Blog heiraten

Dienstag, 21. Oktober 2014

The God Machine - Scenes From The Second Storey

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"Sheet One", "Ænima", "f#a#oo", "Frizzle Fry", "Goo", "Moon Safari", "Welcome To Sky Valley", "Clandestine", "Tilt", "Blue Lines","To Bring You My Love", "Through Silver In Blood", "Last Rights", "Spiderland", "Filth Pig", "Badmotorfinger", "The Downward Spiral", "Laughing Stock", "Slow, Deep And Hard", "Soundtracks For The Blind", "Dirt", "Selected Ambient Works 85-92", "Angel Dust", "Dead Cities", "Into The Everflow", "Bone Machine", "World Coming Down" - liest sich angenehm, oder? Muss es ja auch, schließlich handelt es sich hier um die bewundernswertesten Musikerscheinungen der 90er Jahre, die ich jetzt mal grob aus meiner eigenen Sammlung herausgefiltert habe.
Was hat es mit diesen genannten Alben hier auf sich? Nichts. Damit möchte ich nur verdeutlichen, wie unbeschreiblich und unwirklich großartig "Scenes From The Second Storey" ist - das meiner Meinung nach ergreifendste, tiefste, berührendste, erhabenste und ausdrucksstärkste Musikalbum von 1990 - 1999, welches alle oben erwähnten Alben überragt.
THE GOD MACHINE, das waren Robin Proper-Sheppard an der Gitarre und gleichzeitig Sänger, Jimmy Fernandez an der Bassgitarre und Ronald Austin am Schlagzeug. THE GOD MACHINE waren nicht nur irgendeine Band, sie waren Propheten, Visionäre, anbetungswürdige Musiker, Querdenker und Songschreiber jenseits des Horizonts.
"Scenes From The Second Storey" ist in den letzten Jahren bei mir zu dem Album herangewachsen, als welches ich es hier bezeichne. Ein einziger Tagtraum aus den 90ern, das beste Musikwerk dieses Jahrzehnts und bestimmt mittlerweile in meinem persönlichen Top-10-Requiem.
Eröffnet wird das Album mit dem peitschenden 'Dream Machine'. Stimmen, Bassbrummen, die Snare setzt ein, ein verträumtes Licht im Hintergrund, Gitarre, leichter Keyboardbombast und dann diese Stimme. Eine rhythmisch vertrackte Nummer mit Snare-Attacken, schleifenden Riffs, sirupartigen Basslinien und dazu klagt und triumphiert Sheppard mit seiner einzigartigen Stimme und seinen mitreißenden Texten. Dann folgt ein Bruch, tribalartige Drums, eine sich in den Vordergrund kämpfende Gitarre, Bassteppiche, ein knallhartes Break und dann wieder alles von vorne, diesmal noch intensiver von allen Instrumenten und dem Gesang betont.
'She Said' beginnt sofort knalliger, ausufernder, ungezügelt und mit einem erstaunlichen betonten Schlagzeugspiel. Sheppard schwingt sich stimmlich in Höhen zwischen Anmut, Träumerei und unkontrolliertem Aufschreien. Seine Stimme ist das Zentrum, der Halt in diesem schweren Brocken aus Dunkelheit, Schwere, Leid, Traurigkeit und Tristesse. Dort ist man dann auch endgültig angelangt, wenn die ersten akustischen Gitarrentöne von 'The Blind Man' aufheulen. Das Schlagzeug setzt ein, warme Bassrhythmen und eine verzehrte Gitarre, minimalistisch und ergreifend baut sich eine graue Welt auf. "Have you ever seen a bird fly / Have you ever seen the sun shine / Have you ever held something beautiful / You know that it will eventually die". "I'm tired, I'm tired". Reduziertes Gitarrensolo, wieder tribalartiges Schlagzeug, eine fauchende Gitarre, ein abstürzender Funken, der rasend in die Tiefe stürzt, dann explosionsartige Wutausbrüche an den Instrumenten. Stille. Der erste überlastende Gefühlsausbruch der drei Musiker. Nach den ersten drei Songs merkt man bereits diese brennende Besonderheit, die in jedem weiteren Song glüht. Das kochende und kurze 'I've Seen the Man' mit einem brillanten Sheppard, knackigem Drumming und hysterischen Gitarrenriffs oder die stilistisch abgehobene Übertriebenheit von 'The Desert Song' mit seinem leichten orientalischen Touch und dieser unterdrückten Ruhe - schamanenhaft wird man ständig um die eigene Achse gedreht. Wahnsinn, konnte diese Band überirdische Songs schreiben!
Dieser weltfremde Chor am Anfang von 'Home', dann dieser unschuldige Umbruch in das "typische" Power-Trio-Rockmuster. Ein erschlagender Bass, knallender Schlagzeugrhythmus, tieftrockene und verklebte Gitarrenriffs und diese unglaubliche Stimme. Man könnte meinen, dass man die ganze Zeit zu Sheppard unwürdig aufsieht, während er eine gefühlvolle Predigt nach der andere abfeuert. Unglaublicher Charisma der hier wirkt. Mir ist kein Sänger bekannt, der auch nur im Ansatz vergleichbar ist, diese rohe Ausdruckskraft besitzt und der von innen unter der Haut kitzelt.
Und dann, Ladies and Gentlemen, folgt mit 'It's All Over' der beste Song, der das Thema des Titelnamens am authentischsten vertont hat.
Sheppard hat mit diesem Song Engelsmusik aus dem Himmel auf die Erde gebracht. Abschied von der Welt nehmen ist noch nie so einfach gewesen, natürlich um sich nun endgültig dieser verzaubernden Musik hinzugeben. Diese gezupfte Gitarre ist für mich der größte eingefangene Musikmoment der 90er Jahre. Was für abartige musikalische Genies das waren.
Mit 'Temptation' gibt's die musikalische Kahlrasur. Noise, wundenerweiterndes Basswummern, spacige Windstöße und hypnotisierendes Drumming. Dann wieder Leid und Tristesse. Sheppard flüstert, bettelt, leidet, schreit - Verzweiflung in Musik, Text und Stimme. "Why is your sky always so much bluer than mine / You look to your sky and say look how beautiful / And I look at these walls and scream". "Let me out, out, out - Let me out, out, out ...". "And if your walls should ever come falling / I'd understand, yes i'd understand / Because mine already has". "Let me out, out, out, out, out, out, out ...". 'Out' schmerzt regelrecht an Intensität. 'Ego' ist wieder so ein zähflüssiger Düsterrocker mit peitschendem Schlagzeug, sandigen Gitarrenriffs und einem Fundament aus brachialer Bassgewalt. Den Brennstab dieses Musik-Kernreaktors bildet das knapp 17-minütige 'Seven'. Eine gewaltige musikalische Bergkette aus verkrusteten Gitarrenriffs, mitreißenden Gesangserlebnissen, Tempovariationen, anmutigen Gitarrenmelodien- und Harmonien, dröhnenden Schlagzeugbetonungen, verschwommenen Basshypnosetherapien und verschrobenen Jamexperimenten mit Blechblasinstrumenten.
'Purity' leitet dann sehr experimentell den Schluss des Albums ein. Eine Akustikgitarre, sanfte Klassik, flüsternde Stimmen aus dem Hintergrund, Cello und Violinen. Dann wieder Schlagzeug, Bass und Gitarre. "If I show you the truth will you show me the beauty / If I show you the pain will you show me the purity / If I show you the scars will you show me yours". "It's the same all over - It's the same all over - You were never there - You were never there". Aus. Schluss. Dunkelheit. Nichts.
'The Piano Song' hinterlässt mich als geschwächten Tränenmann, gebrochen und überwältigt.
"Scenes From The Second Storey" habe ich Ende der 90er unbewusst in einem An- und Verkauf wegen dem interessanten Cover für weniger als 10 Mark mitgenommen, wenig beachtet und erst Jahre später angehört. Es sollte sich zu einem der wenigen von mir als perfekt bezeichneten Alben entwickeln und mich wie kaum ein Album zuvor und bis heute so ergriffen und aufgewühlt zurücklassen, wie es diese drei Übermusiker erreicht haben.
Mit "One Last Laugh in a Place of Dying" erschien ein Jahr später das zweite und letzte Album, da Bassist Jimmy Fernandez kurz nach den Aufnahmen verstarb. Sheppard gründet daraufhin die Band SOPHIA. Beide Alben von THE GOD MACHINE sind bis heute jedoch unerreicht, tauchen aber ab und zu ganz minimalistisch im Sound von TOOL wieder auf, wie zumindest ich es empfinde.
"Scenes From The Second Storey" gehört heute zu meiner ersten Wahl, wenn ich meine Musikbesessenheit erklären soll. Dieses Werk ist für mich eine der wenigen Definitionen von ergreifend guter Musik.

