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Freitag, 4. Oktober 2019

Decade of Obsession 2010 - 2019 (2013)

2013


# 10 Paysage d'Hiver - Das Tor

Das eigentümliche Projekt um den Schweizer Wintherr, der nebenberuflich noch bei Darkspace für die Inspektion zuständig ist, bringt seit 1998 in regelmäßigen Abständen zerknitterte und unwiderstehliche Demos auf den Markt. Mit einer Verschmelzung von eiskaltem Black Metal Gerumpel, dichten und massiven Ambientcollagen, minutenlangen Wind/Schnee/Regen/Sturm-Soundschnipseln und einfachsten Telefunken-Record/Play-Aufnahmen, schuf sich Wintherr seine eigene Nische. Dass gerade dadurch diese Faszination für das Projekt bei mir ausgelöst wird, ist keine Selbstverständlichkeit. Wintherr versucht erst gar nicht spielerisch zu begeistern, fährt den denkbar „abstoßendsten“ Sound und bietet auf jedem Demo zähe und monotone Songs jenseits der 10 Minuten Grenze. Das Geheimnis der Kompositionen ist das extrem kreative Geschick, wie Wintherr die Songs ausschmückt. Es poltern wunderschöne Melodien durch kratzige Lärmeskapaden, die sorgfältigen zur Stimmung passenden eingesetzten Samples sitzen immer an der richtigen Stelle, man wird von plötzlichen Geigen überrascht, die erzeugte kalte Atmosphäre durch den gewaltigen Ambientdruck und den sägenden Gitarrensturm unterscheidet sich erfreulich eigenständig gegenüber der Genreverwandtschaft und der im Hintergrund agierende Kreischgesang zieht sich wie Gefrierbrand durch den Sound. Im Grunde zelebriert Wintherr urreinen Black Metal ohne neuzeitlichen Firlefanz und Pomp - alleine dafür lohnt es sich immer wieder sich auf diese Eiskerker-Poesie einzulassen.


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

# 09 Gary Numan - Splinter (Songs from a Broken Mind)

Der Pionier der elektronischen Musik hat mit seinem 2013er Werk “Splinter (Songs from a Broken Mind)“ einen großartigen Elektro-Kracher abgeliefert, der leider ziemlich unterging. Ausgetüftelte, schon fast radiotaugliche Elektro-Pop Nummern im starken Rock-Kostüm werden mit einer dicken und sehr modernen Produktion präsentiert. Numan schafft es auf “Splinter…“ einige „laute“ Hits in dem ansonsten sehr elegischen Albumfluss zu platzieren, die nur so mit den typischen Numan-Melodien um sich schmeißen. Dass die Stimme nicht mehr ganz so extravagant wie in den späten Siebzigern und den Achtzigern klingt, passt hervorragend zur düsteren Ausrichtung des Albums. Der Sound auf dem Album klingt stark nach dem “Dark City“ Soundtrack, auf dem Numan mit ‘Dark‘ seine eigene Blaupause für die moderne Ausrichtung lieferte. Generell kann man sagen, dass der neue Numan ernster, düsterer und kraftvoller klingt, als die frühen Pionierarbeiten, die zwar immer noch wunderbar attraktiv sind aber auch ziemlich handzahm in der heutigen Zeit wirken. Ein außergewöhnlicher Künstler und einflussreicher Musiker hat sich mit diesem Album auf die richtige Weise in die Moderne integriert. Der 2017er Nachfolger ist dabei ähnlich stark, dazu aber später mehr.

Fates-Warning-Darkness-In-A-Different-Light

# 08 Fates Warning - Darkness In A Different Light

Fast 10 Jahre nach dem letzten Album “FWX“ haben Fates Warning 2013 mit “Darkness In A Different Light“ das erste Album mit dem neuen Drummer Bobby Jarzombek veröffentlicht. Und das ist auch mein großes Problem mit dem Album. Einen Mark Zonder zu ersetzen ist schlicht unmöglich; besonders, wenn ein Schlagzeuger so immens wichtig für den Stil und Sound einer Band ist. Die Alben mit Zonder gehören nicht ohne Grund zur Heavy Metal-Überelite, was eben auch auf das ultrafiligrane, gewitzte, grenzenlos anspruchsvolle, hyperabwechslungsreiche und eben nicht typische Metaldrumming zurückzuführen ist.
Jarzombek ist halt ein typischer Metaldrummer, der auch gerne mal auf progressive macht und auch technisch zu überzeugen weiß, zerprügelt dann aber mit seinem krachigen Metal-Stil und dem kolossal nervigen Bassdrumgeklapper (was halt so gar nicht zum Sound der Band passt) das ganze Album und macht es mir auch heute noch madig. Wohingegen Zonder die Doublebass >dezent< und mit Bedacht und KÖNNEN eingesetzt hat und lieber mit einer perfekten Ein-Fuß-Technik Staunen verursachte, trampelt Jarzombek halt gnadenlos auf die Pedale und kaschiert damit die nicht zu überhörenden Defizite in seinem begrenzten Spiel. Warum Matheos das durchgewunken (und auch auf dem Nachfolger zugelassen) hat, ist mir bis heute ein Rätsel.
Naja, das mag jetzt zu überheblich und unfair klingen - aber bei so einem Personalwechsel kann ich das einfach nicht überhören. Mark Zonder ist nicht ohne Grund mein Lieblingsschlagzeuger.
Und die Songs? Wieder mehr metallisch, weniger verträumt, keine experimentellen Electronica mehr, Matheos spielt seine Gitarre wieder härter und Ray Alder singt wie immer überragend. Es dauerte, eh ich mich mit dem Album zufriedengab und Fates Warning können eh nicht schlecht abliefern aber der Nachfolger ist dennoch das ausgereiftere und bessere Werk mit Jarzombek.

Deafheaven-Sunbather

# 07 Deafheaven - Sunbather

Das fetzigste Krach-Album 2013 haben die Kalifornier Deafheaven mit ihrem sonnengetränkten Album “Sunbather“ veröffentlicht. Mit ihrer ungewöhnlichen Vermischung aus Black Metal Raserei, Shoegaze, bunten Melodien und epischen Post Rock Fragmenten, haben Deafheaven nicht nur im positiven Sinne für Aufsehen gesorgt. Wenn man allerdings unvoreingenommen und offen der Musik begegnet, wird man mit dem besten „Sommeralbum“ 2013 belohnt.
Kerry McCoy zaubert aus seiner Gitarre sagenhafte Melodien und Harmonien und schrubbt gleichzeitig rasende Riffwände in den Sound, während Daniel Tracy am Schlagzeug eine unfassbare grandiose Leistung abliefert und sich an abwechslungsreiche und schmissige Patterns austobt und George Clarke sich mit seinem kraftvollen Gesang durch die dicke Sounddecke kreischt. Die schon fast übermütige geschickte und gekonnte Kombination der unterschiedlichen Stile, die mächtige Melodievielfalt, die blumigen Harmonien, die klirrenden Gitarrenriffs, das denkwürdige Drumming und die hervorragende Songwriting-Qualität sind auf “Sunbather“ so harmonisch verwoben, dass das Album nach wie vor zu den besten Metal Veröffentlichungen der letzten 10 Jahre gehört.

The-Knife-Shaking-The-Habitual

# 06 The Knife - Shaking The Habitual

Das finale und letzte Album der schwedischen Geschwister Karin und Olof Dreijer ist ein schwer verdaulicher und zu fassender Monolith aus harschen Elektrobeats, zermürbenden Drone, vertrackten Rhythmen, geisterhaften Sounddesigns, unkonventionellen Songaufbauten und experimenteller Freiheit. Und nach all den Jahren und dem eisernen und schmerzhaften Willen, das über zweistündige Werk zu durchdringen, hat es mich irgendwann um den Verstand gebracht und mir doch Zutritt gewährt.
Gar nichts ist mehr auf diesem Album vorhanden, was The Knife mit ihren zwei erfolgreichen und schon fast poppigen Vorgängeralben bekannt gemacht hat. Auch von Karins Solo-Projekt Fever Ray gibt es keine vertrauliche Note zu hören. Alles wird gegen den Strich musiziert, es gibt kaum nachvollziehbare Strukturen - aber es passt in seiner abstoßenden Wirkung alles zusammen. Man benötigt dafür viel Zeit, sehr viel Zeit. Es gibt ein paar Songs, die leichter zugänglich sind wie die verstörende wummernde Attacke ‘Full of Fire‘ mit seinen massiven drückenden Beats oder der an Dead Can Dance erinnernde Trip ‘Wrap Your Arms Around Me‘. Der Rest ist allerdings harte Arbeit und The Knife reizen dabei mit ihren überlangen Soundklumpen oft die technischen Möglichkeiten des Studios aus. Es ist die große Stärke des Albums, das sicherlich seine Längen hat, dem Hörer einiges abzuverlangen und ihn dabei zwingt, sich intensiv damit zu beschäftigen. Das muss man nicht mögen, bedient aber genau mein Nervenzentrum und ist deswegen eines der kreativsten und forderndsten Alben dieser Dekade.

David-Bowie-The-Next-Day

# 05 David Bowie - The Next Day

Genau 10 Jahre nach dem letzten Album “Reality“ meldete sich Bowie mit einem starken Alterswerk zurück, was zwar nicht unbedingt zu den ganz großen Highlights in Bowies Karriere gehört, traf aber 2013 einen Nerv bei mir, so dass ich sofort mit dem Album warm wurde.
Bowie hat auf dem Album jede Menge guter (Pop) Rock Songs platziert, an dem er zwei Jahre lang gewerkelt hat. Wieder mit einer Armada an großartigen Musikern in der Hinterhand und einer kongenialen Produktion gesegnet, konnte sowieso nicht allzu viel schief gehen. Schön auch, dass er sich nochmal Tony Levin, bekanntlich weltbester Bassmeister, mit an Board geholt hat. Seine typischen und unwiderstehlichen Basslinien sind wie gewohnt eine wichtige Komponente im Gesamtsound. Dass Bowie sich hier nicht neu erfindet und „altbewährtes“ bietet, ist völlig egal, da auf “The Next Day“ einfach viele gute Songs enthalten sind, die sich an Bowies reichhaltiger Diskographie bedienen. Manches erinnert an die kreative Hochphase der Siebziger, dann wieder plötzliche Experimentierfreude der Neunziger und dazwischen der Pop-Appeal der Achtziger. Bowie hatte merklich Spaß mit dem Album, was man auf dem Werk deutlich heraushört. Es gibt viel Luft für die einzelnen Musiker, die Melodien sind lockerer und klarer, Bowie singt immer noch hervorragend und der Albumfluss ist fantastisch. Ein tolles Album, was ich immer noch gerne und oft auflege. Dass “The Next Day“ das vorletzte Bowie Album sein würde, hätte man sich 2013 nicht ausgemalt - doch es kam völlig unerwartet anders und Bowie „verabschiedete“ sich drei Jahre später mit einem Paukenschlag und einer der einflussreichsten und wichtigsten Musiker unserer Zeit war plötzlich nicht mehr.

