Blog heiraten

Dienstag, 11. Februar 2014

Roxy Music - Roxy Music

Roxy Music - Roxy Music
Wonderman Bryan Ferry und seine Mitmusiker, darunter so unbekannte Namen wie Paul Thompson, Brian Eno oder Phil Manzanera, haben der Menschheit zusammen mit ROXY MUSIC nicht nur weltbekannte Hits hinterlassen, sondern 1972 die Musikwelt ordentlich in den Arsch getreten. Wenn man die durchweg tollen Popwerke mal außen vor lässt, also alles was nach "Roxy Music" erschien, gehört das Debüt zu einem der einflussreichsten Prototypen von allem, was gute Musik ausmacht. Nicht nur der extreme Einfluss auf den Punk, sondern auch auf Komposition, Kreativität, Anspruch, Freiheit (heute unbezahlbar im "Musikbusiness"), Niveau und der eigenen Grenzenlosigkeit. Und ich verwette meinen frühmorgendlichen Schlüpfer, dass ein gewisser Bruce Frederick Joseph dieses Album ganz oft gehört hat.
Mit Andrew Mackay hatte man sogar noch einen herrlich verrückten Saxophonist in den Sound integriert. Und als ob die Hochzeit des Progressive Rocks 1972 nicht schon genug Meisterwerke ausgespuckt hätte, wurde heimlich, still und leise mit diesem Debüt ein Meilenstein der Rockgeschichte zwischen ELP-Bombast, Yes-Größenwahn und Genesis-Traumlandschaften veröffentlicht, der gleichzeitig Punk, Pop, Rock, Glam und Prog war.
Schrill, schräg, manchmal nervig, oft anstrengend aber immer großartig. Die Musik auf diesem Album kann man auch sehr schwierig beschreiben. BOWIE trifft auf "Fun House" von THE STOOGES und reitet auf dem T-REX zu den "Comic-Songs" von ELP zurück in die 60er, um sich vom Wegweiser "Revolver" zur LSD-Gruppensex-Party bringen zu lassen.
Sicherlich ist hier nicht jeder Song zwingend, aber alleine wegen dem Opener 'Re-Make/Re-Model', ist das Gerät für mich unsterblich geworden. Weitere Wahnsinnstaten sind 'Virginia Plain' - ein lupenreiner Tanzhit, 'If there is somethin' - Bryan Ferry muss seinen Gesang im Irrenhaus aufgenommen haben und 'Sea Breezes' - das Meisterwerk auf dem Album. Nicht zu unterschätzen ist auch die revolutionäre Technik, die Brian Eno hier verwendet und wie er damit wie kein anderer umgeht. Nur auf seinen bahnbrechenden Solo-Werken war er noch (viel) besser.
Nichtsdestotrotz, ist "Roxy Music" aber ein klassisches Band-Album und eines der wichtigsten Abbilder aus dieser musikhistorisch wichtigen Epoche. Auch wenn für mich persönlich immer dieses psychopatische Wimmern von Bryan Ferry auf diesem Werk an erster Stelle steht. Übrigens genau so ein Halbgott für mich, wie David Byrne. Wobei ich mir immer einrede, dass Ferry der ältere Bruder von Byrne sein muss. Typen (!), die leider so gut wie ausgestorben sind.

