THE DAMNED gehören nun schon seit einigen Jahren zu meinen heftig verehrten Körperbeat-Helden und haben mit ihren ersten vier Alben (das zweite fällt qualitativ etwas ab, ist aber immer noch hübscher als viele andere Punk-Veröffentlichungen) für mich einen persönlichen Lifestyle-Soundtrack erschaffen, sodass ich mir mein Leben ohne diese Musik kaum noch vorstellen mag.
Blöder Punk, Billigmusik, Amateure, musikalischer Müll – das alles hört man ja ganz oft so ähnlich von vielen Heavy-Metal-Gestörten und sogar aus dem eigenen Umfeld, wenn es um das Thema Punk geht. Da braucht man dann auch nicht mit so unglaublichen Weltwundern wie Entertainment!, Metal Box, Prayers on Fire, Pink Flag, Door, Door, Real Life, Fresh Fruit for Rotting Vegetables und einer endlosen Liste ankommen. Da ist der Ofen aus, da bleibt man stur.
Doof nur, dass THE DAMNED so wunderbare Musik veröffentlicht haben, dass man trotzdem nicht aufgibt und diese Zaubermusik weitergeben möchte. Und THE DAMNED haben zum Glück ein Album in ihrer leider viel zu wenig beachteten Karriere, das so vorzüglich dafür geeignet ist, um alle Ekelmäuler zu stopfen.
1979 erschien nämlich mit Machine Gun Etiquette das für mich nicht nur makelloseste Album aus diesem Bereich, sondern auch eines der schönsten (im wahren Wortsinn!) Rockalben, die man sich vorstellen kann. Auf der einen Seite ist Machine Gun Etiquette so befreiend rotzig und lebendig wie das Glücksgefühl-Debüt, auf der anderen Seite präsentieren sich THE DAMNED auf diesem Album als die wirklichen musikalischen Könner, die sie eigentlich von Anfang an waren.
35 Minuten lang zeigt Captain Sensible, was für ein magischer Gitarrist er ist, schüttelt Gitarrenriffs von Welt aus seinem Herzen (wie schön es wäre, wenn es heute noch solche Typen an den Gitarren gäbe!), spielt mit Prog-Rock-Anleihen, erstürmt mit seinen Soli und seinen „ich möchte nackt tanzen“-Melodien und Harmonien meinen Gefühlsvulkan und ist obendrein von vorne bis hinten eine arschcoole Sau.
Neben dem Captain sorgt Dave Vanian für sagenhafte Gesangsmomente, die nicht nur perfekt zur Musik passen, sondern auch sein unglaubliches Talent als Sänger und beneidenswerten Frontmann offenbaren. Allein diese markerschütternden Leistungen gehören zu den fantastischsten Momenten der 70er/80er-Rockmusik. Schlagzeuger Rat Scabies und Bassist Algy Ward bilden das grandiose Rhythmus-Fundament für die Songs.
THE DAMNED mischen auf diesem Album melodischen Punk mit dem anziehenden Rotz der Vorläufer wie THE STOOGES (bekanntlich Großgötter, dazu später mehr), MC5 oder RAMONES, gepaart mit leichten progressiven Einschlägen und Popstrukturen, wie man sie sich nur wünschen kann. Nebenbei werden stark vernebelte Gothic-Blaupausen kreiert, die später bei den Post-Punk-Bands zum Standard wurden. Es ist sagenhaft, welche Kreativität auf diesem Werk vorherrscht, wie abwechslungsreich und musikalisch luftig die Band agiert, mit welcher Leichtigkeit verschiedene Elemente passend zusammengeführt werden und wie einfach und bodenständig das Ergebnis klingt, als ob es die einfachste Sache der Welt wäre.
Ich heule immer wieder, wenn die ersten drei Songs Love Song (gehört mal eben zu den besten Eröffnungssongs in meiner Kassettensammlung), Machine Gun Etiquette und die Freudenshymne I Just Can't Be Happy Today das Album eröffnen. Ich tanze mit meinem Kuscheltier zu Melody Lee durch die Küche, hüpfe nackt zu Anti-Pope auf meiner Rammelburg, vergreife mich an Mutti's Kaja bei Plan 9 Channel 7 und werfe 100-Euro-Scheine zu Smash It Up aus dem Fenster. Besser geht melodischer (Pop)Rock nicht, ohne dabei die nicht erwähnten Songs abzuwerten.
Auf dem direkten Nachfolger The Black Album, das eigentlich noch melodischer und größer ist, hatte man dann endgültig einen Jahrhundertsong mit The History of the World (Part 1) komponiert.
Machine Gun Etiquette ist so herrlich „einfach“, lebendig und ein großer bunter Glücksmoment, dass man nach 35 Jahren immer noch überwältigt von diesem Meisterwerk ist und trauert, dass solche Musik kaum bis nie wieder komponiert wurde. Es ist ein Werk, das heute zu meinen ganz großen Lieblingen gehört. Das sogenannte Inselalbum, wenn man es denn so will.
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