Dystopia - Human = Garbage


Intensive Musik gibt es genügend, hässlicher und schmerzhafter intensiver Verstands-Terror hingegen ist eine musikalische Seltenheit.
DYSTOPIA spielen ganz weit unten im menschlichen Abschaum mit, wenn es um lustvolle Schmerzen und zugefügtes Leid geht. Diese Zusammenstellung aus einer EP und zwei Split-Veröffentlichungen aus den Jahren 1992 und 1994 gehört zu den wirkungsvollsten Folterinstrumenten aus meinem Hobbykeller. Nebenbei bemerkt, geht der Preis für den wohl besten Titel eines Musikalbums an DYSTOPIA.
Auf "Human = Garbage" gibt es keine Gnade, keinen einzigen hübschen Ton, keine noch so kleine Melodie oder "menschlichen" Gesang. Leidensharmonien aus den tiefsten menschlichen Abgründen, einmalig asozial eingespielt und von jedem Musiker verkörpert und gelebt, dabei hässlich und abstoßend wie es nur geht. Ohne doppelten Boden und nichts zum festklammern. Freier Fall. Ein ekelhaftes und stinkendes Gebräu aus kaum verdauter saurer Kotze aus der Nase, Sludge, heißem Eitergrog, Punk, undefinierbaren Rentner-Sekret-Ausscheidungen, Crust, tiefdunklem und extrem bitterem Ohrenschmalz und leicht unterschwelligem Grindcore mit fauligem Verwesungsduft.
Im schleppenden Tempo wüten und hacken sich DYSTOPIA durch die grausamen Songs, die oft mit hochfantastischen Samples daherkommen und von verstörendem Kreischen, barbarischem Brüllen und bestialischen Selbstverstümmelungsschreien der verschiedenen Bandmitglieder zu endgültigen und brauchbaren Foltermethoden empor steigen.
'Stress Builds Character' pisst blutigen Urin auf alle BETHLEHEM-Veröffentlichungen. Dieser extrem rohe Songanfang mit diesem Bass voller Tristesse, diese todesnahe und hauchdünne Gitarre aus dem Totenreich und dann der einsetzende Todeskampf, welcher immer bedrohlicher und lauter wird und die Pulsader anschwellen lässt:
"I am so tired.
Sometimes I feel so tired.
I can't eat, I can't sleep.
So tired.
The pressure builds and builds.
Seems like theres no release.
The things I see go unnoticed by some.
Fills my eyes and heart.
Anger and guilt and frustration.
And depression makes waking up every day harder and harder.
Where's my fitness to the world with my chance to survive.
I got to get money so I can have a home.
So I can breathe, eat and live in this society.
I don't even like money,
And I got to work everyday just to feed myself.
God it makes me sick.
I just wanna curl up into a hole and die in this.
This isn't worth it.
I need a raise man!
I can't survive on this faith anymore.
I can't live on this.
I'm hungry.
And I've had service,
And I can't eat daddy.
God I am the creator of hell.
And I have seen all hell,
And I have seen no arms, no limbs no brains.
You don't care, you don't love me!
I only love myself.
No one will love me like I love thee."
Wie ich damals geschwitzt habe, als ich den Song zum ersten mal gehört habe. Ich glaube, dieses Stück gehört zu den intensivsten Songs, die ich kenne. Depression auf höchster Perfektion eingefangen, pure Selbstzerstörung und musikalischer Suizid. Der zweite Teil des Songs ist dann konzentrierte seelische Grausamkeit. Es wird geschrien, Blut und Magensäure bis zum Zusammenbruch ausgespuckt, geschrotet und gewalzt bis die Gedärme zerquetscht sind und dabei alles vergewaltigt und gnadenlos geschändet wird, was Ohren hat.
Mit 'Hands That Mold' gibt's dann feiste Snare-Action in einem schweinischen geilen Sound. Wie wunderbar schwer dieser Sound ist und dann wieder diese total abgefuckten Schreie und Textzeilen wie: "Industry fucks nature like some kind of whore". Jeder Song besitzt dieses Unbehagen, diese kranke Atmosphäre und abgrundtiefe Selbstzerstörungswünsche. Das Ding ist scharf und gefährlich, beinhaltet extrem verstörende Texte und ist in seiner Intensität wahrlich einzigartig und eigenartig. Ich höre das Ding eigentlich relativ selten, da es einem wirklich den Tag versauen kann, aber oberflächlich betrachtet, und das mache ich jetzt einfach mal, ist "Human = Garbage" wirklich abschreckender menschlicher Abfall in Ton gepresst. Doch, ja, ich liebe dieses Werk und die Texte ganz hart!