Arcade-Fire-Reflektor

# 04 Arcade Fire - Reflektor

Warum an dem Album so viel herumgemeckert wurde, kann ich bis heute nicht nachvollziehen. Ein wenig Disco im Sound, ein Mainstream-Produzent und eine leicht elektronischere Ausrichtung und schon geht der gemeine Fan auf die Straße. Ja, die drei Vorgänger waren besonders, das dritte Album sogar überragend, aber “Reflektor“ ist so schön „durchgestylt“ und hervorragend in Szene gesetzt, dass es für mich sogar der bisherige Höhepunkt in der Kariere der Band ist. Der warme, basslastige Sound und die wie gehabt talentierte Kunst der Band, großartige Songs zu schreiben, ist auf “Reflektor“ auf die Spitze getrieben. Es fehlen vielleicht die ganz großen emotionalen Momente der Vorgänger, dies wird aber mit der unterschwelligen düsteren Atmosphäre sehr clever ausgeglichen. Einzig die Länge des Albums hätte etwas kürzer ausfallen können, da man anfänglich etwas überfordert mit dem Sound dasteht und von den vielen Spielerein und Ideen förmlich erschlagen wird. “Reflektor“ gehört zu den wichtigsten Popkultur-Alben dieser Dekade, welches 2013 nur noch von einem anderen Album in den Schatten gestellt wurde.

Nick-Cave-&-The-Bad-Seeds-Push-The-Sky-Away

# 03 Nick Cave & The Bad Seeds - Push The Sky Away

Jahrelang war ich beinharter Verfechter der alten Boys Next Door und besonders von The Birthday Party, mit Nick Cave & The Bad Seeds nach “Tender Prey“ habe ich mich immer sehr schwergetan. Das ist natürlich kompletter Schwachsinn, aber mir gefielen die rohen, geisteskranken und fulminanten Post-Punk-Alben nun mal viel mehr - das ist nun mal ganz und gar meine musikalische Baustelle. In den letzten Jahren habe ich endlich mit den späteren Alben meinen Frieden geschlossen und viele Großartigkeiten entdeckt. “Push The Sky Away“ gehört dabei sogar zu den ganz großen Alben, was ich auch erst später erkannte. Minimalistischer Instrumentaleinsatz, sehr sphärisch, Texte über Sex und Tod und natürlich die großartige Stimme von Nick Cave. Alles tanzt auf dem Album um die Stimme, Cave kreiert dabei stets eine anziehende Spannung und eine poetische Atmosphäre. Die Songs sind großartig konstruiert und befinden sich in einem stetigen Schwebezustand. Alles auf dem Album ist perfekt ausgearbeitet, bietet so viele Details und ist mit seiner zurückhaltenden Art eines DER großen musikalischen Meisterwerke dieses Jahrzehnts.

Daft-Punk-Random-Access-Memories

# 02 Daft Punk - Random Access Memories

So ein Album wie “Random Access Memories“ erscheint nicht mal eben so, zwischen anderer (nur) guter Musik, sondern macht einem unmittelbar klar: Kunstwerk!
Solche Geräte wurden vielleicht in den 60er - 90er Jahren regelmäßiger veröffentlicht, Musik aus höheren Dimensionen, die begeistert und Millionen erreicht, ohne dabei auf den Kern der Sache zu verzichten: unbeschreiblich gute MUSIK mit Seele und Feeling, liebevoll mit Zeit(!) konstruiert, ohne dabei die Massen abzufertigen und ruhig zu stellen. Schon alleine dieser warme, natürliche Sound ist heute eine Seltenheit.
Jeder Song, jeder Ton, jedes Tribut, diese ganzen Klangfarben, diese Virtuosität, dieser bombastische Traumzaubersound(!), Melodien bis zum Ersticken, 70er-Schweiß, 80er-Ästhetik, 90er-Vibes - bodenständiger Größenwahnsinn.
Schlicht das Album des Jahrzehnts!

Cultes-Des-Ghoules-Henbane, ...or-Sonic-Compendium-of-the-Black-Arts

# 01 Cultes Des Ghoules - Henbane, ...or Sonic Compendium of the Black Arts

Sind wir ehrlich, "Henbane" war das nächste große Monument im Black Metal seit “Anthems to the Welkin at Dusk“, “OM“, "Fas - Ite, Maledicti, in Ignem Aeternum", "The Work Which Transforms God", "Thorns" und vielleicht noch "Rain upon the Impure" - ein astrales Wunder der Nacht.
Hier wird erst gar nicht versucht musikalisch zu überzeugen, Experimente unterzubringen und mit aufgeblasenem Hompelpompel zu blenden. Musik für doofe Menschen wie mich, in der ich mich komplett verliere. Macht, Finsternis, Unbehagen, Schmerz und Pein, lebendiger Geisteswahn und Gestank.
Cultes Des Ghoules ist hässliche Musik, unsauber gespielt, unromantisch produziert, hoffnungslos schrullig und zu tief in der Vergangenheit grabend, anstrengend und unepisch episch.
Oh Freude, oh Herrlichkeit, das ist Black Metal, Intensität bis auf das Knochenmark.
Gesanglich war das die “beste Leistung” 2013. Mortuus wird im Irrenhaus von Jerusalem in einer Zwangsjacke von Mel Gibson getauft und Xavier Naidoo versucht ihn dabei durch das Einstimmen seiner Lieder seelisch zu beruhigen. Danach wird er in den polnischen Ostblock in das Jahr 1983 gebeamt. Der Fluxkompensator hat alles möglich gemacht und bei der Taufe das Elend und die Qual der Stimme aufgezeichnet. Perfekt!
Das ist übertrieben gut, was da gesanglich auf diesem Werk abgeht. Mein ganzer Respekt für eine solche kreative, schon fast theaterhafte Leistung. Muss man hören und fühlen, kann man eben nicht beschreiben. Marek Górecki muss eindeutig Satans persönlicher Hofdichter sein. Denkmalschutz für diese Gesangsaufnahme!
Dann diese stumpfen Riffs, die sich durch den Sound fressen. Dieser fiese Gitarrensound, stumpf, roh, leblos, brodelnd, kaputt und staubig. Schlaghand und Wechselgequietsche ist zudem auch deutlich zu hören, so muss das. Und dieser furchterzeugende Bass, der die ganze Zeit lauert. Mal im Vordergrund, dann wieder bestimmend im Hintergrund - aber immer ist er anwesend, glotzt einen mit dämonischer Fratze des Nachtmahres an, richtig fürchterlich. Und immer wieder diese derbe pappige Snare.
Die Produktionskosten lagen bestimmt bei 13 Zloty, mehr braucht's auch nicht. Mit 13 Zloty mal eben den besten Sound seit "Under a Funeral Moon" erschaffen.
Übelkeit, Fieber, schlimme schweißgebadete Alpträume, juckende Pickel, Eiterbläschen und eine saftige Vorhautverengung bekommt man von diesem Sound.
Mit "The Passion of a Sorceress" hat man auf dem Black Metal Album dieses Jahrzehnts einen der zehn besten Black Metal Songs der letzten 20 Jahre festgehalten.
Danke, Mel Gibson und Xavier Naidoo, dass es euch gibt!
Und das letzte Mal, als ich so klein unter dem Kopfhörer geworden bin, war bei der nächtlichen Entjungferung durch "The Work Which Transforms God", welches mich damals (und heute immer noch) ängstlich unter dem Bett nachschauen lies, als die Musik eines Irren die schwarze Nacht zu einem schweißgebadeten Fiebertrauma entzündete.
Das war so ein Moment, wo ich es nicht wagte, die Schlafzimmertür offen stehen zu lassen und mich in die Mitte von meinem Bett bewegte, um dann in absoluter Angststarre den halboffenen und auf einmal fürchterlichen Kleiderschrank anzustarren, während mir bei einer Nachttemperatur von 6°C listig ätzende Schweißbäche die Augen überreizten.
Hat sich da gerade etwas in dem Kleiderschrank bewegt? Mein Patrick Star-Schlafanzug war komplett durchnässt und vermochte es nicht mehr, den maskulinen Schweißfluss von 10 Bauarbeitern aufzunehmen. Mir war heiß und kalt. Der saure Schweiß verdampfte kühl und Schweißdampf vermischte sich mit einer anderen gelben Flüssigkeit, leicht bitter und stechend in der Nase, wodurch eine Laache, nein, eine Tunke des Ekels entstand, in der ich mich hin und her wälzte. Aber nach dem dritten Mal machte es Spaß, ein Fetisch wurde in mir geboren.
Und genau so einen ähnlichen, denkwürdigen Moment habe ich mit "Henbane" durchlebt.
Da mag mir noch mal einer sagen, Black Metal ist was für Loser, Bettnässer, pickelige Scheiteldeutsche, Ranzgruppen, Ü-30 Jungfrauen und Lehrer.
Das ist er, der große Black Metal Klassiker dieser Dekade!

Samstag, 24. August 2019

Decade of Obsession 2010 - 2019 (2012)

2012

Rush-Clockwork-Angels

# 10 Rush - Clockwork Angels

Die alten Herren und ihr vermutlich letztes Album. Fünf Jahre nach dem eher schwachen “Snakes & Arrows“ schafft es die Band nochmal ein überdurchschnittlich gutes Werk abzuliefern. Auch wenn natürlich weiterhin die Großtaten aus den Siebzigern und Achtzigern unerreichbar bleiben, ist “Clockwork Angels“ das beste Album seit “Counterparts“. Dass ich mit den „neueren“ Rush nicht so viel anfangen kann, ändert auch “Clockwork Angels“ nicht, allerdings landet es dann doch ab und an im Player. Grund sind wohl die vermehrt (wieder) guten Melodien und das gute Songwriting. Dass weiterhin eher ein „rauer“ Rocksound bestimmend ist, stört mich komischerweise an der Band – ich mag Rush smooth und mit Vokuhila-Keyboards, aber das ist ganz allein mein Problem. Die Songs sind grandios gespielt und produziert – auch wenn es mir deutlich zu metallisch kracht. Sollte es tatsächlich das letzte Album der Band sein, haben sie es geschafft, eine fast makellose Discographie mit diesem Werk zu einem Ende zu bringen. Und es gibt im Bereich Rock kaum eine andere Band, die so viele qualitativ hochwertige Alben veröffentlicht hat wie die drei Kanadier.


Japandroids-Celebration-Rock

# 09 Japandroids - Celebration Rock

Die zwei Wunderkanadier zelebrieren ihre Rockmusik genauso, wie man sie lieben sollte. Laut, krachig, auf den Punkt, durchdacht, leicht punkig und mit einem Gespür für großartige Melodien. Das zweite Album ist nicht mehr ganz so krachig und ruppig wie “Post-Nothing“ mit seinem traumhaften Snare-Sound, bietet aber wieder das gleiche Maß an energiegeladenen und dreckigen Männermelodien für die „Unterschicht“.
Wie schön es ist, einfach nur das Treiben von Schlagzeug und Gitarre beizuwohnen und sich an die guten alten Hüsker Dü erinnert zu fühlen. Es wummst und fetzt an allen Ecken, die Produktion ist fantastisch, der Sound zum niederknien und die Songs sind so gut, dass man echt dasitzt und sich fragt, wie das nur zwei Leute so grandios hinbekommen. Als gnadenloser Detroit Rock Worshipper habe ich die Band natürlich sofort mit dem Debüt in mein Herz geschlossen. Ursprünglicher kann man Rockmusik kaum spielen.