Montag, 10. Februar 2014

Nirvana - Bleach

Nirvana-Bleach

Gleich vorneweg: ich bin überhaupt kein NIRVANA-Fan, halte "Nevermind" für eines der arrogant überschätzten Musikwerke überhaupt und kann auch bis heute nicht verstehen, wie so ein Stümper wie Cobain es geschafft hat, dass er in einem Atemzug zusammen mit den Größen der Rockmusik genannt wird.
Aber anstatt hier über ein belangloses Werk herzuziehen, wo doch wirklich schon jeder sein Maul dazu einschläfernd geöffnet hat, möchte ich lieber kurz und knapp auf das relativ unbekannte Debüt eingehen, weil es für mich halt auch das einzige NIRVANA-Album ist, dass in seiner urigen Eigenart schon fast als cool zu bezeichnen ist.
Noch ohne David Grohl, stümpern sich Cobain, Novoselić und Channing durch 13 wahrhaft schlechte Amateur-Songs, die aber durch die jugendliche Energie, die übrigens von Produzent Jack Endino unverändert auf dem Album beibehalten wurde und nicht wie auf "Nevermind" von Butch Vig am Bügelbrett ohne Grund brav glatt- und kaputtgebügelt wurde, einen nicht wegzudiskutierenden Charme besitzen. Endino hat hier übrigens einen wirklich fantastischen Sound geschaffen, den ich gerne (öfter) mal in dieser Art bei anderen Bands hören würde. Ich bin aber auch hart Fan von diesem Sound. Vertonter Dreck, widerliche Direktheit, hässlicher Dilettantismus.
Allerdings hatten SOUNDGARDEN ein Jahr zuvor schon mit "Ultramega OK" kleine Standards gesetzt, an denen bereits in einer besseren Welt NIRVANA immer hätten knabbern müssen, aber es kam halt wie immer ganz anders. Klammert man den ganzen aufgeblasenen Rummel aus, den "Nevermind" 1991 auslöste und ironischerweise den letzten großen "Star" der Musikgeschichte bis heute hervorgebracht hat, ist "Bleach" ein tolles kleines Underground-Werk, was in meiner diffusen Welt für seine Verhältnisse völlig super klingt.
Straffer (Hard) Rock und ganz leichte Metal-Einflüsse ohne Sinn und Verstand, dafür mit Spaß und einer fast schon bewundernswerten Leichtsinnigkeit, werden auf "Bleach" unbekümmert ausgelebt. Hits sucht man vergeblich, genauso wenig findet man eingängige (Radio) Songs. Anspruch scheidet völlig aus.
Mehr fällt mir jetzt auch nicht zum Album ein, ist halt eigentlich auch schon eher unbedeutend, für mich aber nach wie vor das einzige Werk von Cobain, welches ich mir ohne Hirnschmerzen anhören kann und auch gute Laune dabei bekomme.

Samstag, 8. Februar 2014

Waltari - So Fine!

Waltari-So-Fine!

"So Fine!" habe ich erst kürzlich für mich wiederentdeckt, gute 10 Jahre nicht mehr gehört und wie damals in den Neunzigern habe ich mich zappelnd und willig diesem Dopamin-Ansturm unterworfen.
Wie gut das Album auch heute noch klingt; frisch, unverbraucht, mitreißend und glücklich machend - überzogene Dekadenz, verpackt in einer der für mich besten (Metal) Produktion, die in den 90ern realisiert wurde.