Assault on Precinct 13



Regie: John Carpenter, 1976

John Carpenter, Kultregisseur und stilprägende Ikone der 70er Filmkunst, hat mit "Assault on Precinct 13" neben seinem unumstößlichen Oberkultklassiker "Dark Star" (der hier irgendwann auch noch gesondert besprochen wird und bei mir eine ganz besondere Stellung einnimmt), für mich einen bis heute kaum erreichten mental geilen und einzigartigen Action-Klassiker der Filmgeschichte gedreht.
Es gibt in dem Film so manche Szenen, die auch heute noch in die Ewigkeiten der Filmlandschaft fest eingebrannt sind, die bei jedem wirklichen Filmfan die Augen triefen lassen. Oft nur auf die auch für heutige Verhältnisse noch sehr drastische und in seiner unvorbereiteten Art extrem brutal wirkende "Eiswagen"-Szene reduziert, bietet dieser Film einfach so viel mehr.
Der aus meiner Sicht vielleicht wichtigste Punkt ist, dass "Assault on Precinct 13" eben kein typischer Actionfilm ist und dazu noch ein rundum perfekter Carpenter.
Die Stimmung ist über dem ganzen Zeitraum zutiefst düster und überaus spannend, Carpenter beschwört diese schon fast wie ein Ritual. Die Geschichte ist dabei sogar komplett unwichtig und auch nicht gerade die große Stärke, wenn man denn nach Kritik sucht, aber die ganze Inszenierung des Films stellt bis heute aus meiner Sicht die größte Meisterleistung von John Carpenter dar. An was das liegt, kann ich noch nicht einmal genau sagen.
Was ich allerdings behaupten kann, ist, dass der Film vielleicht zu über mehr als 50% von seinem alles in den Schatten stellenden und mit Glanz und Gloria überragenden Score, vom Gottmeister übrigens wie gewohnt höchstpersönlich eingespielt und komponiert (das muss man sich mal in der heutigen Zeit vorstellen, dass der Regisseur fast an allem selbst Hand angelegt hat (und dies war damals schon eine Seltenheit), denn nebenbei hat Carpenter auch noch das Drehbuch geschrieben und selber mit der Schere angesetzt), lebt und bis heute fasziniert.
Das Main Theme gehört bis heute zu meinen Top 3 der besten Filmscores, die von einem Menschen komponiert wurden, vielleicht sogar die einsame Nummer 1. Dieser stille, aber bereits unruhige Anfang, der Einsatz von diesem fremdartigen Megabasston, was immer das auch ist, und dann dieser nächtliche übernatürlich harmonische Synthesizer-Angriff auf die Sinneszentrale, ist musikalische Gottheit. Nichts anderes als unverfälschte Genialität, die mit den einfachsten Mitteln direkt aus Carpenters Kopf auf einem Instrument(e?) übertragen und vertont wurde. Tut mir leid, aber in diesem speziellen Fall halte ich Carpenter für das, was man allgemein als Genie bezeichnet und was vielen Songschreibern abgeht.
Nebenbei muss ich auch noch mal seine beispiellose Leistung als Regisseur hervorheben, denn gerade mit seinen beiden ersten Filmen hatte Carpenter für mich vielen (technisch besseren) Regisseuren etwas weit voraus: er war ein so unglaublich einfallsreicher und irre kreativer Selbstdenker, dass er selbst mit einem Nicht-Budget aus etwas, was überhaupt nicht denkbar ist, etwas großartiges gemacht hat. Als Beispiel führe ich immer wieder die grenzgenialen Dialoge, das "Alien" (!) und einen der besten Filmenden aus "Dark Star" und eben die "Eiswagen"-Szene, die Gottmusik und die einmalige Stimmung aus "Assault on Precinct 13" auf.
Und wer auch nur etwas auf sich hält, sollte nicht nur "Halloween" (unbestritten ein Klassiker und "A Nightmare on Elm Street" und "Friday the 13th" so lächerlich überlegen) und "Escape from New York" kennen, sondern vorrangig "Dark Star" und "Assault on Precinct 13", die bis heute zu meinen ganz hochgeschätzten Lieblingsfilmen gehören. Und ich merke schon, dass ich Carpenter noch viel öfter hier "verwenden" muss.