Dordeduh-Dar-de-Duh

# 08 Dordeduh - Dar de Duh

Nachdem 2009 die Band Negură Bunget zerfiel und die beiden kreativen Köpfe Hupogrammos und Sol Faur mit ihrer neuen Band Dordeduh weitermachten, verkam Negură Bunget zu einer austauschbaren Humpa-Band, die mit den drei Nachfolgern zu dem Meilenstein “OM“ unglaublich uninspiriertes Material ablieferten und durch den frühen Tod des verbliebenen Drummers Negru sich schließlich von selbst auflösten. Lange hat es gedauert, bis das erste Album schließlich fertig war und zwei Jahre nach der eher leichtfüßigen EP “Valea omului“ 2012 erschien. Anfangs tat ich mich mit dem etwas klinischeren Sound und der geschliffeneren Produktion sehr schwer, fand dann aber nach jedem Hör immer tiefer in das Werk hinein. Und auch hier wird wieder unglaublich viel geboten. Von der Vielschichtigkeit der Instrumentalisierung, den großflächigen Keyboardsounds, der eigenwilligen Gitarrenarbeit bis hin zum abwechslungsreichen Gesang und dem sagenhaften Atmoteppich. Auffällig ist auch der mittlerweile technisch gereifte Gesang, der auf dem Album wieder eine zentrale Rolle einnimmt. Hupogrammos kreischt, growlt, flüstert und singt mit normaler Klarstimme, als ob es nie anders gewesen wäre. Die Songs sind nicht mehr so stark verschlossen und rätselhaft wie auf “OM“, bieten dafür aber eingängigere Riffs und zugänglicheres Songwriting. Natürlich konnte man nicht erwarten, dass man hier einen ebenbürtigen “OM“ Nachfolger bekommt, aber wenn man sich an die ruhigere und weniger komplexe Herangehensweise gewöhnt, ist “Dar de Duh“ viel mehr der inoffizielle Nachfolger, als die letzten drei Alben von Negură Bunget. Einzig das saubere und zu gekonnte Schlagzeugspiel stört mich immer noch und passt nicht wirklich zu dem urigen und kauzigen Stil - da passte das krumme und leicht schräge Gerumpel von Negru eindeutig besser zum Sound. Der Nachfolger lässt nun auch schon fast acht Jahre auf sich warten, soll wohl aber bereits seit diesem Jahr in Arbeit sein. Wäre auch echt schade, wenn man von diesen beiden überaus talentierten Musikern nichts mehr zu hören bekommt.


Tame-Impala-Lonerism

# 07 Tame Impala - Lonerism

Das zweite Album von Kevin Parker knüpft direkt an das Debüt an und begeistert mit Psychedelic Rock und starkem Beatles Einschlag. In seinem Heimstudio kreierte der Australier einen Sound, der direkt aus den späten Sechzigern entsprungen ist. Einfache aber knackige Schlagzeugbeats, Hall, Verzerrungen, Effekte, Synthesizerfantasien, kratzige Übersteuerungen, drogenvernebelte Gesangsparts und eine fantastische dünne Gitarre. Vieles erinnert an die psychedelische Phase der Beatles - wirkt jedoch in der heutigen Zeit schon fast eigenartig und aus der Zeit gerissen. Die kreative Gestaltung von Sound und Songs, sowie das bemerkenswerte musikalische Talent von Kevin Parker lässt hier bereits erahnen, was 2015 mit dem epochalen Meisterwerk “Currents“ folgen wird. “Lonerism“ ist auch gleichzeitig Balsam für die Ohren, wenn man mal wieder am Verzweifeln ist, warum viele heutige Produktionen einfach nur noch beschissen künstlich und unerträglich klingen.


Dead-Can-Dance-Anastasis

# 06 Dead Can Dance - Anastasis

16 Jahre nach dem letzten Album “Spiritchaser“ fanden Lisa Gerrard und Brendan Perry endlich wieder zusammen und Anhänger der Band beteten weltweit zum Himmel. Auch ich begab mich in die Fötusstellung und zitterte dem Veröffentlichungstermin entgegen. Und nun ja, ich war Angangs schon herb enttäuscht. Eine Band, die mit ihren Alben Musikgeschichte schrieben, Sound- und Produktionstechnisch sogar Größen wie Pink Floyd oder Peter Gabriel überrannten und mit jedem Album überraschten und neue Klangwelten erschufen, kam mit einem „auf Nummer sicher“-Album daher. Viel schlimmer noch: die Produktion entspricht nicht dem hohen Qualitätsstandard der Band und setzt zu viel auf Elektronik und Studiospielzeug. Ich habe mittlerweile meinen Frieden mit dem Album gefunden und mich noch intensiver nach dem phänomenalen Live-Erlebnis 2012 in München damit beschäftigt. Lässt man die Kritikpunkte außen vor, bleibt immer noch ein intensives Hörerlebnis mit einem Brendan Perry in Hochform und einigen versteckten Hits. Dass Lisa Gerrard auf dem Album etwas zu kurz kommt, lässt vermuten, dass Perry hier den größten Teil des Albums im Alleingang geschrieben hat. Auch die Ähnlichkeit zu seinem zwei Jahre vorher erschienenen Solo-Album ist nicht zu überhören, hier jedoch aufgedonnert mit der typischen DCD-Soundwand. Dass das Album trotzdem hätte besser ausfallen können, zeigten die Live-Qualitäten der Songs, diese kommen nämlich im „natürlichen“ Umfeld viel besser zur Geltung. Aber auch hier gilt wieder: Brendan Perry ist und bleibt die beste Stimme im Musikzirkus.


Dødsengel-Imperator

# 05 Dødsengel - Imperator

Was die beiden Norweger Kark und Malach Adonai mit diesem Mammutwerk 2012 auf die Menschheit abgefeuert haben, verwehrt sich jeglicher Beschreibung. Nach dem bereits vorzüglichen Vorgänger, überspannten die Norweger die Grenzen so weit, dass alles in sich zusammenfiel und daraus ein abartiger Sound entstand, der die frühe 90er Black Metal Phase genau so bedient wie die mittlere experimentelle Welle a’la Ulver, Arcturus oder Fleurety und gleichzeitig die Moderne kongenial integriert. Herausgekommen ist ein zweieinhalbstündiges Monster, welches eine ungeheure Aufmerksamkeit voraussetzt und den Hörer quält und fordert - aber auch nach vielen Stunden begeisternd zurücklässt.
Nach dem unheilvollen Intro, wird man mit ‘Sun on Earth‘ erstmal entbeint und der nackte Wahnsinn peitscht mit unkontrollierten Psycho-Gitarrenriffs, schepperndes Schlagzeug und Rosinengesang die verkrustete Hirnrinde frei. Radikaler Wahnsinn in jeder Note. Die Norweger zelebrieren über die gesamte Spielzeit ein abwechslungsreiches Stimmungsmonument, was durch die unglaubliche Gesangsakrobatik von Kark dirigiert wird. Die intensive Besessenheit des Albums ist bis heute einzigartig, die Kompositionsstärke eine fast schon ausgestorbene Kunst des norwegischen Black Metal und der grandiose Sound genau der richtige Mittelweg aus Tradition und Moderne. Hätte ich es nicht bereits beim Vorgänger erkannt, hätte ich es nie für möglich gehalten, dass nach einer so langen Durststrecke nochmal eine so gewaltige Black Metal Eruptionen aus Norwegen kommt. Dødsengel haben mit “Imperator“ nichts weiter als einen Meilenstein des Genres veröffentlicht, der endlich wieder die volle Größe der vergangenen Tage ohne Spinnweben in die Szene manifestiert hat.


Deftones-Koi-No-Yokan

# 04 Deftones - Koi No Yokan

Das 2012er Werk ist neben “Saturday Night Wrist“ meine liebste Deftones und knallt trotz seiner eher ruhigeren Machart und dem leider zu derb komprimierten Sound an allen Ecken und Kanten. Die melancholische Stimmung steht im perfekten Kontrast zur brachialen Songdarbietung mit all seinen wuchtigen Bassgewittern und den krachigen und melodischen Gitarrenriffs, die durch das punktgenaue und grandios abwechslungsreiche Drumming zusammengehalten werden. Über all den lauten und leisen Momenten thront Chino Moreno mit seinem zutiefst intensiven und variablen Gesang, mit dem er jeden Song eine eigene Stimmung aufdrückt. Dass die Band leider immer noch von vielen in die Nu Metal Ecke gesteckt wird, ist bei all der musikalischen Qualitäten von Alben wie “Diamond Eyes“, “Saturday Night Wrist“ oder “Koi No Yokan“ nicht mehr nachvollziehbar. Wie gut laute und moderne Rockmusik zu klingen hat, kann man anhand der genannten Alben bestaunen.


Blut-Aus-Nord-777-Cosmosophy

# 03 Blut Aus Nord - 777 - Cosmosophy

Das Ende der “777“-Trilogie ist gleichzeitig das beste Album neben und seit “The Work Which Transforms God“ - ein Album, dass ich so überhaupt nicht erwartet habe. Vindsval verzichtete auf dem dritten Teil fast durchweg auf Kreischgesang und setzt dafür auf Klargesang, dominiert die Songs mit noch mehr Electronica und lässt Melodien vom Stapel, die mir noch heute den Verstand rauben und ich mich jedes Mal frage, wo zum Teufel der Franzose seine unerschöpfliche Kreativität und Ideen hernimmt. Das Tempo ist schleppend, die hymnische Gitarrenarbeit ungewöhnlich klar und melodisch, die Harmonien nachvollziehbar und wunderschön - alles, was man eigentlich nicht unbedingt mit dem Irrenhaushorror-Sound des Franzosen in Verbindung bringt.
Und es funktioniert so perfekt miteinander; der typische Blut Aus Nord-Sound ist zu jeder Sekunde vorhanden, hier jedoch so fein und offen, dass man sofort Zugang zur Musik findet. Dass die schwere Komplexität und die abweisende Stimmung dennoch dem Hörer Steine zwischen die Beine wirft, ist der größte Clou, den Vindsval bisher in seiner Karriere abgeliefert hat. Das Werk ist ein Sammelsurium an spacigen Gitarrenharmonien, die direkt aus dem All entstammen müssen, wilden Breaks und Rhythmuskauderwelsch aus dem Drumcomputercockpit und malerischen Keyboardfeierlichkeiten. Der sensationelle Aufbau der einzelnen Songs ist so stimmig, spannend und „überheblich“, dass man eigentlich nur zu dem Entschluss kommen kann, dass “777 - Cosmosophy“ mit Sicherheit irgendwo in den Weiten des Weltalls produziert wurde. Einen ähnlichen Trip wie z.B. bei ‘Epitome XVII‘ habe ich selten erlebt. Sicher ist jedoch für mich, dass dieses Werk zu den besten (Black) Metal Alben dieser Dekade gehört und in all seiner Herrlichkeit eines der phantasiereichsten Alben der letzten Jahre ist.