Der Sound, entstanden unter Mikko Karmila und der Beihilfe von WALTARI selber, hebt sich nicht nur durch seine glasklare, druckvolle und ausbalancierte Feinheit ab, der zudem passend die Moderne und den einzigartigen und sehr schrägen Crossover-Charakter fantastisch betont, sondern ist eine dieser typischen Produktionen, die man wohl als zeitlos bezeichnet. Spontan fällt mir da nur noch "Angel Dust" von FAITH NO MORE als Vergleich ein.
Im Grunde genommen ist "So Fine!" ein unberechenbarer Überraschungstrip, vollgestopft mit kreativen Ideen, genreübergreifenden Stilvermischungen und brachialer Rücksichtslosigkeit und degradiert eigentlich so jede progressive Schlagerkapelle, die in den Neunzigern Ekel erzeugten, zu Komapatienten. Auf "So Fine!" wird dies wie bei kaum einem anderen (Kunst)Werk aus dieser Zeit enthüllt und gnadenlos zur Schau gestellt. Sinnlich, frech, verspielt, neugierig, ballaststoffarm, funky, ohne Regeln und komplett fetzig - eben ein knallbunter musikalischer Kindergarten, wo der Fantasie keine Grenzen gesetzt werden.
Mike Patton knattert der besoffenen Alten von 2 UNLIMITED auf einem Bravo-Meeting unter einer Überdosis Koffein den nächsten großen Dancefloor-Hit bis unter die Schädeldecke, rutscht wegen den vielen Rhythmuswechseln des Ficksoundtracks, für den sich VOIVOD verantwortlich zeichnen, aus Versehen in den Auspuff von Anita Doth, die explosionsartig kreischt wie am Spieß (lölchen), wobei Mike Patton erst dadurch zu seinem Lebenswerk FANTÔMAS inspiriert wurde, vorher noch das Gestörten-Monstrum "Disco Volante" veröffentlicht, wo er diesen Moment seelisch verarbeitet und noch Jahre später Shane Embury von NAPALM DEATH von diesem Erlebnis erzählt, wie Grindcore eigentlich wirklich funktioniert.
Eine scheinbar kleine unbedeutende Geschichte, die aber scheinbar einige Wellen auslöste. Man könnte sich natürlich auch stundenlang auf den wohl geilsten Metal-Tanz-Hit der 90er stürzen, den Aufbau auseinandernehmen, den Refrain studieren, über den fantastischen (Jung)Frauenchor philosophieren und jede Ohrwurmmelodie bereitwillig folgen. Oder man bestaunt 'A Forest', eine der besten umgesetzten und mit eigenem Duft versehenen Coverversionen, die ich irgendwo auf einem Album gehört habe. Aber WALTARI können halt noch so viel mehr. Ob es völlig überzogene Comic-Lieder wie 'Piggy In The Middle' sind, Tanzflächenfüller wie 'To Give', Seilhüpfsongs wie 'Mad Boy' und 'The Beginning Song', die Psychoanalyse 'Autumn', mächtige Eurodance-Zitate wie 'Rhythm is a Cancer' oder das verstörende und abschreckende Abschlussmonster 'Mysterious', wo noch mal alles aus der Anstalt WALTARI aufgeboten wird - "So Fine!" gehört zu eines der wasserdichtesten, wichtigsten und befreiendsten Meisterwerken, was dem Heavy Metal in den 90er Jahren passiert ist.
Gibt's heute solche Kreativkinder eigentlich noch in der "Szene"?

