Montag, 1. Januar 2018

Cultes des Ghoules - Henbane

Cultes-Des-Ghoules-Henbane

„Henbane“ war das nächste große Monument im Black Metal seit „Anthems to the Welkin at Dusk“, „OM“, „Fas - Ite, Maledicti, in Ignem Aeternum“, „The Work Which Transforms God“, „Thorns“ und vielleicht noch „Rain upon the Impure“ – ein astrales Wunder, das in der Geschichte des Genres einen festen Platz einnimmt, gleichberechtigt neben diesen epischen Meisterwerken.

Hier wird erst gar nicht versucht, musikalisch zu überzeugen, Experimente unterzubringen und mit aufgeblasenem Hompelpompel zu blenden. Musik für doofe Menschen wie mich, in der ich mich komplett verliere. Macht, Finsternis, Unbehagen, Schmerz und Pein, lebendiger Geisteswahn und Gestank.

Cultes Des Ghoules ist hässliche Musik, unsauber gespielt, unromantisch produziert, hoffnungslos schrullig und tief in der Vergangenheit grabend, anstrengend und unepisch episch. Black Metal-Intensität bis auf das Knochenmark.
Die Gesangsleistung auf diesem Album ist schlicht überragend und die „beste Leistung“ 2013. Mortuus wird im Irrenhaus von Jerusalem in einer Zwangsjacke von Mel Gibson getauft, und Xavier Naidoo versucht, ihn dabei durch das Einstimmen seiner Lieder seelisch zu beruhigen. Danach wird er in den polnischen Ostblock in das Jahr 1983 gebeamt. Der Fluxkompensator hat alles möglich gemacht und bei der Taufe das Elend und die Qual der Stimme aufgezeichnet.
Das ist übertrieben gut, was da gesanglich auf diesem Werk abgeht. Es ist eine solch kreative, fast schon theaterhafte Leistung, dass man sie nicht nur hören, sondern auch fühlen muss – sie entzieht sich der Beschreibung und gehört zu den größten Gesangsleistungen, die ich je in diesem Genre erlebt habe. Marek Górecki muss eindeutig Satans persönlicher Hofdichter sein.
Dann diese stumpfen, fiesen Riffs, die sich unaufhörlich durch den Sound fressen. Dieser fiese Gitarrensound: stumpf, roh, leblos, brodelnd, kaputt und staubig. Schlaghand und Wechselgequietsche sind zudem auch deutlich zu hören, so muss das. Und dieser furchterzeugende Bass, der die ganze Zeit lauert. Mal im Vordergrund, dann wieder bestimmend im Hintergrund – aber immer ist er anwesend, glotzt einen mit der dämonischen Fratze des Nachtmahres an, richtig fürchterlich. Und immer wieder diese derbe, pappige Snare.

Die Produktionskosten lagen vermutlich bei 13 Zloty, mehr braucht's auch nicht. Mit 13 Zloty mal eben den besten Sound seit „Under a Funeral Moon“ erschaffen.
Übelkeit, Fieber, schlimme, schweißgebadete Alpträume, juckende Pickel, Eiterbläschen und eine saftige Vorhautverengung bekommt man von diesem Sound.
Mit ‚The Passion of a Sorceress‘ haben Cultes Des Ghoules nicht nur den Höhepunkt dieses Albums festgehalten, sondern auch einen der zehn besten Black-Metal-Songs der letzten 20 Jahre, der wie ein dämonischer Beschwörungstanz durch die Gehörgänge wütet und nicht mehr loslässt.
Danke, Mel Gibson und Xavier Naidoo, dass es euch gibt!
Der letzte Moment, in dem ich mich so klein unter meinem Kopfhörer gefühlt habe, war bei meiner nächtlichen Begegnung mit „The Work Which Transforms God“, welches mich damals (und heute immer noch) ängstlich unter dem Bett nachschauen ließ, als die Musik eines Irren die schwarze Nacht zu einem schweißgebadeten Fiebertrauma entzündete.

Das war so ein Moment, wo ich es nicht wagte, die Schlafzimmertür offen stehen zu lassen, und mich in die Mitte meines Bettes bewegte, um dann in absoluter Angststarre den halboffenen und auf einmal fürchterlichen Kleiderschrank anzustarren, während mir bei einer Nachttemperatur von 6 °C listig ätzende Schweißbäche die Augen überreizten.
Hat sich da gerade etwas in dem Kleiderschrank bewegt? Mein Patrick-Star-Schlafanzug war komplett durchnässt und vermochte es nicht mehr, den maskulinen Schweißfluss von zehn Bauarbeitern aufzunehmen. Mir war heiß und kalt. Der saure Schweiß verdampfte kühl, und Schweißdampf vermischte sich mit einer anderen Flüssigkeit, leicht bitter und stechend in der Nase, wodurch eine Lache, nein, eine Tunke des Ekels entstand, in der ich mich hin und her wälzte. Aber nach dem dritten Mal machte es Spaß, ein Fetisch wurde in mir geboren.

Genauso einen ähnlichen, denkwürdigen Moment habe ich mit „Henbane“ durchlebt.
Da mag mir noch mal einer sagen, Black Metal ist was für Loser, Bettnässer, pickelige Scheiteldeutsche, Ranzgruppen, Ü-30-Jungfrauen und Lehrer.
Das ist er, der große Black-Metal-Klassiker dieser Dekade – ein polnischer Mazurka, der tief in den Eingeweiden schmerzt.

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