Swans-The-Seer

# 02 Swans - The Seer

Das erste „richtige“ Swans-Album seit 1996 ist zugleich der Auftakt der drei Doppeldecker-Meisterwerke in Folge. Nachdem sich die Schwäne 2010 nach 14 Jahren wieder in einer neuen Reinkarnation zusammenfanden und mit dem Album “My Father Will Guide Me up a Rope to the Sky“ noch mehr nach Michael Giras Soloarbeiten anhörten, eröffneten Swans zwei Jahre später ihre kompromisslose und apokalyptische Weltverschiebung.
„Your childhood is over“ wird im Opener ‘Lunacy‘ zum Abschluss gepredigt - die musikalische Abfahrt in die Welt der Schmerzen und der quälenden hypnotischen Wiederholungen nimmt für knapp zwei Stunden seinen Lauf.
Die neuen Swans sind laut, sehr laut - Gira beansprucht seine Gitarre bis zur absoluten Grenze der Machbarkeit, prügelt auf die Saiten ein, hämmert den Korpus und entlockt seinem Instrument Töne, die sich in das Fleisch brennen. Das Schlagzeug ist groovesicher und brachial, die Produktion mittendrin im Höllenlärm. Gira versteht es trotzdem wie kaum ein anderer Musiker so viele ruhige und leise Parts einzuarbeiten, dass man beim Hören ob der grenzenlosen Mixtur aus Noise, Folk, Psychedelic und Krautrock des Öfteren an seine Grenzen gelangt. Die Musik ist schwer, drückend, schrecklich anstrengend und auch sehr oft unglaublich langgezogen, dafür wird man aber auch mit den kleinen versteckten Melodien und Harmonien aus dem Delirium geholt. Gira setzt mit seiner Band ein großes Repertoire an Instrumenten ein, darunter Steel Guitar, Mandoline, Klarinette, Dulcimer, Akkordeon, Cello, Hörner, Bagpipe, Violine, Piano, Synthesizer und jede Menge an verschiedenen Percussion; die daraus erzeugte Soundmonstrosität steht für die neuen Swans. Die Swans, die auf die langjährige Karriere zurückblicken und sich aus jeder Phase bedienen, um damit einen neuen Klang zu erschaffen. Michael Gira verstärkt mit seinem schamanenartigen Predigergesang die fantastische „Hässlichkeit“ der Swans. Auf “The Seer“ noch zurückhaltend, feuert er seine Giftsuppe aus Wörtern und unterschiedlichen Stimmlagen auf den folgenden Werken unbeirrt und auch häufig unerträglich dem Hörer entgegen. “The Seer“ ist das ruhigste Werk der drei Doppelalben, brodelt aber bereits unüberhörbar unter der Oberfläche. Einige Songs sind noch nicht völlig ausgereift und suhlen sich in quälend langatmigen Parts, aber auch das gehört zu Swans, da muss man durch. Ein erschütterndes Meisterwerk ist “The Seer“ dennoch, denn die unerträgliche Kompromisslosigkeit, die nervenzerrenden Wiederholungen und die brachiale Gewalt in den Songs sowie die Vielfältigkeit der unterschiedlichen Stimmungen und cleveren Songaufbauten nehmen bereits hier vieles vorweg, was zwei Jahre später in dem kolossalen Meilenstein “To Be Kind“ zur ausgereiften Größe in die Geschichte der modernen Rockmusik eingeht.


Lunar-Aurora-Hoagascht

# 01 Lunar Aurora - Hoagascht

Das letzte Album der Rosenheimer gehört mit zum Besten, was der Musikmarkt Deutschland im neuen Jahrtausend zu bieten hat. “Hoagascht“ ist so beängstigend perfekt, dass ich es auch heute immer noch nicht wahr haben möchte, dass das Kapitel Lunar Aurora beendet ist. Die Rosenheimer singen auf ihrem Schwanengesang im strengen urbayrischen Dialekt, machen daraus Kunst zum Hören und verabschieden sich mit einem Werk, dass so alleine in der (Black) Metal Landschaft steht und bis heute zu den großartigsten Alben gehört, dass ich aus diesem Genre gehört habe. Mir ist kein anderes Album der letzten Jahre bekannt, welches so stimmig und gleichzeitig so komplex (im Sounddesign) im Aufbau ist. Die sagenhafte Atmosphäre, die auf dem Werk erzeugt wird, ist nicht in Worte zu fassen, die kunstvoll eingesetzten Keyboards sind überwältigend, die umwerfenden Melodien übergroß, der Sound herrlich urig, der Drumcomputer perfekt programmiert, die Riffs sensationell harmonisch und schwebend und das Songwriting zum niederknien.
JEDER Song ist ein Kunstwerk für sich, die darin enthaltenen Ideen und Soundkreationen sind unfassbar ausgereift und die verträumte Atmosphäre so gut eingefangen, wie ich es auf kaum einem anderen Album so intensiv erlebt habe.
Da das eigentliche Abschiedswerk “Andacht“ schon ein Ausnahmemeisterwerk war, ist es umso erstaunlicher, dass Lunar Aurora mit “Hoagascht“ die Qualität nochmals steigern konnten. Besser konnte die beste deutsche Black Metal Band nicht abtreten. Mit ihren Alben nach der Jahrtausendwende haben die Bayern ausschließlich Meisterwerke geschaffen, die ich persönlich zu den besten Alben im Black Metal Genre einordne und “Hoagascht“ ist nichts weiter als ein perfektes Wunder.

Sonntag, 4. August 2019

Decade of Obsession 2010 - 2019 (2011)

2011

Morbid-Angel-Illud-Divinum-Insanus

# 10 Morbid Angel - Illud Divinum Insanus

Das achte Studioalbum der legendären Florida-Boyz und gleichzeitig so eine Art Reunion-Album mit dem kurzzeitig zurückgekehrten David Vincent. Death Metal Fanatiker auf der ganzen Welt waren mit einem Schlag wieder zwanzig Jahre jünger, kämmten das verbliebene Gekräusel auf dem Kopf seitlich über die speckige Platte und fieberten der Veröffentlichung entgegen. Es sind ja auch mittlerweile ganze acht Jahre seit der letzten Veröffentlichung vergangen.
Was allerdings kam, war ein… mächtiger Roundhouse-Kick in das zerfurchte Gesicht der Death Metal Bummelfahrt-Gesellschaft. Keine Debatte in der Metallalandschaft war in diesem Jahrzehnt so absurd hitzig, wie man es bei “Illud Divinum Insanus“ beobachten konnte.
Trey Azagthoth hatte in den vergangenen Jahren zuvor auf einem durch das Land ziehenden Jahrmarkt in der Abteilung “Autoscooter“ gearbeitet und zwischen Abkassierung und DJ-Beschallung die Songs für das kommende Album in seinem Kassenhäuschen geschrieben. Als David Vincent zufällig auf eine Runde Autoscooter vorbeikam, waren beide wieder Feuer und Flamme.
Neben den üblichen Death Metal Songs haben Morbid Angel noch einige Vorlagen für Just Dance (die Befürchtungen, dass das nachfolgende Album tatsächlich diesen Titel trägt, waren groß) auf dem Album verewigt. Mit einer guten Portion Ironie machen diese Songs sogar richtig Spaß. Einzig ‘I Am Morbid‘ hätte man sich wirklich sparen können - eine einzige Ballermann-Blödelei. Und das Fehlen von Pete Sandoval ist auch einer der großen Knackpunkte auf dem Album. Interimslösung Tim Yeung ballert leider mit seinem austauschbaren und stinklangweiligen Spiel und dem unglaublich beschissen klingenden Bassdrumgeknatter alles kaputt. Ein Album, welches auch heute noch spaltet - dabei ist es völlig harmlos und entlarvt eigentlich nur die festgefahrene Sturheit der Metal-Rednecks.

Sonne-Adam-Transformation

# 09 Sonne Adam - Transformation

Nach der famosen EP “Armed with Hammers“ lieferten die beiden Israelis ein Jahr später mit ihrem Debüt “Transformation“ ein beachtliches Death/Doom Metal Album ab. Der Sound erinnert stellenweise an die frühen Paradise Lost mit einem Schuss Morbid Angel. Die ausgezeichnete Instrumentalarbeit ist umso erstaunlicher, da alle Instrumente von nur einer Person eingespielt wurden. Die zum größten Teil im eher langsameren Tempo angelegten Songs bestechen durch kantige Gitarrenriffs, feine Melodien und dem kratzigen Gesang. Die dadurch erzeugte eigenwillige Atmosphäre hebt sich vom Genre Standard ab und erinnert eher an Bands wie Grave Miasma, Incantation und Dead Congregation - auch wenn die Qualität der genannten Band noch nicht ganz erreicht wird.
Schade, dass es leider nach zwei weiteren EPs aus dem Jahr 2012 ziemlich ruhig um diese talentierte Band geworden ist.

Oranssi-Pazuzu-Kosmonument

# 08 Oranssi Pazuzu - Kosmonument

Mit ihrem finnischen Psychedelic Space Black Metal haben sich Oranssi Pazuzu ihre eigene kleine Nische geschaffen und liefern mit ihren Alben konstant interessante, aber auch stellenweise schwer verdaubare Kost ab. Das zweite Album “Kosmonument“ gefällt mir persönlich am besten und ist noch nicht ganz so stark vernebelt wie die nachfolgenden Alben.
Mit ihrem ausgesprochenen kreativen Einsatz von Keyboards, ausgiebiger Sequenzer-Nutzung und dem ziemlich kauzigen Songwriting, erschaffen sich die Finnen eine eigene Soundnote, die wie eine Kreuzung aus Beherit, Portishead und Godflesh klingt. Auch mit den ungewöhnlichen Rhythmen, der kantigen Produktion und den spacigen Soundkreationen machen die Finnen vieles richtig. Eine hochinteressante Band, deren eigenwilligen Weg ich auch heute noch begeistert verfolge.

The-Jezabels-Prisoner

# 07 The Jezabels - Prisoner

Das Auftauchen dieser australischen Alternative Rock Band mit ihrer extrem charismatische Sängerin Hayley Mary war 2011 eine kleine Sensation. Mit ihrem Debüt lieferte die junge Band ein bereits unglaublich ausgereiftes uns sensationelles Debüt ab. Der verträumte Sound wird durch das famose Drumming und durch das gefühlvolle Gitarrenspiel getragen, doch der eigentliche Star auf dem Album ist Hayley Mary mit ihrem intensiven und ausdrucksstarken Gesang. Auch wenn die Band mich erst so richtig mit den beiden Nachfolgern bekommen hat, findet man auf “Prisoner“ bereits ein Feuerwerk an Talent, Songwritingkunst und eine überdurchschnittliche Dichte an grandiosen Songs.

The-War-on-Drugs-Slave-Ambient

# 06 The War on Drugs - Slave Ambient

Mit einer Mischung aus Springsteen, Dylan und Dire Straits verwöhnte die amerikanische Indie-Rock-Band 2011 meine Ohren. Breitwandiger Gitarrensound, leicht melancholisch und poppig, dazu die fantastische Stimme von Adam Granduciel, die nicht selten an Springsteen und Dylan erinnert. Die Zutaten aus Folk, Rock, Singer-Songwriter und Pop werden hier kongenial in Einklang gebracht. “Slave Ambient“ ist bereits ein scharfes Gerät, welches allerdings von dem gewaltigen Nachfolger nochmal um Längen übertroffen wurde.

Tom-Waits-Bad-As-Me

# 05 Tom Waits - Bad As Me

Dass das vorerst letzte Album von Tom Waits nun auch schon wieder fast neun Jahre auf dem Buckel hat, ist nicht unbedingt verwunderlich, da der Künstler nebenbei auch vermehrt im Filmgeschäft herumseiert. Waits orientiert sich auf “Bad As Me“ eher an seine früheren Werke - weniger experimentell, mehr Melodien und für den Hörer leichter „nachvollziehbar“. Herausgekommen ist (wieder) ein Meisterwerk, welches sich mit versoffenem R 'n' B und angejazztem Rock dominant in die Hemisphären des Großhirns einnistet. Waits erzeugt mit seinen Songs eine alkoholverschwitzte Atmosphäre, Rauchschwaden aus versifften Clubs entrinnen aus jeder Note und den kühlen Grundtenor mit seiner leicht depressiven Aura kennt man auch nur so von Tom Waits.
Das Gesamtkunstwerk “Bad As Me“ gehört zu den großen Highlights in Waits umfangreicher und hochinteressanter Diskographie und ist gleichzeitig eines der musikalischen Highlights dieser Dekade.