Achtung! Finger weg von dem gottlosen Remake aus dem Jahr 2005. Schlimm genug, dass man so einen Film überhaupt schänden muss.

Suicide - Suicide

Suicide-Suicide

Trübe Synthiewolken, klagende elektronische Beats, verkümmerte Harmonien mit einer LSD-Fahne und eine verzehrte, fletschende Stimme mit nässenden Nervenenden. Auf dem 77er Debüt der beiden Musikgeschwüre Alan Vega und Martin Rev, geben sich katastrophale Songstrukturen mit tanzbaren und ungewöhnlichen Melodien die Hand.
Dabei ist "Suicide" nicht eine Sekunde eine "Stimmungsbombe", sondern schon eher das komplette Gegenteil. Endzeitstimmung und Horrormilieu bilden das Grundkonzept der eigenartigen Musik. Dominiert vom Drumcomputer und Martin Revs stechenden und zynischen Keyboardfanfaren, schreit, flüstert, spricht und halluziniert sich Alan Vega mit seinem geisterhaften Gesang entfremdet durch sieben Prä Post Industrial Punk-Hymnen aus der Unterwelt.
Das psychopathische Gewimmer und die übersteuerten Schreie von Vega erzeugen dabei einen lebhaften Besuch in der Drogenhölle, wobei Rev mit seinem Elektroniktheater einen neurotischen und eiskalten Klangschrecken inszeniert.
Das Album ist für das Jahr 1977 unglaublich mutig, fortgeschritten, erschreckend und angenehm düster. Dabei wird das Album noch von einem eher eingängigen Hit wie 'Ghost Rider' eröffnet, in dem sich besonders die Keyboards durch den Sound fräsen, unterlegt vom treibenden Beat und Vegas drohender Stimme. Danach eröffnet das Album seine einzigartige Wirkung, seine stimmungsvolle kranke Atmosphäre und den bewusst stolzen Pioniergeist, der nicht nur die Musik bestimmt sondern auch in den ungewöhnlichen Texten zu finden ist. 'Frankie Teardrop', eine 10-minütige Nachthitze, ist der pulsierende Höhepunkt auf dem Album und gehört zu den wichtigsten Songs des ausgehenden Jahrzehnts.
"Suicide" ist eines dieser wenigen Alben, die man als wirklich revolutionär, jahrzehntelang einflussreich, abenteuerlich und künstlerisch wertvoll ansehen muss, dabei aber nicht zu verkaterte und uncharismatische Musik enthält und sich bis heute seinen Charme aus Eigenartigkeit und Neugierde erhalten hat. Einfach, zugänglich und schön ist die Musik allerdings nicht - aber wer bitte will denn schon so etwas?

Dienstag, 11. Februar 2014

Roxy Music - Roxy Music

Roxy Music - Roxy Music
Wonderman Bryan Ferry und seine Mitmusiker, darunter so unbekannte Namen wie Paul Thompson, Brian Eno oder Phil Manzanera, haben der Menschheit zusammen mit ROXY MUSIC nicht nur weltbekannte Hits hinterlassen, sondern 1972 die Musikwelt ordentlich in den Arsch getreten. Wenn man die durchweg tollen Popwerke mal außen vor lässt, also alles was nach "Roxy Music" erschien, gehört das Debüt zu einem der einflussreichsten Prototypen von allem, was gute Musik ausmacht. Nicht nur der extreme Einfluss auf den Punk, sondern auch auf Komposition, Kreativität, Anspruch, Freiheit (heute unbezahlbar im "Musikbusiness"), Niveau und der eigenen Grenzenlosigkeit. Und ich verwette meinen frühmorgendlichen Schlüpfer, dass ein gewisser Bruce Frederick Joseph dieses Album ganz oft gehört hat.
Mit Andrew Mackay hatte man sogar noch einen herrlich verrückten Saxophonist in den Sound integriert. Und als ob die Hochzeit des Progressive Rocks 1972 nicht schon genug Meisterwerke ausgespuckt hätte, wurde heimlich, still und leise mit diesem Debüt ein Meilenstein der Rockgeschichte zwischen ELP-Bombast, Yes-Größenwahn und Genesis-Traumlandschaften veröffentlicht, der gleichzeitig Punk, Pop, Rock, Glam und Prog war.
Schrill, schräg, manchmal nervig, oft anstrengend aber immer großartig. Die Musik auf diesem Album kann man auch sehr schwierig beschreiben. BOWIE trifft auf "Fun House" von THE STOOGES und reitet auf dem T-REX zu den "Comic-Songs" von ELP zurück in die 60er, um sich vom Wegweiser "Revolver" zur LSD-Gruppensex-Party bringen zu lassen.
Sicherlich ist hier nicht jeder Song zwingend, aber alleine wegen dem Opener 'Re-Make/Re-Model', ist das Gerät für mich unsterblich geworden. Weitere Wahnsinnstaten sind 'Virginia Plain' - ein lupenreiner Tanzhit, 'If there is somethin' - Bryan Ferry muss seinen Gesang im Irrenhaus aufgenommen haben und 'Sea Breezes' - das Meisterwerk auf dem Album. Nicht zu unterschätzen ist auch die revolutionäre Technik, die Brian Eno hier verwendet und wie er damit wie kein anderer umgeht. Nur auf seinen bahnbrechenden Solo-Werken war er noch (viel) besser.
Nichtsdestotrotz, ist "Roxy Music" aber ein klassisches Band-Album und eines der wichtigsten Abbilder aus dieser musikhistorisch wichtigen Epoche. Auch wenn für mich persönlich immer dieses psychopatische Wimmern von Bryan Ferry auf diesem Werk an erster Stelle steht. Übrigens genau so ein Halbgott für mich, wie David Byrne. Wobei ich mir immer einrede, dass Ferry der ältere Bruder von Byrne sein muss. Typen (!), die leider so gut wie ausgestorben sind.