Freitag, 7. Februar 2014

C'est arrivé près de chez vous (Man Bites Dog)

C'est-arrivé-près-de-chez-vous-(Man-Bites-Dog)
Regie: Rémy Belvaux, André Bonzel, Benoît Poelvoorde, 1992

Da ich diesen Film immer nenne, wenn es um gute, eigenwillige und besondere Filme geht, habe ich mir gedacht, dass ich jetzt einfach mal meinen (heimlichen) Lieblingsfilm nochmal auseinandernehme und hier vorstelle.
Um was geht es?
In "Man Bites Dog" wird ein Berufskiller tagelang von einem Kamerateam begleitet, dabei entsteht der Eindruck, dass es sich um eine Dokumentation handelt. Zwischen dem Killer Benoît, der grandios von Benoît Poelvoorde gespielt wird, und dem Reporterteam, entsteht mit der Zeit eine Art Freundschaft, die so weit geht, dass die Filmemacher sogar aktiv Benoît unterstützen. Das ist die grobe Rahmenhandlung dieser einzigartigen "Mockumentary". Der Film gilt als einer der "billigsten" Filme Belgiens, was man ihn aber zu keiner Sekunde, und selbst über 20 Jahre später, ansieht. Das liegt zum einen daran, dass der Film in schwarzweiß gedreht wurde, grobkörnig und gefühllos, und zum anderen, dass der Film sich zu 95% mit dem Killer beschäftigt und eigentlich so gut wie immer Benoît im Bild ist. Das hätte natürlich extrem in die Hose gehen können, aber wie Benoît den Film trägt, ist in dieser Weise unerreicht. "Benoît ist unser europäischer De Niro", so André Bonzel, einer der drei Regisseure des Films. Kann man mal im Raum stehen lassen.
Der Film schockiert, ist brutal offen, kennt kein wirkliches Tabu, oft geschmacklos, unangenehm, faszinierend und bitterböse.
Ja, der Film ist richtig böse und fies. Aber: "Man Bites Dog" ist auch wahnsinnig fesselnd und unterhaltsam, er ist lustig und erstickt förmlich an seinem zynischen Schwarzhumor, lässt einen nicht mehr los, nachdem man den ersten Mord, der sofort in den ersten Sekunden am Filmanfang stattfindet (um gleich zu wissen, mit was man es hier zu tun hat) überlebt hat. Eine Minute später erklärt Benoît, vor einer Leiche kniend, mathematisch wie man eine Leiche ordentlich mit Gewichten ausstattet, um sie im Wasser zu versenken. Dabei geht er tiefer ins Detail und erklärt den Unterschied zwischen erwachsenen Menschen und Kindern (sie sind ja leichter) oder Zwergen. Bei älteren Menschen sind zudem die Knochen porös, dass muss man alles beachten und berechnen. Alleine dieser ca. knapp 40 Sekunden-Dialog von Benoît hat mich damals komplett aus der Lederhose geschossen. Mit welcher Normalität er ohne auch nur mit der Wimper zu zucken diesen Vortrag hält, ist nicht nur unglaublich bitterböse komisch, sondern gleichzeitig auch eiskalt.
Benoît ist ein ständig plappernder Erzähler, der aber zu keiner Sekunde nervig wirkt - man hört Benoît mit einer Faszination zu, ohne zu bemerken, dass da gerade eigentlich ganz schlimme Dinge erklärt werden und Szenen ablaufen. Zudem ist der Killer kein Hollywoodbild, er ist kein künstlicher Charakter. Ein dünner, unauffälliger Mensch - bodenständig und natürlich. Hier werden keine Klischees bedient.
Und das ist meiner Meinung nach auch die größte Stärke des Films. Diese Dialoge, Vorträge und Geschichten von Benoît, die er unzensiert in die Kamera rotzt. Dabei philosophiert er auch oft über normale Dinge im Alltag, spricht über Armut und Politik - in diesen Momenten ist er ein Mensch, keine Bestie.
Der Film hat unglaublich viele Szenen-Highlights und "ruhige" Dialogteile. Meine Lieblingsszene spielt in einer Kneipe, wo er am Tisch einen Mist zusammenredet, aber seine Aussagen wie Poesie herüberkommen. Oder die Szene, in der Benoît einen Farbigen ermordet ("Ein schwarzer Nachtwächter. Das ist nicht nur hinterhältig, das ist ekelhaft. Nur damit man ihn nicht sieht.") und gleich darauf das Kamerateam auffordert gemeinsam DAS Geheimnis zu lüften. Dieser Kontrast zwischen knallharten Bildern und urkomischen Kommentaren, macht den Film nicht nur ungemein interessant, sondern man ertappt sich selber bei seinem Voyeurismus. Und die knallharten Szenen sind dann auch wirklich beängstigend schonungslos. Es gibt Szenen, da möchte man den Film eigentlich nicht empfehlen. Ein Kindermord und der krasse verstörende Wendepunkt in dem Film: eine (Gruppen)Vergewaltigung, die den Zuschauer direkt in das Wachkoma schickt. Wer sich bei "Irreversibel" übergeben hat, wird hier seinen Tod finden. Allerdings würde man dann auch den für mich großartigsten Film der 90er Jahre verpassen. Es wäre einfach unfair, dass man den Film auf diese (wirklich wichtige) Szene reduziert, denn erst dadurch verliert man diese unwirkliche hohe Sympathie an der Hauptfigur. Man erkennt plötzlich brutal, mit was man es hier zu tun hat.
Ich weiß nicht wie oft ich den Film schon gesehen habe, Freunden gezeigt habe (die bisher immer begeistert waren) und immer wieder über groteske Situationen gelacht habe, wo es eigentlich nichts zu lachen gibt. Ein Film, der die angeblichen fiesen Filme von Haneke und von Trier in den Schatten stellt und sie wie Romatikkomödien erscheinen lässt.
Ein Quentin Tarantino vergöttert diesen Film, es ist einer der wenigen Filme, die man als wirklichen Kult bezeichnen kann, eine einsame Perle an Ideenreichtum, Kreativität und monströs guten Dialogen. Der Film wurde zum Glück letztes Jahr ungeschnitten über Arthaus / StudioCanal auf DVD veröffentlicht und hat zudem ein kleines Begleitbuch mit Hintergrundinformationen und einem Interview beiliegen. Heute ja eine Seltenheit. Die Synchronisation ist übrigens sehr gelungen.
"Man Bites Dog" - Der einzige Film, den ich auch ohne Pistole an der Schläfe nennen würde, wenn es heißt: 1 Film, den man gesehen haben muss!?

