der Szene zählt.

Auch wenn man musikalisch natürlich nichts Komplexes erwarten sollte, ist diese ungeschliffene Attacke ein unglaublicher Faustschlag in den Magen und "beschreibt" wie kaum ein anderes Album aus der Zeit die klassische Death Metal-Welle der frühen Neunziger. Nie haben Blut, Sperma, Eiter, Erbrochenes, Kot und Urin zusammen so unglaublich asozial geklungen.

Cultes des Ghoules - Henbane

Cultes-Des-Ghoules-Henbane

„Henbane“ war das nächste große Monument im Black Metal seit „Anthems to the Welkin at Dusk“, „OM“, „Fas - Ite, Maledicti, in Ignem Aeternum“, „The Work Which Transforms God“, „Thorns“ und vielleicht noch „Rain upon the Impure“ – ein astrales Wunder, das in der Geschichte des Genres einen festen Platz einnimmt, gleichberechtigt neben diesen epischen Meisterwerken.

Hier wird erst gar nicht versucht, musikalisch zu überzeugen, Experimente unterzubringen und mit aufgeblasenem Hompelpompel zu blenden. Musik für doofe Menschen wie mich, in der ich mich komplett verliere. Macht, Finsternis, Unbehagen, Schmerz und Pein, lebendiger Geisteswahn und Gestank.

Cultes Des Ghoules ist hässliche Musik, unsauber gespielt, unromantisch produziert, hoffnungslos schrullig und tief in der Vergangenheit grabend, anstrengend und unepisch episch. Black Metal-Intensität bis auf das Knochenmark.
Die Gesangsleistung auf diesem Album ist schlicht überragend und die „beste Leistung“ 2013. Mortuus wird im Irrenhaus von Jerusalem in einer Zwangsjacke von Mel Gibson getauft, und Xavier Naidoo versucht, ihn dabei durch das Einstimmen seiner Lieder seelisch zu beruhigen. Danach wird er in den polnischen Ostblock in das Jahr 1983 gebeamt. Der Fluxkompensator hat alles möglich gemacht und bei der Taufe das Elend und die Qual der Stimme aufgezeichnet.
Das ist übertrieben gut, was da gesanglich auf diesem Werk abgeht. Es ist eine solch kreative, fast schon theaterhafte Leistung, dass man sie nicht nur hören, sondern auch fühlen muss – sie entzieht sich der Beschreibung und gehört zu den größten Gesangsleistungen, die ich je in diesem Genre erlebt habe. Marek Górecki muss eindeutig Satans persönlicher Hofdichter sein.
Dann diese stumpfen, fiesen Riffs, die sich unaufhörlich durch den Sound fressen. Dieser fiese Gitarrensound: stumpf, roh, leblos, brodelnd, kaputt und staubig. Schlaghand und Wechselgequietsche sind zudem auch deutlich zu hören, so muss das. Und dieser furchterzeugende Bass, der die ganze Zeit lauert. Mal im Vordergrund, dann wieder bestimmend im Hintergrund – aber immer ist er anwesend, glotzt einen mit der dämonischen Fratze des Nachtmahres an, richtig fürchterlich. Und immer wieder diese derbe, pappige Snare.

Die Produktionskosten lagen vermutlich bei 13 Zloty, mehr braucht's auch nicht. Mit 13 Zloty mal eben den besten Sound seit „Under a Funeral Moon“ erschaffen.
Übelkeit, Fieber, schlimme, schweißgebadete Alpträume, juckende Pickel, Eiterbläschen und eine saftige Vorhautverengung bekommt man von diesem Sound.
Mit ‚The Passion of a Sorceress‘ haben Cultes Des Ghoules nicht nur den Höhepunkt dieses Albums festgehalten, sondern auch einen der zehn besten Black-Metal-Songs der letzten 20 Jahre, der wie ein dämonischer Beschwörungstanz durch die Gehörgänge wütet und nicht mehr loslässt.
Danke, Mel Gibson und Xavier Naidoo, dass es euch gibt!
Der letzte Moment, in dem ich mich so klein unter meinem Kopfhörer gefühlt habe, war bei meiner nächtlichen Begegnung mit „The Work Which Transforms God“, welches mich damals (und heute immer noch) ängstlich unter dem Bett nachschauen ließ, als die Musik eines Irren die schwarze Nacht zu einem schweißgebadeten Fiebertrauma entzündete.

Das war so ein Moment, wo ich es nicht wagte, die Schlafzimmertür offen stehen zu lassen, und mich in die Mitte meines Bettes bewegte, um dann in absoluter Angststarre den halboffenen und auf einmal fürchterlichen Kleiderschrank anzustarren, während mir bei einer Nachttemperatur von 6 °C listig ätzende Schweißbäche die Augen überreizten.
Hat sich da gerade etwas in dem Kleiderschrank bewegt? Mein Patrick-Star-Schlafanzug war komplett durchnässt und vermochte es nicht mehr, den maskulinen Schweißfluss von zehn Bauarbeitern aufzunehmen. Mir war heiß und kalt. Der saure Schweiß verdampfte kühl, und Schweißdampf vermischte sich mit einer anderen Flüssigkeit, leicht bitter und stechend in der Nase, wodurch eine Lache, nein, eine Tunke des Ekels entstand, in der ich mich hin und her wälzte. Aber nach dem dritten Mal machte es Spaß, ein Fetisch wurde in mir geboren.

Genauso einen ähnlichen, denkwürdigen Moment habe ich mit „Henbane“ durchlebt.
Da mag mir noch mal einer sagen, Black Metal ist was für Loser, Bettnässer, pickelige Scheiteldeutsche, Ranzgruppen, Ü-30-Jungfrauen und Lehrer.
Das ist er, der große Black-Metal-Klassiker dieser Dekade – ein polnischer Mazurka, der tief in den Eingeweiden schmerzt.