Negative-Plane-Stained-Glass-Revelations

# 04 Negative Plane - Stained Glass Revelations

In der klassischen Trio-Besetzung Bass, Gitarre und Schlagzeug haben Negative Plane mit ihrem zweiten Album einen einzigartigen und in meinen Ohren perfekten Spagat aus extrem kauziger 80er-Tradition und "modernem" Black Metal-Charme kreiert.
Verwurzelt in den Tiefen der Achtziger, rumpelt das Schlagzeug (welches auch haargenau so klingt) wunderbar authentisch und abwechslungsreich als der treibende Motor durch den Sound, orientiert sich eher am Stil eines Clive Burr oder Randy Foxe und mischt dies mit vereinzelten und „naturbelassenen“ Blastbeats. Klangtechnisch ist alleine das Schlagzeug schon wunderbar abgemischt und genau an der richtigen Stelle im Sound platziert. Das weitere Soundhighlight ist die Gitarre, die, wie in der Zeit gefangen, mit ihrem Sound eine gewisse 80er-Ästhetik verströmt. Die Riffs sind einfach und prägnant (auf technisches Gewichse wird komplett verzichtet), teilweise unsauber und kratzig dafür unverschämt mitreißend und angenehm aufdringlich und oft auch mit ruhigen Momenten und viel Hall atmosphärisch zum Verlieben.
Und das wichtigste an dem ganzen Album ist, dass Negative Plane Songs schreiben können. Songs zwischen 7 - 11 Minuten, ausladende Epik in schwarz, quietschende Gitarrentöne, hirnzersetzende Berserker-Riffs, okkulte Massen-Melodien aus dem Sexkerker, stürmische Opfer-Chöre, peitschendes Donnergrollen der Befruchtung, eisiges Beckenzischen, Hi-Hat-Massaker, wildes Gebrüll im Lust-Rausch - der Wahnsinn und die Hingabe ist in jedem Song zu spüren.
"Stained Glass Revelations" ist nach wie vor eines der wenigen herausragenden Black Metal Alben der letzten Zeit, welches nicht nur eine Eigennote besitzt und eine nicht zu fassende Produktion, sondern vor Charme zu explodieren droht.

Blut-Aus-Nord-777 - Sect(s) - 777 - The Desanctification

# 03 & 02 Blut Aus Nord - 777 - Sect(s) // 777 - The Desanctification

Mit der “777“-Trilogie nahm Vindsval einen völlig neuen Kurs auf und veröffentlichte in meinen Ohren die drei interessantesten Alben der bisherigen Bandgeschichte. Der stark industrielle Klang der beiden 2011er Werke erinnert noch ein wenig an die kalte Ästhetik der mittleren Phase ab “The Work Which Transforms God“, kommt jedoch schleppender und vernebelter daher. Wohingegen auf dem Bandmeisterwerk “The Work Which Transforms God“ musikalische Grenzerfahrungen und abgründige Alptraumwelten bis zur „Unerträglichkeit“ omnipräsent waren, die beiden nachfolgenden Alben bis heute nicht wirklich von mir geknackt wurden und mit dem zweiten “Memoria Vetusta“-Werk eine Rückbesinnung an die frühen hymnischen Tage stattfand, bediente sich Vindsval hier quer durch sein bisheriges Schaffen und trieb die Klangexperimente in nachvollziehbare aber weiterhin schwer verdauliche Schwarzklumpen.
Überall wird man mit Dissonanzen gesegnet; der Raumschiff-Autopilot triggert nervlähmende Beats, die auf Ekel gestimmte Gitarre zehrt unerträglich am Zahnstein, die abrupten Breaks, Querrhythmen, Irrenhaus-Harmonien und Ambientschwaden zerstören jeden Fluss der Musik und die kalte, monotone Stimme frisst sich aus dem Hintergrund durch die Hirnplatte. Doch zu diesen von mir heiß geliebten Eigenschaften der Band, komponierte Vindsval in die “777“-Trilogie kosmische Melodien und hymnisch-ruhige Andacht-Momente von, nun ja, erhabener Schönheit. Die dadurch erzeugte Atmosphäre ist auch heute immer noch so einzigartig und herausragend und konnte von der Band leider nicht wieder erreicht werden. Dass der Franzose hier „nur“ die Vorspeisen ablieferte, erfuhr man erst ein Jahr später, denn mit dem Abschluss der Trilogie 2012 hinterließ Vindsval mit “777 - Cosmosophy“ ein Werk, welches ich immer noch mit höchster Ehrfurcht genieße.

PJ-Harvey-Let-England-Shake

# 01 PJ Harvey - Let England Shake

Die großartigste Musikerin unserer Zeit und schlicht und ergreifend die beste Rocksängerin aller Zeiten. "Let England Shake" ist bis heute Harveys ambitioniertestes Album, welches irgendwie aus allen vorherigen Alben etwas besitzt und trotzdem frisch und neu klang. Von den Kritikern hoch gelobt, hatte ich anfangs meine Problemchen mit dem komplexen Albumfluss. Mittlerweile liebe ich dieses Werk aber abgöttisch. Schließlich gehört es zu den grandiosesten Alben dieses Jahrzehnts. Das Album ist mit dem „Alter“ sogar gereift. Aber es war auch nicht unbedingt einfach nach dem erschütternden Überwerk “White Chalk“ einen ebenbürtigen Nachfolger zu erschaffen.
Harvey entschied sich für den vermeintlich schwierigeren Weg und verwandelte sich wiedermal in eine „neue“ Persönlichkeit. Entsprechend groß ist der Unterschied zu “White Chalk“ - das Songmaterial auf “Let England Shake“ orientiert sich wieder an klassischer Rockinstrumentalisierung, jedoch in einem gedämpften und „ätherischeren“ Stil. Die ungezähmte und rohe Rotzigkeit der frühen Harvey findet nicht mehr statt. Auch auf die songorientierte mittlere Phase verzichtet Harvey fast komplett. Dennoch steckt 100% PJ Harvey in den Songs. Nachdenklich und mit einer sagenhaften intensiven Hingabe klagt Harvey auf dem Album über „Gott und die Welt“, mischt dies jedoch mit zauberhaften Melodien und einem unglaublich intelligenten Songwriting. Auch die Instrumentierung mit Mellotron, Saxophone, Xylophon oder Zither eröffnet einen völlig neuen Harvey-Sound. Auch wenn man ausnahmslos jedes Album benennen könnte, auf dem Harvey ihre beste Gesangsleistung ablieferte, ist es doch “Let England Shake“ mit den feinen Nuancen und dem bisher facettenreichsten Gesang, den Harvey aufgenommen hat.
Mit 'All And Everyone' enthält das Album sogar den für mich ergreifendsten Song, den PJ Harvey bisher geschrieben hat.

Dienstag, 23. Juli 2019

Decade of Obsession 2010 - 2019 (2010)

Das Jahrzehnt ist fast wieder vorbei. Eine gute Gelegenheit sich durch die relevanten Alben von 2010 bis 2019 zu hören und mit erhobenem Zeigefinger meine Geschmacksperversität(en) unter das Volk zu bringen. Erwartet nicht zu viel, war jetzt nicht unbedingt ein musikalisches Knallerjahrzehnt.

2010

Vasaeleth-Crypt-Born-&-Tethered-to-Ruin

#10 Vasaeleth - Crypt Born & Tethered to Ruin

30 Minuten formvollendeter Krach mit einer sagenhaften Produktion. Aus jeder Eiterpustel platzen die frühen Incantation, die Songs sind dabei nur Beiwerk für die massive Urgewalt. Kein albernes Gewichse, keine Toilettenpapier-Bassdrums, keine künstlich-digitalen Blastbeats, kein Disney-Sound - purer ausgebeinter Death Metal aus dem drei Tage alten Sportschlüpfer. Neben “Promulgation of the Fall“ das einzige Death Metal Album dieser Dekade, welches mich wirklich begeistert hat.


Truppensturm-Salute-to-the-Iron-Emperors

# 09 Truppensturm - Salute to the Iron Emperors

Nachdem Alexander von Meilenwald mit seiner Band The Ruins of Beverast drei überragende Alben geliefert hat, waren die Nachfolger leider ziemlich unspektakulär. Schön, dass er dazwischen aber mit “Salute to the Iron Emperors“ noch ein so derb scharfes Geschoss eingerotzt hat. Einmal in Omas Partykeller mit den Dorfkumpels Walter und Mirko getroffen, um mal schnell Opas Kriegsgeschichten von damals mit Schlagzeug, Bass und Gitarre zu zertonen. So geht übrigens Sound! Zwischen den Songs brachte Oma dann auch mal selbstgebackene Eierschecke mit Schuss und ein Likörchen für die bezaubernden Buben. Unter diesen kuriosen Umständen ist dann schließlich die wohl gewaltigste deutsche Krachorgie in dieser Dekade entstanden. Finde ich natürlich super sympathisch!


Massive-Attack-Heligoland

# 08 Massive Attack - Heligoland

Das bis heute leider immer noch letzte Album dieser großartigen Klangschmiede war nach den beiden leicht schwächelnden Vorgängern wieder ein berauschender Angriff auf die Synapsen unter dem Schädelknochen. Es wird sogar fast wieder die Tiefe von “Mezzanine“ erreicht. Teilweise erinnert das Werk an einen Querschnitt durch die ersten drei Meisterwerke der Band. Der dunkle Bass brummt als tragendes Fundament für die erzeugte surreale Traumwelt, die auf dem Album vorherrscht. Dabei werden unnahbare Klangfarben erzeugt, die erst nach intensiver Beschäftigung zu voller Größe reifen. Wie üblich versammelten sich auf dem Album zahlreiche Gastmusiker, dennoch klingt alles homogen und nachvollziehbar. Und natürlich ist die fantastische und beneidenswerte Rhythmusfraktion das absolute Highlight auf “Heligoland“.
Fun Fact: Nach House, M.D. befingerte man auch dieses Album für einen Serien-Titelsong. Diesmal passt die Kombination aber beidseitig zusammen, denn der Song ‘Paradise Circus‘ sorgt für die treffsichere Einstimmung jeder einzelnen “Luther“ Folge.


Triptykon-Eparistera-Daimones

# 07 Triptykon - Eparistera Daimones

Die Vorfreude war damals bei mir groß; vier Jahre nach “Monotheist“ und mit mittlerweile neuer Band, bediente sich Herr Fischer nicht zu knapp an der musikalischen 2006er Ausrichtung. Auch das Cover Artwork von H.R. Giger deutete auf ein Nonplusultra-Ereignis hin und die Szenen-Presse überschlug sich mit ungehaltenen Höchstbewertungen. Doch leider hat das Album bei mir nicht die Wirkung erzielen können, wie ich es mir erhofft habe. Nach dem übermächtigen Eröffnungs-Hassklumpen ‘Goetia‘ schlich sich dann aber schon bald eine „Routine“ in den folgenden Songs ein. Mir fehlte schlicht die Vielschichtigkeit und der grausame Mix aus laut/brachial/abgründig & leise/melodisch/katatonisch, wie es 2006 mit “Monotheist“ auf die Spitze getrieben wurde. Natürlich herrscht auch hier der einzigartige Gitarrensound, die hassvollendete Stimmgewalt von Fischer und die moderne Produktion alles kaputt, die Songs sind allerdings weniger spannend. Klingt vielleicht alles zu negativ, denn das Album hat schon seine gewaltigen Momente - aber besser als “Monotheist“?