Montag, 10. Februar 2014

Nirvana - Bleach

Nirvana-Bleach

Gleich vorneweg: ich bin überhaupt kein NIRVANA-Fan, halte "Nevermind" für eines der arrogant überschätzten Musikwerke überhaupt und kann auch bis heute nicht verstehen, wie so ein Stümper wie Cobain es geschafft hat, dass er in einem Atemzug zusammen mit den Größen der Rockmusik genannt wird.
Aber anstatt hier über ein belangloses Werk herzuziehen, wo doch wirklich schon jeder sein Maul dazu einschläfernd geöffnet hat, möchte ich lieber kurz und knapp auf das relativ unbekannte Debüt eingehen, weil es für mich halt auch das einzige NIRVANA-Album ist, dass in seiner urigen Eigenart schon fast als cool zu bezeichnen ist.
Noch ohne David Grohl, stümpern sich Cobain, Novoselić und Channing durch 13 wahrhaft schlechte Amateur-Songs, die aber durch die jugendliche Energie, die übrigens von Produzent Jack Endino unverändert auf dem Album beibehalten wurde und nicht wie auf "Nevermind" von Butch Vig am Bügelbrett ohne Grund brav glatt- und kaputtgebügelt wurde, einen nicht wegzudiskutierenden Charme besitzen. Endino hat hier übrigens einen wirklich fantastischen Sound geschaffen, den ich gerne (öfter) mal in dieser Art bei anderen Bands hören würde. Ich bin aber auch hart Fan von diesem Sound. Vertonter Dreck, widerliche Direktheit, hässlicher Dilettantismus.
Allerdings hatten SOUNDGARDEN ein Jahr zuvor schon mit "Ultramega OK" kleine Standards gesetzt, an denen bereits in einer besseren Welt NIRVANA immer hätten knabbern müssen, aber es kam halt wie immer ganz anders. Klammert man den ganzen aufgeblasenen Rummel aus, den "Nevermind" 1991 auslöste und ironischerweise den letzten großen "Star" der Musikgeschichte bis heute hervorgebracht hat, ist "Bleach" ein tolles kleines Underground-Werk, was in meiner diffusen Welt für seine Verhältnisse völlig super klingt.
Straffer (Hard) Rock und ganz leichte Metal-Einflüsse ohne Sinn und Verstand, dafür mit Spaß und einer fast schon bewundernswerten Leichtsinnigkeit, werden auf "Bleach" unbekümmert ausgelebt. Hits sucht man vergeblich, genauso wenig findet man eingängige (Radio) Songs. Anspruch scheidet völlig aus.
Mehr fällt mir jetzt auch nicht zum Album ein, ist halt eigentlich auch schon eher unbedeutend, für mich aber nach wie vor das einzige Werk von Cobain, welches ich mir ohne Hirnschmerzen anhören kann und auch gute Laune dabei bekomme.

Samstag, 8. Februar 2014

Waltari - So Fine!

Waltari-So-Fine!

"So Fine!" habe ich erst kürzlich für mich wiederentdeckt, gute 10 Jahre nicht mehr gehört und wie damals in den Neunzigern habe ich mich zappelnd und willig diesem Dopamin-Ansturm unterworfen.
Wie gut das Album auch heute noch klingt; frisch, unverbraucht, mitreißend und glücklich machend - überzogene Dekadenz, verpackt in einer der für mich besten (Metal) Produktion, die in den 90ern realisiert wurde.
Der Sound, entstanden unter Mikko Karmila und der Beihilfe von WALTARI selber, hebt sich nicht nur durch seine glasklare, druckvolle und ausbalancierte Feinheit ab, der zudem passend die Moderne und den einzigartigen und sehr schrägen Crossover-Charakter fantastisch betont, sondern ist eine dieser typischen Produktionen, die man wohl als zeitlos bezeichnet. Spontan fällt mir da nur noch "Angel Dust" von FAITH NO MORE als Vergleich ein.
Im Grunde genommen ist "So Fine!" ein unberechenbarer Überraschungstrip, vollgestopft mit kreativen Ideen, genreübergreifenden Stilvermischungen und brachialer Rücksichtslosigkeit und degradiert eigentlich so jede progressive Schlagerkapelle, die in den Neunzigern Ekel erzeugten, zu Komapatienten. Auf "So Fine!" wird dies wie bei kaum einem anderen (Kunst)Werk aus dieser Zeit enthüllt und gnadenlos zur Schau gestellt. Sinnlich, frech, verspielt, neugierig, ballaststoffarm, funky, ohne Regeln und komplett fetzig - eben ein knallbunter musikalischer Kindergarten, wo der Fantasie keine Grenzen gesetzt werden.
Mike Patton knattert der besoffenen Alten von 2 UNLIMITED auf einem Bravo-Meeting unter einer Überdosis Koffein den nächsten großen Dancefloor-Hit bis unter die Schädeldecke, rutscht wegen den vielen Rhythmuswechseln des Ficksoundtracks, für den sich VOIVOD verantwortlich zeichnen, aus Versehen in den Auspuff von Anita Doth, die explosionsartig kreischt wie am Spieß (lölchen), wobei Mike Patton erst dadurch zu seinem Lebenswerk FANTÔMAS inspiriert wurde, vorher noch das Gestörten-Monstrum "Disco Volante" veröffentlicht, wo er diesen Moment seelisch verarbeitet und noch Jahre später Shane Embury von NAPALM DEATH von diesem Erlebnis erzählt, wie Grindcore eigentlich wirklich funktioniert.
Eine scheinbar kleine unbedeutende Geschichte, die aber scheinbar einige Wellen auslöste. Man könnte sich natürlich auch stundenlang auf den wohl geilsten Metal-Tanz-Hit der 90er stürzen, den Aufbau auseinandernehmen, den Refrain studieren, über den fantastischen (Jung)Frauenchor philosophieren und jede Ohrwurmmelodie bereitwillig folgen. Oder man bestaunt 'A Forest', eine der besten umgesetzten und mit eigenem Duft versehenen Coverversionen, die ich irgendwo auf einem Album gehört habe. Aber WALTARI können halt noch so viel mehr. Ob es völlig überzogene Comic-Lieder wie 'Piggy In The Middle' sind, Tanzflächenfüller wie 'To Give', Seilhüpfsongs wie 'Mad Boy' und 'The Beginning Song', die Psychoanalyse 'Autumn', mächtige Eurodance-Zitate wie 'Rhythm is a Cancer' oder das verstörende und abschreckende Abschlussmonster 'Mysterious', wo noch mal alles aus der Anstalt WALTARI aufgeboten wird - "So Fine!" gehört zu eines der wasserdichtesten, wichtigsten und befreiendsten Meisterwerken, was dem Heavy Metal in den 90er Jahren passiert ist.
Gibt's heute solche Kreativkinder eigentlich noch in der "Szene"?

