Dienstag, 20. Oktober 2015

Killing Joke - Killing Joke (2003)

Killing-Joke-Killing-Joke-(2003)

KILLING JOKE gehören bei mir schon seit Jahren zum gesunden Ton. Flächenschäden wie das düstere, ruppige und minimale Debüt von 1980, das tanzbare „Night Time“, wozu ich immer wieder gerne das Tanzbein schwinge, welches mit Hits praktisch zugestopft ist, oder die moderneren Sachen wie „Pandemonium“ oder die letzten beiden Alben, sind schon ziemlich die geilsten Krachalben, die man in Europa finden kann.

Ein Werk jedoch ist und bleibt das Nonplusultra in der Schaffensphase der Band. Alles, was ich an Rockmusik so bedingungslos liebe – Krach, Dreck, Lautstärke, Gewaltsongs statt Technik und Gewichse, rohe Direktheit und erdige Songs, die die Geschlechtsteile in den hirnfreien Schädel treten – findet man in der schärfsten Version seit den frühen THE WHO-Kampfansagen auf diesem Werk.

Das selbstbetitelte 2003er Werk ist nicht nur das Highlight unter vielen in der KILLING JOKE-Geschichte, sondern gehört auch zu den gnadenlosesten, gewalt(ät)igsten, erbarmungslosesten, ruppigsten und mächtigsten Krachalben der 00er Jahre. Ich persönlich halte das Album für eines der drei urgewaltigsten Musikalben seit 2000, welches bis heute in seiner Kraft und Intensität weder von der Band noch von anderen Musikern wieder erreicht wurde.

Es gibt mehrere Fakten, die das Album so speziell und ausnahmslos einzigartig machen. Als erstes fällt der direkte, kernige und drückende, aber zugleich auch extrem rohe sowie voluminöse Sound auf. Die Produktion ist auf diesem Album beispiellos – alles, was ich mir unter einer modernen, aber trotzdem humanen Produktion vorstelle, findet man in Perfektion auf diesem Werk. Die Gitarren sägen und knarzen wie Gitarren, der Bass pumpt druckvoll, und viele unterschwellige Melodien haben Raum zum Atmen. Und das Schlagzeug, ja, das Schlagzeug! Alles, wirklich alles, was auf diesem Album mit diesem Instrument passiert, gehört zu den wohl zehn monumentalsten Schlagzeugaufnahmen der Rockgeschichte.

Da wären diese irren, rostigen und stumpfen Gitarrenriffs, derber als die miesesten Black Metal-Riffs, die sich durch das Album fräsen. Gnadenlos wird hier gewütet, punkig geschrammelt und zwischendurch Bier über den Verstärker verschüttet. So hart die Wahrheit auch klingt, aber von so einer ungehaltenen Kraft sind viele Metalbands weit entfernt.

Und dann wäre da noch dieser Oberpsycho Jaz Coleman, einfach so, weil er es ist: einer der coolsten Frontmänner von der Insel. Stumpf ist Trumpf, und Coleman lebt das so perfekt wie kaum ein anderer mir bekannter Sänger. Seine Stimme ist blutig, rau, monströs und abstoßend. Coleman brüllt und schreit wie ein Primat beim Sex mit Tieren und kann gleichzeitig – also in dem Moment, wo er brüllt und schreit – melodisch eindringlich singen. Das muss man sich mal vorstellen: wie als wenn man bei einer künstlichen Befruchtung einer Kuh Frühlingsvogelgesang darunter mischt. Diese Stimme ist wie ein Zahnarztbesuch, bei dem man beim Ziehen der vergilbten und halb abgebrochenen Zähne die ganze Zeit die Busen der jungen, hübschen Zahnarzthelferin mit halb geöffneter Bluse ins Gesicht gedrückt bekommt. Für mich, völlig unsexistisch gewertet, das Destillat von einem Männergesang. Coleman ist für mich nebenbei auch eine hochinteressante Person, und ich lese immer wieder gerne Interviews von ihm.

Was aber schlussendlich das Album so perfekt macht, ist Dave Grohl. Keine Ahnung, wie man seine Leistung hier beschreiben soll. Der ehemalige Nirvana-Drummer und Foo Fighters-Frontmann gehört nicht gerade zu den Musikern, mit denen ich mich eigentlich beschäftige, aber alleine für seine alles in den Schatten stellende Schlagzeugarbeit auf diesem Album gehört der Mann für immer zu den Schlagzeuggrößen, über die man so philosophieren kann.

Meine verschissene Fresse, wie abartig geil kann man dieses Instrument spielen? Wie kann man nur dieses Instrument so behandeln, wie es ist: ein Krachwerkzeug, an dem man seiner Wut freien Lauf lassen kann. Dave Grohl scheißt auf Blastbeats, Übertechnik, Jazzhintergrund, Taktwechsel im Sekundentakt und all das, was sonst als gekonnt abgestempelt wird. Grohl schlägt und tritt einfach wie ein virusbefallener Serienmörder auf alle Becken, Toms, die Snare und die Bassdrum ein. Es ist unfassbar, wie man diese Urgewalt in der Produktion eingefangen hat. Wie gerne ich wissen möchte, wie oft da neue Felle beim Einkloppen von ‚The Death & Resurrection Show‘ aufgespannt werden mussten. Die Dynamik, dieser Groove, die Beats – alles ist einfach so übermenschlich, dass ich mich immer wieder wie ein Wurm winde, wenn ich das Geschepper um die Ohren gehauen bekomme. Ja, es ist einfach so: Dies hier gehört zu den zehn besten Schlagzeugaufnahmen der Rockgeschichte. Und wer das nicht erkennt, hat dieses Instrument nie wirklich verstanden oder kennt nur Doublebass und Triggertechnik. Das Album kommt mir auch immer wie so ein Denkmal für dieses Instrument vor.

Und die Songs? Ja, die sind halt auch asozial großartig. Auf dem Album stimmt eigentlich alles, was ich bei anderen Werken aus diesem Bereich oft vermisse. Von allen Seiten betrachtet, gehört dieses Meisterwerk ohne Handbremse für mich zu den ganz großen Sternstunden der 00er Jahre. Und die Band selbst sitzt auch ganz weit vorne auf meiner Hirntribüne, wenn es um Krach geht.

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