Killing-Joke-Absolute-Dissent

# 06 Killing Joke - Absolute Dissent

Das letzte große Werk der chaotischen Engländer gehört mittlerweile auch zu den Bandhighlights. Einen etwas üblen Beigeschmack hinterlässt allerdings nach wie vor die grottige Produktion. Da das aber auch irgendwie zum Sound der Band passt, stört es nicht weiter. Selten war die „Hitdichte“ auf einem Killing Joke Album so hoch wie auf “Absolute Dissent“. Neben der schon fast übertriebenen 80er Casio-Kutsche ‘European Super State‘ gibt es in den Songs unzählige einprägsame Hooks, beachtliche Refrains und einen gewaltigen Coleman. Das als Ballade getarnte ‘The Raven King‘ sticht dabei auf dem Album besonders hervor. Eine inoffizielle Hommage an den 2007 verstorbenen Bassisten Paul Raven und unglaublich intensiv von Jaz Coleman eingesungen. Ich bevorzuge zwar immer die alten sperrigeren Alben aber “Absolute Dissent“ bezwingt auch heute noch meine Tanzphobie, wenn es mal wieder im Schacht landet.


Dødsengel-Mirium-Occultum

# 05 Dødsengel - Mirium Occultum

Der norwegische Black Metal befand sich in den 00er Jahren in einer festgefahrenen Sackgasse und langweilte mich so sehr, dass ich überhaupt kein Interesse mehr verspürte, mich mit den Veröffentlichungen zu beschäftigen. Vielmehr konzentrierte ich mich auf die experimentelle französische Küche und die musikalisch interessantere amerikanische Welle sowie auf die osteuropäischen deftigen Eintöpfe.
Eine Ausnahme bildeten die Norweger Dødsengel. 2010 lieferten sie mit ihrem Zweitwerk einen leider kaum beachteten neumodernen Klassiker ab. Dabei findet man auf dem Album keine neuen Zutaten, nur verstehen es die Bübchen wie keine andere norwegische Band die frühneunziger Wurzeln authentisch in das Jahr 2010 zu transformieren. Vom infernalischen Gesang über die wilde ungebremste Gitarrenarbeit bis hin zum Polterschlagzeug und einer entsprechend minimalistischen Produktion, kann man auf dem Album die Reduktion der 90er Jahre bestaunen. Obendrauf beherrschen die Jungs auch talentiertes Songwriting, was in den überlangen und sperrigen Songs bereits deutlich angedeutet wird und mit dem (musikalisch offeneren) Nachfolgermeisterwerk zur vollen Entfaltung gelangt.


Brendan-Perry-Ark

# 04 Brendan Perry - Ark

Die männliche Wunderstimme und Multiinstrumentalist Brendan Perry brachte nach der vorläufigen Pause von Dead Can Dance 1999 mit “Eye oft the Hunter“ ein bemerkenswertes Singer/Songwriter Solo-Album raus und verzichtete fast komplett auf die musikalischen Elemente seiner einstigen Hauptband. Still und reduziert überraschte Perry mit einem ungewöhnlichen Sound. 11 Jahre später und kurz vor der Weiterführung von Dead Can Dance, veröffentlichte Perry sein zweites Solo-Album. Diesmal orientierte sich das Songwriting wieder deutlich an die Klangästhetik von Dead Can Dance. Da auf dem Album die beste Gesangsleistung von Perry zu hören ist, ist es umso ärgerlicher, dass gerade der sonst so sichere und kreative Soundperfektionist Perry hier mit zu viel digitalen Retortensounds aus dem Studio die Produktion leicht versaut hat. Wenn man darüber hinweghören kann, bietet das Album aber wieder Songs von bezaubernder Schönheit. Vertont von einer männlichen Stimme, die für mich nach wie vor das Maß aller Dinge ist. Wie kann ein Mensch nur so unfassbar gut klingen? Brendan Perry gehört mit seinen hochinteressanten Texten zu den bemerkenswertesten musikalischen Künstlern der letzten 40 Jahre und hätte sogar mit einer angemessenen Produktion und zusätzlicher musikalischen Unterstützung sein Opus Magnum abliefern können.


Electric-Six-Zodiac

# 03 Electric Six - Zodiac

Schlager Rock und versaute Popmelodien - keine Band vereint Disco, Rock und Funk so gekonnt und lässig wie Dick Valentine und seine Band Electric Six. Nach dem grandiosen Hit-Debüt “Fire“ veröffentlichten Electric Six im Jahrestakt neue Alben und hinterließen damit unzählige Dance-Rock Songs. Aber erst 2010 knüpfte die Band wieder an ihre Großtat “Fire“ an und veröffentlichte aus meiner Sicht ihr bisher bestes Album und ein absolutes Meisterwerk. Das unglaubliche Talent der Band, griffige Rocksongs mit einprägsamen Melodien und Pop-Appeal zu komponieren, wird auf “Zodiac“ auf die Spitze getrieben. Hinzukommend der großartige Humor in den Texten von Dick Valentine und ausgestattet mit einer tollen Produktion, wird hier ein 11-Song-Feuerwerk an guter Laune abgefeuert, dass man nicht glauben kann, warum die Band noch immer nicht die Herzen der gesamten Menschheit erobert hat. Dabei kann man doch eigentlich nur gewinnen, wenn man mit ‘Jam it in the Hole‘ einen Song über Sexspielzeug schreibt und es sich dabei um einen verkannten Welthit handelt. Meisterwerkalarm!


Deathspell-Omega-Paracletus

# 02 Deathspell Omega - Paracletus

Drei Jahre nach dem Kunstwerk “Fas - Ite, Maledicti, in Ignem Aeternum“ kratzte mich das Fragezeichen und wollte wissen, wie man denn nach so einem Überwerk überhaupt noch weitermachen kann? Die Franzosen stellten sich vermutlich dieselbe Frage und entschieden sich dafür, das Grundrezept beizubehalten und dennoch einen anderen Sound zu kreieren.
Vom reinen Finstersturm und der Urgewalt des Vorgängers ist auf “Paracletus“ nicht mehr viel übriggeblieben; tatsächlich schafften es die Franzosen dennoch einen würdigen Nachfolger abzuliefern.
Auf “Paracletus“ herrscht ungewohnte Kontrolle und Ordnung, versehen mit Einschüben von Klargesang und mit fast schon eingängigen Harmonien. Die Atmosphäre ist sehr eigenwillig - etwas zugänglicher und wärmer als noch auf dem limbusschwarzen Vorgänger, dabei sind die Songs einfacher komponiert und nachvollziehbarer (was bei dieser Band aber nicht viel bedeutet). Danach war allerdings Schluss, denn Deathspell Omega erreichen bis heute nicht mehr die Qualitäten der Alben drei, vier und fünf. Auch wenn die Nachfolger immer noch anspruchsvoll sind, drehen sich die Franzosen nach “Paracletus“ ständig im Kreis und schaffen es nicht mehr, den kreativen Zyklus der mit “Paracletus“ beendeten Trilogy weiterzuführen. Dafür haben die Franzosen aber auch drei Alben veröffentlicht, die bis heute zur absoluten Speerspitze zählen, was jemals aus diesem Genre entstanden ist.


A-Forest-Of-Stars-Opportunistic-Thieves-Of-Spring

# 01 A Forest Of Stars - Opportunistic Thieves Of Spring

Mit dem viktorianischen Kunstgriff “Opportunistic Thieves Of Spring” spielte sich der britische Gentlemen’s Club direkt in mein Herz. A Forest Of Stars haben für sich den Black Metal genau da geöffnet, wo er am empfindlichsten ist: musikalisch offenes Denken. Die opulenten Songs mit verzaubernder Atmosphäre und urigem Charme erheben sich aus Anleihen aus dem Psychedelic Rock, Black Metal, Gothic Rock und Folklore. Im krassen Gegensatz steht das hysterische und herrlich britische Gekreische von Mister Curse zu den extrem detailverliebten Kompositionen. Dabei wird auf dem Werk sehr viel Wert auf Dynamik gelegt. Zu den klassischen Rockinstrumenten gesellen sich Piano, Flöte und Violine und werden kongenial in den Sound integriert. Die überlangen Songs strotzen vor eigenwilliger Kreativität und klingen trotz der von mir arg kritisch beäugten Kombination aus Metal und (dezenter) „Klassik“ zu keiner Sekunde aufdringlich oder sogar peinlich. Das ist zum größten Teil dem außergewöhnlichen und spannenden Songwriting zu verdanken und auch der Verdienst des Gitarristen und Hauptsongschreibers Mr. T.S. Kettleburner. Die scharfen und schneidenden Riffs setzen sich stets in der Soundwand durch und sind federführend in den Songs. Auch der sehr abwechslungsreiche und eigenwillige Gesang von Mister Curse trägt zum eigenständigen Bandsound bei.
“Opportunistic Thieves Of Spring“ zählt auch heute noch zu meinen Lieblingsalben aus diesem Jahrzehnt, gerade weil es so unglaublich kreativ und ausgewogen produziert ist. Die nachfolgenden Alben haben mich nie wieder so gepackt; vermutlich, weil man rigoros alle Ecken und Kanten aus dem Sound verbannt hat.
Ein Album, welches bereits in der Galerie der ganz großen monumentalen Kunstwerke der Szene wie "Anthems At The Welkin At Dusk" (EMPEROR), "OM" (NEGURA BUNGET), "Dead As Dreams" (WEAKLING) und "Fas - Ite, Maledicti, In Ignem Aeternum" (DEATHSPELL OMEGA) zu bestaunen ist.

Donnerstag, 11. Juli 2019

Manes - Under ein Blodraud Maane

Manes-Under-ein-Blodraud-Maane

Wenn es um die absoluten Geheimtipps im Black Metal geht, spielt “Under ein Blodraud Maane“ von MANES ganz vorne mit.
Die Norweger rumpelten sich schon seit 1993 durch drei Demos und erspielten sich im tiefsten Underground einen Namen.
1999 erschufen MANES mit ihrem Debüt “Under ein Blodraud Maane“ ein ganz besonderes Stück Black Metal.
Psychedelischer Psycho-Black Metal, der eine immens reizvolle Atmosphäre besitzt und nicht den üblichen Mustern der damaligen Black Metal Szene folgte.
Auffällig im Sound sind zum einen die extrem psychedelischen Gitarren und der technoide Drumcomputer, welche zusammen einen extrem dunklen Trip erschaffen.
Ungewöhnliche Tempowechsel, Breaks, Keyboardsequenzen und ein beschwörendes Knurren von Sargatanas - MANES haben mit diesem Album ihr eigenes Höllenreich kreiert.
Alle sechs Songs sind für Black Metal Verhältnisse sehr schleppend, dafür umso bedrohlicher. Wilde Raserei und berserkerhaften Gitarrenlärm findet man eigentlich so gut wie gar nicht auf “Under ein Blodraud Maane“.
Dafür wird eine unbeschreibliche Stimmung aufgebaut, cleane Gitarrensolis oder ungewöhnliche Melodien und Rhythmen erzeugen ein einzigartiges Sounderlebnis.
Ein weiteres Merkmal für die Klasse von “Under ein Blodraud Maane“ sind die betörenden Gitarrenriffs, finster, höllisch heavy und melancholisch zugleich.
Für mich gehört “Under ein Blodraud Maane“ zu den letzten wirklich großen Black Metal Werken aus Norwegen und besitzt heute immer noch diese faszinierende Aura, die eigentlich von keiner Band wieder erreicht wurde.
Die größte Überraschung gelang der Band allerdings vier Jahre später, als 2003 mit dem Nachfolger “Vilosophe“ ein Alternative/Rock/TripHop/Avandgarde/Electronic Bastard die komplette Black Metal Szene vor den Kopf stieß.
Leider wurde dabei überhört, dass “Vilosophe“ ein wirklich grandioses Meisterwerk ist.