Freitag, 7. Februar 2014

C'est arrivé près de chez vous (Man Bites Dog)

C'est-arrivé-près-de-chez-vous-(Man-Bites-Dog)
Regie: Rémy Belvaux, André Bonzel, Benoît Poelvoorde, 1992

Da ich diesen Film immer nenne, wenn es um gute, eigenwillige und besondere Filme geht, habe ich mir gedacht, dass ich jetzt einfach mal meinen (heimlichen) Lieblingsfilm nochmal auseinandernehme und hier vorstelle.
Um was geht es?
In "Man Bites Dog" wird ein Berufskiller tagelang von einem Kamerateam begleitet, dabei entsteht der Eindruck, dass es sich um eine Dokumentation handelt. Zwischen dem Killer Benoît, der grandios von Benoît Poelvoorde gespielt wird, und dem Reporterteam, entsteht mit der Zeit eine Art Freundschaft, die so weit geht, dass die Filmemacher sogar aktiv Benoît unterstützen. Das ist die grobe Rahmenhandlung dieser einzigartigen "Mockumentary". Der Film gilt als einer der "billigsten" Filme Belgiens, was man ihn aber zu keiner Sekunde, und selbst über 20 Jahre später, ansieht. Das liegt zum einen daran, dass der Film in schwarzweiß gedreht wurde, grobkörnig und gefühllos, und zum anderen, dass der Film sich zu 95% mit dem Killer beschäftigt und eigentlich so gut wie immer Benoît im Bild ist. Das hätte natürlich extrem in die Hose gehen können, aber wie Benoît den Film trägt, ist in dieser Weise unerreicht. "Benoît ist unser europäischer De Niro", so André Bonzel, einer der drei Regisseure des Films. Kann man mal im Raum stehen lassen.
Der Film schockiert, ist brutal offen, kennt kein wirkliches Tabu, oft geschmacklos, unangenehm, faszinierend und bitterböse.
Ja, der Film ist richtig böse und fies. Aber: "Man Bites Dog" ist auch wahnsinnig fesselnd und unterhaltsam, er ist lustig und erstickt förmlich an seinem zynischen Schwarzhumor, lässt einen nicht mehr los, nachdem man den ersten Mord, der sofort in den ersten Sekunden am Filmanfang stattfindet (um gleich zu wissen, mit was man es hier zu tun hat) überlebt hat. Eine Minute später erklärt Benoît, vor einer Leiche kniend, mathematisch wie man eine Leiche ordentlich mit Gewichten ausstattet, um sie im Wasser zu versenken. Dabei geht er tiefer ins Detail und erklärt den Unterschied zwischen erwachsenen Menschen und Kindern (sie sind ja leichter) oder Zwergen. Bei älteren Menschen sind zudem die Knochen porös, dass muss man alles beachten und berechnen. Alleine dieser ca. knapp 40 Sekunden-Dialog von Benoît hat mich damals komplett aus der Lederhose geschossen. Mit welcher Normalität er ohne auch nur mit der Wimper zu zucken diesen Vortrag hält, ist nicht nur unglaublich bitterböse komisch, sondern gleichzeitig auch eiskalt.
Benoît ist ein ständig plappernder Erzähler, der aber zu keiner Sekunde nervig wirkt - man hört Benoît mit einer Faszination zu, ohne zu bemerken, dass da gerade eigentlich ganz schlimme Dinge erklärt werden und Szenen ablaufen. Zudem ist der Killer kein Hollywoodbild, er ist kein künstlicher Charakter. Ein dünner, unauffälliger Mensch - bodenständig und natürlich. Hier werden keine Klischees bedient.
Und das ist meiner Meinung nach auch die größte Stärke des Films. Diese Dialoge, Vorträge und Geschichten von Benoît, die er unzensiert in die Kamera rotzt. Dabei philosophiert er auch oft über normale Dinge im Alltag, spricht über Armut und Politik - in diesen Momenten ist er ein Mensch, keine Bestie.
Der Film hat unglaublich viele Szenen-Highlights und "ruhige" Dialogteile. Meine Lieblingsszene spielt in einer Kneipe, wo er am Tisch einen Mist zusammenredet, aber seine Aussagen wie Poesie herüberkommen. Oder die Szene, in der Benoît einen Farbigen ermordet ("Ein schwarzer Nachtwächter. Das ist nicht nur hinterhältig, das ist ekelhaft. Nur damit man ihn nicht sieht.") und gleich darauf das Kamerateam auffordert gemeinsam DAS Geheimnis zu lüften. Dieser Kontrast zwischen knallharten Bildern und urkomischen Kommentaren, macht den Film nicht nur ungemein interessant, sondern man ertappt sich selber bei seinem Voyeurismus. Und die knallharten Szenen sind dann auch wirklich beängstigend schonungslos. Es gibt Szenen, da möchte man den Film eigentlich nicht empfehlen. Ein Kindermord und der krasse verstörende Wendepunkt in dem Film: eine (Gruppen)Vergewaltigung, die den Zuschauer direkt in das Wachkoma schickt. Wer sich bei "Irreversibel" übergeben hat, wird hier seinen Tod finden. Allerdings würde man dann auch den für mich großartigsten Film der 90er Jahre verpassen. Es wäre einfach unfair, dass man den Film auf diese (wirklich wichtige) Szene reduziert, denn erst dadurch verliert man diese unwirkliche hohe Sympathie an der Hauptfigur. Man erkennt plötzlich brutal, mit was man es hier zu tun hat.
Ich weiß nicht wie oft ich den Film schon gesehen habe, Freunden gezeigt habe (die bisher immer begeistert waren) und immer wieder über groteske Situationen gelacht habe, wo es eigentlich nichts zu lachen gibt. Ein Film, der die angeblichen fiesen Filme von Haneke und von Trier in den Schatten stellt und sie wie Romatikkomödien erscheinen lässt.
Ein Quentin Tarantino vergöttert diesen Film, es ist einer der wenigen Filme, die man als wirklichen Kult bezeichnen kann, eine einsame Perle an Ideenreichtum, Kreativität und monströs guten Dialogen. Der Film wurde zum Glück letztes Jahr ungeschnitten über Arthaus / StudioCanal auf DVD veröffentlicht und hat zudem ein kleines Begleitbuch mit Hintergrundinformationen und einem Interview beiliegen. Heute ja eine Seltenheit. Die Synchronisation ist übrigens sehr gelungen.
"Man Bites Dog" - Der einzige Film, den ich auch ohne Pistole an der Schläfe nennen würde, wenn es heißt: 1 Film, den man gesehen haben muss!?