Mittwoch, 3. Juli 2019

The Nefilim - Zoon

The-Nefilim-Zoon

Carl McCoy, Bandkopf und Sänger bei Fields of the Nephilim, hat mit seinem "Projekt" The Nefilim 1996 einen recht eigenwilligen Eintopf aus Death Metal, Industrial, Gothic und eine Prise Thrash Metal gekocht, wobei ein super fieses und düsteres Höllenkommando namens "Zoon" entstand.
Im Gegensatz zu seiner Hauptband, den Nephilim, geht Herr McCoy hier ziemlich schroff und wild zur Sache. Das Fundament bildet eine dicke Suppe aus kantigen Grooveriffs und einfachen Drumrhythmen, die jedoch ziemlich brachial produziert sind. Darüber thront McCoy mit seinem extrem variablen Organ, kreischt, grunzt, brummt, verspottet und schimpft in tieferen Tonlagen. Es ist diese charismatische Stimme, die so eine anziehende Wirkung ausübt, die sich um Melodiefassaden schlängelt und mich immer wieder erneut in den Popo beißt. Die 90er waren überfüllt mit dieser Art Musik, "Zoon" ist jedoch ein Paradebeispiel, wie man mehrere Genres passend zusammenfügt und daraus ein kleines Erlebnis erschafft, woran ja nun nicht unbedingt wenige (größere) Bands peinlich gescheitert sind.

Mittwoch, 29. Mai 2019

Tadellöser & Wolff

Regie: Eberhard Fechner, 1975

Diese Meisterverfilmug des gleichnamigen Romas von Walter Kempowski wartete schon viel zu lange in meinem Regal. Ein "bürgerlicher Film", welcher das Leben der Familie Kempowski in den Jahren 1939 - 1945 in Rostock zeigt. Dabei wird die Handlung ab und an aus dem Off vom älteren Walter Kempowski, der jüngste Sohn der Familie, kommentiert.
Gezeigt werden Lebensabschnitte und Ereignisse der Familie, wie die Urlaubsreise in den Harz, Familienfeiern, die strenge Schulausbildung von Walter und die noch abscheulichere Nachhilfe (krass, wie gut das dargestellt ist), der Klavierunterricht von Walter, Bombenangriffe auf Rostock und die bedrückende Atmosphäre im "Luftschutzkeller", "Theateraufführung" der HJ (ekelhaft authentisch gezeigt), die Liebe zur Musik von Robert, dem älteren Bruder von Walter (so ungeheuer lebendig dargestellt vom blutjungen Martin Semmelrogge), der ständig auf der Jagd nach den angesagtesten LPs ist und auch sonst immer ein lockeres Maul hat, die Hochzeit während des Krieges seiner älteren Schwester Ulla mit dem Dänen Sven und die folgende Auswanderung nach Dänemark, sowie allerhand Alltägliches, nur im Kontext der damaligen Zeit.
Im Vordergrund steht jedoch immer die Handlung der Familie und die Eigenschaften aller Familienmitglieder. Nazideutschland läuft eigentlich "nur nebenbei" mit. Wie sind die Verhältnisse zwischen Mann und Frau, zwischen Eltern und Kindern, welche Sitten besitzt die Familie, wie wurde damals gelebt, welche Umstände muss die Familie meistern. Dies wird alle traumhaft authentisch dargestellt und gefilmt. Besonders die Rollen der Eltern sind mit der wunderbaren Edda Seippel und Karl Lieffen großartig besetzt. Auch die Sprache, der Umgangston und der allgemeine Ton in der Familie wird glaubhaft und detailgetreu aufgezeigt. Ebenfalls die Ausstattung, hier ist aus meiner Sicht alles akkurat historisch korrekt. Von der Frisur, über das Mobiliar, das Stadt- und Straßenbild bis hin zur Mode. Man wird förmlich in diese Zeit hineingerissen. Der Film endet mit dem Einmarsch der russischen Soldaten 1945.
Es ist nicht nur eine der gelungensten Literaturverfilmungen, die ich kenne, sondern auch gleichzeitig spannender Geschichtsunterricht. Ein Meisterwerk von epischem Ausmaß, welches so toll gefilmt und erzählt ist, wie ich es schon lange nicht mehr erlebt habe. Eine durch und durch deutsche Familiensaga, die auf dem selben Niveau glitzert wie ein "Fanny och Alexander".
Völlig zurecht einer DER Klassiker der deutschen Fernsehgeschichte.

Samstag, 18. Mai 2019

Nehëmah - Light Of A Dead Star

Nehëmah-Light-Of-A-Dead-Star

“Light Of A Dead Star“ kann man mit ruhigem Gewissen als einen Klassiker des französischen Black Metal ansehen.
Black Metal der alten Schule, verpackt in einem fantastischen, voluminösen Soundgewand und einer zutiefst finsteren Stimmung. Spielerisch beweisen die vier Franzosen ein überdurchschnittliches Geschick an den Instrumenten, was sich in den sechs Songs niederschlägt.
Eröffnet wird dieser kalte Sturm mit Feuerknistern und minimalen Ambientklängen, stimmungs- und geheimnisvoll bauen diese 3 Minuten in ‘The Witch Burns…‘ eine schaurige Atmosphäre auf.
Mit “Light Of The Dead Star” wird man sofort 10 Jahre zurückgeworfen, die Gitarre sägt gnadenlos roh durch den Gehörgang und das mächtige Drumming treibt den Song immens nach vorne.
Auffallend ist sofort der dennoch räumliche Gitarrensound und die Präsenz des Basses, alles mit dem Black Metal typischen Hall unterlegt.
Auch Sänger Corven weiß mit seinem prägnanten Kreischgesang zu überzeugen und besitzt nebenbei noch eine gewisse eigene Note.
Die teilweise überlangen Songs (zwischen 5 und 12 Minuten) werden durch dezente Keyboardflächen stimmig untermalt, Tempovariationen sorgen für hochgradige Abwechslung und auch cleaner Gesang kommt zum Einsatz.
Besonders die geschickten Tempowechsel sind die großen Stärken von “Light Of A Dead Star“.
Hier wird nicht 50 Minuten lang drauflos geprügelt, sondern eine finstere Stimmung heraufbeschworen, die es locker mit den frühen Klassikern der zweiten Black Metal Welle aufnehmen kann.
Bei dem ersten Hördurchgang klingen die Songs noch alle nach typischen Black Metal skandinavischer Prägung, doch spätesten beim dritten Versuch, sollten sich die morbiden Kompositionen in ihrer Vielfalt erschließen.
Einzelne Songs hervorzuheben macht wenig Sinn, denn “Light Of A Dead Star“ funktioniert als eine homogene Einheit. Der Fluss des Albums ist spannend, bedrückend und herausfordernd. Jeder Ton ist geschickt platziert, das abwechslungsreiche Drumming hält die Songs immer zusammen und die sägende und bedrohliche Gitarrenarbeit ist typisch Black Metal.
Auch das Gespür, mit welchem NEHËMAH Melodien erschaffen, ist phänomenal stark. Ob leicht orientalisch, tieftraurig oder einfach nur beklemmend, die Melodien auf “Light Of A Dead Star“ haben einen ganz speziellen Reiz.
Die ganze Stimmung, die auf dem Album erschaffen wurde, ist tiefschwarz und beängstigend überzeugend eingefangen.
Frei von progressiven Einflüssen, klinischen Sounds, klebrigen Melodien und einem Keyboardoverkill, lebt “Light Of A Dead Star“ von seiner ehrfürchtigen Atmosphäre und dem Können der vier Musiker, die auch mal dezent auf genrefremde Rhythmiken und Elemente zurückgreifen.
Sicherlich ist “Light Of A Dead Star“ kein revolutionäres Album, alles kommt einen vertraut vor. Tempowechsel a’la DARKTHRONE, Anlehnungen an ganz alte EMPEROR oder die fanatische Stimmung der ersten BURZUM Alben finden sich in fast jedem Song wieder.
Doch was NEHËMAH innerhalb der engen Grenzen des Black Metal mit “Light Of A Dead Star“ geformt haben, ist monumental stark und beeindruckend, abwechslungsreich und wahnsinnig spannend und intensiv.
Selten wurde nach der zweiten Black Metal Welle so ein konzentriert gutes, harmonisches und authentisches Black Metal Werk erschaffen, wie es den Franzosen NEHËMAH mit ihrem Debüt gelungen ist.

Dienstag, 2. April 2019

Emperor - Anthems To The Welkin At Dusk

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Donnerstag, den 17.07.1997

"Werte Frau Mutter,

wie Sie wissen, wohne ich nun schon seit gut 54 Jahren neben Ihrer Wohnung. Ich habe Ihren Buben von klein auf aufwachsen sehen. Dieses süße, blonde Kind mit den lockigen Haaren und dem frechen Gesicht. Dies gehört nun leider schon länger der Vergangenheit an, und die beängstigende Entwicklung Ihres Sohnes beobachte ich nun schon intensiv in den letzten Jahren. Was ist aus dem niedlichen Topfschnitt geworden? Lange Haare, wie ein Mädchen, trägt er nun, ohne sich dafür zu schämen. Dazu diese schreckliche Kleidung. Zerrissene Jeans, anstößige schwarze Nickis mit Wörtern, die man nicht lesen kann, dazu diese grässliche Lederjacke. Da bekommt man es mit der Angst zu tun und schließt seine Haustür schon am frühen Nachmittag ab, nur damit man nicht plötzlich einer Gefahr gegenübersteht. Wissen Sie eigentlich, dass Ihr Sohn nach der Schule seit kurzem immer dieses Mädchen mit enorm entwickelter Oberweite mit zu sich nach Hause nimmt? Sie sind ja bis zum späten Abend auf Arbeit, und ich mache mir da so meine Gedanken, was man in diesem Alter bereits alles anstellen kann. Aber das sollten Sie selber mit Ihrem Sohn klären, da möchte ich mich nicht auch noch einmischen.

Grund für mein Schreiben ist der ständige Krach, der nun schon seit dem 9. Juli aus Ihrer Wohnung kommt. Es klingt, als ob die Hölle auf Erden wandelt. Fürchterliches Geschrei von Todesangst, wo man kein einziges Wort versteht, laute Rockmusik, schlimmer als die von Drafi Deutscher, und Fanfaren, die nach satanischen Ritualen klingen. Ich habe bereits Beschwerde beim Vermieterbund eingereicht, und wenn dieser ständige Lärm nicht sofort ein Ende hat, benachrichtige ich die Polizei und die Eltern von dem Mädchen! Ihre Pakete, die auch zum großen Teil für Ihren Sohn sind, nehme ich auch nicht mehr entgegen. Und bei dem nächsten Treffen Ihres Sohnes mit seinen Freunden vor dem Hauseingang, schütte ich einen Eimer kaltes Wasser aus dem Fenster!

Mit freundlichem Gruß, xxxxxx xxxxxxxxxxx"

So oder so ähnlich musste es damals abgelaufen sein, als ich das beste grüne Album neben "Close to the Edge", "Slow, Deep and Hard" und "World Coming Down" zum ersten Mal in den Händen hielt, das majestätische und leicht verschwommene Cover stundenlang inspizierte, mir die Songtitel auf dem Backcover vor Augen hielt und dabei jeweils mit bewunderten Blicken die vier jungen Musiker Ihsahn, Samoth, Trym und Alver betrachtete. Mit verschwitzten Händen legte ich die CD ganz behutsam in den Player und wartete ab, was da auf mich einwirken sollte.

‘Alsvartr (The Oath)‘ - man kann es einfach nicht oft genug sagen, ist und bleibt das größenwahnsinnigste Intro, welches mir bis heute unter die Ohren gekommen ist. Mit schleichender Behutsamkeit wird eine unheimliche und unwirkliche Stimmung erzeugt, obwohl es bereits die ganze Zeit im Hintergrund fieberhaft brodelt. Dann, dieser Moment der Göttlichkeit, es dröhnt und tost, stürmische Fanfaren, Engel stürzen vom Himmel, Luzifers Posaunen begleiten diesen Sturz um dann vom Kaiser empfangen zu werden. „Oh, Unbeschreiblichkeit der Himmel, es war die Herrlichkeit, und die Herrlichkeit wurde Fleisch! Wie ein Vogel, aus dem kostbaren Metall des Weltalls gesponnen. Wie Silberwein, der durch ein Raumschiff schwebt. Hier wird Schwerkraft zum Unsinn! Und während ich lauschte, sah ich so liebliche Bilder. Und, oh meine Brüder, für einen Augenblick war’s, als sei ein großer, bunter Vogel in mein Zimmer gerauscht! Und ich spürte, wie sich all meine Body-Härchen aufrichteten, und ein Schauer kroch langsam an mir rauf und runter, als wär’s eine Eidechse. Engels-Trompeten und Teufels-Posaunen!“ (Zitat aus “A Clockwork Orange“, 1972) Dieser Übergang in das alles überrennende ‘Ye Entrancemperium‘, dieses Gitarrenriff, das unmenschliche Drumming von Trym, diese ganze in sich zusammenbrechende Welt, gehört so ziemlich zu meinen unvergesslichsten Jugendmomenten.

Ich weiß gar nicht, wie oft ich nach dem Song sofort von vorne begonnen hatte, mir ‘Alsvartr (The Oath)‘ und ‘Ye Entrancemperium‘ wieder anzuhören, mich völlig hinzugeben, den Übergang auf der absoluten Höhe der Lust zu genießen, um dann mit den folgenden 5 Minuten von ‘Ye Entrancemperium‘ alles um sich herum zu vergessen. Sonnenschein, Hausaufgaben, die tägliche Baywatch Folge, Badespaß mit Kumpels am See und natürlich das tägliche Buhlen um meine damalige große Liebe - alles wurde mit einem Schlag ausgelöscht, nichts und niemand interessierte mich in diesem Moment der völligen Abwesenheit, um gebannt vor der Anlage zu knien, mit dem Booklet und der goldenen Schrift in der Hand Ihsahn zu folgen und sich völlig der Musik hinzugeben, war der größte und schönste Moment für mich im Jahr 1997.

Ich konnte nicht mehr ohne "Anthems to the Welkin at Dusk". Kein Tag verging, ohne dieses Album zu hören. Kein Tag, an dem ich nicht jeden, der mich kannte, egal ob im Freundeskreis, den Mädels, die sich mit mir auf offener Straße zeigten oder innerhalb der Familie, dieses Album vorspielen wollte, diese Musik begeisternd präsentieren wollte. Leider stand ich damit meistens alleine da und wurde nur mit fragenden und verständnislosen Blicken bestraft. Meine Nachbarn allerdings mussten sich jeden Tag, ob sie wollten oder nicht, mit diesem Werk "beschäftigen", es ging gar nicht anders. Es war ja nicht so, dass sie eine Wahl gehabt hätten, wenn ich am Nachmittag die Boxen an den Rand der Belastung getrieben hatte.

Und so bewegte ich mich durch den ganzen Sommer 1997, Hand in Hand mit "Anthems to the Welkin at Dusk", anstatt mit meiner einstigen großen Liebe, die mich immer merkwürdiger fand.

"Anthems to the Welkin at Dusk" ist ein Album, mit dem ich immer gewisse Momente, Lebensabschnitte und Erlebnisse verbinde, welches auch wirklich ein Teil von mir ist. Es ist für mich nicht einfach nur das mächtigste und intelligenteste Black Metal Album, was unter der Bezeichnung Black Metal entstanden ist. "Anthems to the Welkin at Dusk" gehört für mich zu den wichtigsten Werken der Musik, die mich bis heute begleiten, egal ob es nun Black Metal ist oder einfach nur beängstigende traumhaft magische Musik, die für mich so wertvoll ist wie ein Erdbeereisbecher mit frischen Erdbeeren und frischer luftiger Sahne und richtigem Eis, welches man im Sommer mit Freunden und der Dame seines Lebens im Freien genießt und in diesem Moment der glücklichste Mensch ist, weil man dieses grüne Album kennenlernen durfte, von diesem Album bereits durch drei Jahrzehnte begleitet wird und weil Musik einfach die schönste Form von Kunst darstellt, die schönste Form Gefühle auszudrücken, und man mit Musik die schönsten Erinnerungen verbindet. Und genau solche Art von Alben sind es, die für immer durch Bauch, Herz, Kopf und Nerven wandern, stündlich, täglich, Monate, Jahre und Jahrzehnte jung bleiben und das Leben lebenswert machen.

"Anthems to the Welkin at Dusk" gehört mit seiner dreiviertel Stunde Zauberei und Magie zu den wertvollsten Dingen, die ich besitze. Es spielt dabei überhaupt keine Rolle, dass die Produktion nicht perfekt ist (verwaschen und unausbalanciert), die Keyboards nicht mehr zeitgemäß klingen (aber immer noch so mächtig schmettern wie am 7. Juli 1997) und dass schon damals diese haarsträubenden Kommentare zum Thema "ist das noch Black Metal, ist das überhaupt noch trve?" ohne Beachtung von mir links stehengelassen wurden. Mir persönlich haben sich nur wenige Alben so sehr ins Hirn gebrannt, mit denen ich so viel verbinde, wie mit "Anthems to the Welkin at Dusk". Neben "Left Hand Path" musste ich mir dieses grüne Album wirklich ein zweites Mal nachkaufen, da ich "Anthems to the Welkin at Dusk" überall mit hingeschleppt habe, und irgendwann die Silberscheibe nicht mehr wollte. Und als ob "Anthems to the Welkin at Dusk" nicht schon der Gipfel der Lust wäre, durfte ich wenige Wochen später "In the Nightside Eclipse" erleben und wurde fassungslos von einer Band gefangen genommen, die man mit Worten nur schwer würdig wird.

Und somit endet der Text hier mit den mächtigen Worten, die in Verbindung mit der Musik, für meinen größten musikalischen Gänsehautmoment gesorgt haben:

"O'Nightspirit
I am one with thee
I am the eternal power
I am the Emperor"

Samstag, 9. März 2019

Idioterne

Regie: Lars vom Trier, 1998

Lars von Trier, was bist du nur für ein krankes Stück Mensch?
Eine Gruppe von Frauen und Männern leben zusammen in einem leeren Haus, sozusagen als Kommune. Draußen, auf der Straße, in öffentlichen Einrichtungen, "verwandeln" sie sich bis auf 1-2 Personen in geistig wie auch körperlich behinderte Menschen. Dabei ist an jedem Tag immer eine andere Personen aus der Gruppe für die Rolle des Betreuers zuständig, damit jeder mal Spass haben darf. "Getarnt" in diesem "Zustand", testen sie die Grenzen und die Reaktionen der "normalen" Menschen aus und versuchen dabei immer zu entlarven. Manche Situationen sind herrlich lustig (auf eine ganz unangenehme Weise), andere hingegen sind sehr gut eingefangen und teilweise auch hart an der Grenze.
Lars von Trier scheut dabei vor nichts zurück. Es gibt ausladende Nacktszenen von Mumus und Pillemännern inkl. einer echten Pinkelszene im Männerklo und 'ne halbe Erektion in der Damendusche. Die Kamera hält drauf, wo es nur geht. Die "Krönung" ist dann die "hingeklatschte" Rudelbumsen-Szene, die nichts weiter zeigt, als unzensierten Sex. Für damalige Verhältnisse (1998), war das durchaus mutig. Zum Schluss driftet der Film zwar zu sehr in zwischenmenschlichen Murks ab und ist nach hinten raus etwas zäh, konnte mich aber über die ganze Spielzeit, ähm, unterhalten. Wer nun die wirklichen Idioten waren oder sind, die "normalen" (Spieß)Bürger oder die gespielten Behinderten, muss dann jeder für sich entscheiden. Ob man sich überhaupt diesen Film ansehen möchte, ist auch eine wichtige Frage.
Für definitiv 90% der Normalsterblichen sicherlich nicht zumutbar und auch überhaupt nicht empfehlenswert. Ich jedoch fresse Lars aus der Hand und bin froh, dass es solche Regisseure überhaupt gibt. Filmtechnisch läuft alles im Rahmen der dänischen Dogma-Reihe (Dogma 95) ab, sprich Handkamera und keine künstlichen Hilfsmittel wie Beleuchtung, Nachvertonung etc.. Wer allerdings von "Festen" begeistert war, sollte mal ein Auge riskieren, auch wenn beide Filme inhaltlich meilenweit auseinanderliegen.

Samstag, 2. März 2019

Krótki film o zabijaniu

Regie: Krzysztof Kieślowski, 1988

Ein polnischer Film mit dem deutschen Titel "Ein kurzer Film über das Töten" von Krzysztof Kieślowski, mit dem ich mich wohl demnächst intensiver beschäftigen werde.
In modrigen-grünen Bildern beobachtet man drei< Personen im schaurig-tristen Warschau von 1988 mit seinen Plattenbauten und schlammigen Straßen. Einen Rechtsanwalt, einen ziellosen jungen Mann und einen eher übellaunigen Taxifahrer.
Kern des Films ist ein Mord, der extrem realistisch in Szene gesetzt wurde und die folgende Todesstrafe für den Täter, die damals noch in Polen praktiziert wurde. Der Mord wird allerdings nicht im blutigen Overstyle dargestellt, sondern in langen, qualvollen Bildern. Abgelegen, trist, hilflos und kalt. Ging mir zumindest sehr an die Nieren, auch wenn ich von der schnörkellosen Schonungslosigkeit begeistert bin.
Eigentlich passiert in dem Film über fast die gesamte (nicht gerade lange) Laufzeit nicht viel, wobei aber gerade diese tristen Bilder von Warschau eine intensive Anziehungskraft in mir ausüben. Optisch kein einfacher Film, der mit konventionellen Sehgewohnheiten nichts gemeinsam hat.
Die eigentlich thematisierte Todesstrafe zum Ende des Films, ist zwar eher kurz dargestellt, dafür aber umso glaubwürdiger und aufrüttelnder als in dem z.B. eher lauen “Dead Man Walking“.
Hier ist man mittendrin, in der emotionslosen Ausführung der Hinrichtung - auch wenn diese unspektakulär dargestellt wird und somit noch unangenehmer ist als der ohnehin schon schonungslose Mord.
Wohl oder übel werde ich mir ein paar andere Filme von Kieślowski besorgen, der unter Filmkennern ja hochgeschätzt wird. Ich stehe einfach viel zu sehr auf diesen Stil, europäisches Kino, kleinere Filme mit großer Wirkung und Kamerabilder mit Ecken und Kanten.