Donnerstag, 6. Februar 2014

Scott Walker - The Drift

Scott-Walker-The-Drift

Was ist das dunkelste, verstörendste und düsterste, was ihr an Musik gehört habt? Genreunabhängig. Multipliziert das mit allen Dämonen, die in der Hölle leben und stellt euch vor, diese haben einen Musiker auf den Grund des Marianengrabens verbannt, der dort, ohne Hilfsmittel und Licht, in seinem Kopf ein musikalisches Abbild von Schwärze formt, welches die Menschheit vorher und bis heute noch nie gehört hat. Tote Babies fliegen mit heraushängenden winkenden Innereien durch die Luft.
Oder stellt euch vor, solche Typen wie Fritz Haarmann, Andrej Tschikatilo, H. H. Holmes, Ed Gein, Karl Denke, John Wayne Gacy, Albert Fish, Nikolai Dzhurmongaliev und Jeffrey Dahmer haben sich zu einer Big Band zusammengetan, um ihre Hirnaktivitäten in die Form von Musik zu transformieren, die von Charles Manson dirigiert wird. Weinende Mülltonnen rollen durch menschenleere Gassen.
"The Drift", meine Damen und Herren, ist das schwärzeste Stück Musik, was ein Mensch bisher erschaffen hat. Aber erst wenn Steckdose und Finger heiraten, ist das rohe Fleisch gar. "The Drift" geht weit über normale Musik hinaus, ist mir das einzig bekannte Album, welches völlig losgelöst in der Musikgeschichte nicht messbar ist, keine Vergleiche erlaubt und auch das einzige Werk, mit dem ich mich schon seit Jahren beschäftige und immer noch nicht begreife. Blutender Stuhl läuft stückig, sämig und unverdaut wie warmer Matsch den Oberschenkel herunter.
Hatte ich auf dem nicht weniger seelenzerstörenden Angstalbum und Todesritt "Tilt" von 1995 doch noch Zugang gefunden, ist mir dieser auf "The Drift" immer noch nicht gestattet. Schmerzende Parodontose-Wut im Zahn legt empfindliche Nerven frei.
Dabei ist "Tilt" schon ein Machtmonster unaussprechlicher Ängste und vielleicht sogar das größte und einzige beste Werk der 90er. Irrlichter werfen schwarze Schatten.
Scott Walker, der bekannte Unbekannte, Visionär und Revolutionär und ehrfürchtig geschätzter und respektierter Künstler von allen musikalischen Größen, ist ein alleiniges und schwer zu begreifendes Genie, welches sich Hörgewohnheiten, Musikstrukturen, Rhythmus, Harmonien, Melodien und Klangvorstellungen entledigt und Musik als solche auf ein neues Level gehoben hat. Schwellkörper und Portio erkranken. Seine Vorstellung von Musik, kann man, wenn man mit normalen Vergleichsmustern vorgeht, noch nicht einmal als solche bezeichnen. Glühend heiße Nadeln unter den Fingernägeln beflügeln die Sinne. Man muss sich nur mal die Liste an Gastmusikern betrachten, was überhaupt an Instrumenten aufgefahren wird (Schweinehälfte-Drumming for the fucking win!), welche Breite an extravaganten Klängen auf dem Album herrschen. Aus meinen Körperöffnungen läuft eitrige Säure. Schmerzende Abgründe, vertont und von Scott Walker "grauenvoll" bejammert. Der Selbstverstümmelung untergeordnet und das pulsierende Blut ist längst verfault.
Moderne Musik, zähe Kakophonie, herausfordernd und beängstigend abweisend. Gefangen in einer stinkenden Grube. "The Drift" ist schwer - schwer zu begreifen und schwer von seiner Außergewöhnlichkeit. Gebrochene Glieder lassen den Körper sarkastisch zusammenfallen. Scott Walkers Bariton-Stimme ist ätzend und nervenzehrend, verhindert schon mit dem opernhaften Opener 'Cossacks Are', dass man es mal mit der Musik "versucht". Applaus aus dem Irrenhaus. Ganz oder gar nicht. Blutstillende Schwellungen zerplatzen garstig. Die vollen 69 Minuten einen psychischen Untergang ertragen und hilflos in die Tiefe stürzen, begleitet von Ekel, Abneigung, Terror und Qualen. Von Musik vergewaltigt und durch die eigenen Ausscheidungen geschwängert. Lässt man sich allerdings darauf ein, erweitert seinen (musikalischen) Horizont und überlebt diese Architektur aus Schmerz und Angst, könnte man eine neue Ansicht auf Musik erfahren. Entfachte Seelenernte, gnadenlos und bizarr. Natürlich kann das auch bitter in den Feinripp kleckern, da es ja so "gewollt künstlerisch" klingt, eiskalt, abstoßend lustvoll und steril wie ein Spekulum und so ästhetisch wie ein medizinischer Abstrich. Die Falle schnappt zu, man ist befallen.
Für mich jedoch ist "The Drift" nichts weiter als das mächtigste und finsterste Stück Musik des letzten Jahrzehnts, ein einsames Werk, welches sich von der Zerstörung und dem Verfall menschlicher Rationalität grausam ernährt. Der kichernde Darm platzt, leprakranke Würmer teilen sich. NEUROSIS, TOOL, TRIPTYKON, SWANS - alles Firlefanz!
"The Drift" ist das vernichtende Echo einer Drogen-Überdosis, aphrodisierende Diarrhö, die unersättliche Entleerung des Mageninhaltes und eine grenzenlose brennende Blut-Sperma-Fontäne. Gebacken im Ofen der Unterwelt und mit dem Leichenwagen an die Oberfläche befördert
"I'll punch a donkey in the streets of Galway." "Polish the fork, and stick the fork in him."

Mittwoch, 5. Februar 2014

Talking Heads - Remain in Light

Talking Heads - Remain in Light
Wen man mir heute eine Frage zu den besten Alben der Populärmusik stellen würde, würde “Remain in Light“ von mir wahrscheinlich gar nicht erwähnt werden, weil das Werk so gut ist, dass ich es schlicht vergessen würde, das Werk zu nennen.
Dabei gehören die TALKING HEADS mit ihren ersten vier Alben “Talking Heads: 77“ (1977), “More Songs About Buildings and Food“ (1978), “Fear of Music“ (1979) und besonders das hier gepriesene Lichtwerk zu meinen Musikgöttlichkeiten, auf die ich niemals verzichten möchte. Wer es nicht erkannt hat, die Band um den Chefdenker und Kreativkaiser David Byrne, hat innerhalb von 4 Jahren vier Großartigkeitswerke hintereinander veröffentlicht, von denen “Remain in Light“, von der Band auch selber nicht wieder übertroffen, als eine der mächtigsten Musikrevolution der achtziger Jahre durchgeht.
Der für die Band so typische und doch einzigartige Stil aus Post-Punk und New Wave, wurde auf jedem Werk immer weiterentwickelt, bis diese Entwicklung auf “Remain in Light“ den Höhepunkt erreichte und mit afrikanischen Rhythmen, Weltmusik-Offenheit und einem mitreißenden Funkfundament alle Grenzen gesprengt hat, die damals noch nicht einmal vorhanden waren.
Neben David Byrne, der für mich zum Kreis der unterbewertetsten Künstlern im Musikgeschäft zählt, hat auf dem Album ein ganz großer Gitarrenpsycho einen unvergesslichen Auftritt, der in die Musikgeschichte eingegangen ist.
Adrian Belew bereicherte nicht nur den Sound von TALKING HEADS, sondern schießt das ohnehin schon ungeheuer atemberaubende komponierte Album mit seinem markanten Gitarrenstil in Sphären, die ich mit meinem Wortschatz kaum bis schwer ausdrücken kann. Dabei ist es nicht nur sein auf dem oberflächlichen Höreindruck chaotisches Gitarrenspiel, sondern auch sein Sound, der so fieberhaft in den einzelnen Songs brennt. Und damit hier nicht der Eindruck entsteht, dass Belew der herausstechende “Star“ auf “Remain in Light“ ist, was er zwar ist, aber nicht aufdringlich wahrgenommen wird, muss natürlich auch noch die zuckersüße Tina Weymouth erwähnt werden, die mit ihrem berserkerhaften aber dennoch zarten Bassspiel viele männliche Kollegen hinter sich lässt. Eine Geddy Lee in hübsch und mit Busen, um den extrem hinkenden Vergleich zu verdeutlichen.
Über dem thront natürlich David Byrne mit seiner markanten Stimme und seinem ebenfalls markanten Gesangsstil, sowie seinem verschlingenden Gitarrenrhythmus und seinen großartigen Texten, die mich mehr als ansprechen.
Auf “Remain in Light“ gibt es 40 Minuten lang nur geilstes Musikkonzentrat, ohne Krankheiten, ohne Querschläger und ganz ohne Anbiederungen an die Masse. Die meisten von euch werden wahrscheinlich nur den Welthit ‘Once in a Lifetime‘ kennen, allerdings bietet dieses Werk noch andere 7 Weltwunder. Mein persönlicher Liebling ist ja ‘The Great Curve‘, ein Beat-Groove-Rhythmus-Monster und ein Ideenfeuerwerk der Unfassbarkeit. Außerdem muss man auch gesondert die beiden fantastischen (im wahrsten Sinne des Wortes!) Traumsequenzen ‘Listening Wind‘ und ‘The Overload‘ hervorheben. Heute, fast 35 Jahre später, mag ich behaupten, dass “Remain in Light“ für mich an die Vorstellung eines perfekten Musikalbums sehr nahe kommt und vom Grandmaster Brian Eno mit allen Superlativen produziert wurde.
Um es erdiger auszudrücken: TALKING HEADS waren, zumindest mit ihren ersten vier Alben, eine der coolsten Bands, die jemals in die Musikumlaufbahn geschossen wurden. Eine Band, die es in dieser Art nie wieder geben wird. Einzigartig, faszinierend, grenzenlos, intelligent, unberechenbar - einfach richtig gut eben.