Donnerstag, 6. Februar 2014

Scott Walker - The Drift

Scott-Walker-The-Drift

Was ist das dunkelste, verstörendste und düsterste, was ihr an Musik gehört habt? Genreunabhängig. Multipliziert das mit allen Dämonen, die in der Hölle leben und stellt euch vor, diese haben einen Musiker auf den Grund des Marianengrabens verbannt, der dort, ohne Hilfsmittel und Licht, in seinem Kopf ein musikalisches Abbild von Schwärze formt, welches die Menschheit vorher und bis heute noch nie gehört hat. Tote Babies fliegen mit heraushängenden winkenden Innereien durch die Luft.
Oder stellt euch vor, solche Typen wie Fritz Haarmann, Andrej Tschikatilo, H. H. Holmes, Ed Gein, Karl Denke, John Wayne Gacy, Albert Fish, Nikolai Dzhurmongaliev und Jeffrey Dahmer haben sich zu einer Big Band zusammengetan, um ihre Hirnaktivitäten in die Form von Musik zu transformieren, die von Charles Manson dirigiert wird. Weinende Mülltonnen rollen durch menschenleere Gassen.
"The Drift", meine Damen und Herren, ist das schwärzeste Stück Musik, was ein Mensch bisher erschaffen hat. Aber erst wenn Steckdose und Finger heiraten, ist das rohe Fleisch gar. "The Drift" geht weit über normale Musik hinaus, ist mir das einzig bekannte Album, welches völlig losgelöst in der Musikgeschichte nicht messbar ist, keine Vergleiche erlaubt und auch das einzige Werk, mit dem ich mich schon seit Jahren beschäftige und immer noch nicht begreife. Blutender Stuhl läuft stückig, sämig und unverdaut wie warmer Matsch den Oberschenkel herunter.
Hatte ich auf dem nicht weniger seelenzerstörenden Angstalbum und Todesritt "Tilt" von 1995 doch noch Zugang gefunden, ist mir dieser auf "The Drift" immer noch nicht gestattet. Schmerzende Parodontose-Wut im Zahn legt empfindliche Nerven frei.
Dabei ist "Tilt" schon ein Machtmonster unaussprechlicher Ängste und vielleicht sogar das größte und einzige beste Werk der 90er. Irrlichter werfen schwarze Schatten.
Scott Walker, der bekannte Unbekannte, Visionär und Revolutionär und ehrfürchtig geschätzter und respektierter Künstler von allen musikalischen Größen, ist ein alleiniges und schwer zu begreifendes Genie, welches sich Hörgewohnheiten, Musikstrukturen, Rhythmus, Harmonien, Melodien und Klangvorstellungen entledigt und Musik als solche auf ein neues Level gehoben hat. Schwellkörper und Portio erkranken. Seine Vorstellung von Musik, kann man, wenn man mit normalen Vergleichsmustern vorgeht, noch nicht einmal als solche bezeichnen. Glühend heiße Nadeln unter den Fingernägeln beflügeln die Sinne. Man muss sich nur mal die Liste an Gastmusikern betrachten, was überhaupt an Instrumenten aufgefahren wird (Schweinehälfte-Drumming for the fucking win!), welche Breite an extravaganten Klängen auf dem Album herrschen. Aus meinen Körperöffnungen läuft eitrige Säure. Schmerzende Abgründe, vertont und von Scott Walker "grauenvoll" bejammert. Der Selbstverstümmelung untergeordnet und das pulsierende Blut ist längst verfault.
Moderne Musik, zähe Kakophonie, herausfordernd und beängstigend abweisend. Gefangen in einer stinkenden Grube. "The Drift" ist schwer - schwer zu begreifen und schwer von seiner Außergewöhnlichkeit. Gebrochene Glieder lassen den Körper sarkastisch zusammenfallen. Scott Walkers Bariton-Stimme ist ätzend und nervenzehrend, verhindert schon mit dem opernhaften Opener 'Cossacks Are', dass man es mal mit der Musik "versucht". Applaus aus dem Irrenhaus. Ganz oder gar nicht. Blutstillende Schwellungen zerplatzen garstig. Die vollen 69 Minuten einen psychischen Untergang ertragen und hilflos in die Tiefe stürzen, begleitet von Ekel, Abneigung, Terror und Qualen. Von Musik vergewaltigt und durch die eigenen Ausscheidungen geschwängert. Lässt man sich allerdings darauf ein, erweitert seinen (musikalischen) Horizont und überlebt diese Architektur aus Schmerz und Angst, könnte man eine neue Ansicht auf Musik erfahren. Entfachte Seelenernte, gnadenlos und bizarr. Natürlich kann das auch bitter in den Feinripp kleckern, da es ja so "gewollt künstlerisch" klingt, eiskalt, abstoßend lustvoll und steril wie ein Spekulum und so ästhetisch wie ein medizinischer Abstrich. Die Falle schnappt zu, man ist befallen.
Für mich jedoch ist "The Drift" nichts weiter als das mächtigste und finsterste Stück Musik des letzten Jahrzehnts, ein einsames Werk, welches sich von der Zerstörung und dem Verfall menschlicher Rationalität grausam ernährt. Der kichernde Darm platzt, leprakranke Würmer teilen sich. NEUROSIS, TOOL, TRIPTYKON, SWANS - alles Firlefanz!
"The Drift" ist das vernichtende Echo einer Drogen-Überdosis, aphrodisierende Diarrhö, die unersättliche Entleerung des Mageninhaltes und eine grenzenlose brennende Blut-Sperma-Fontäne. Gebacken im Ofen der Unterwelt und mit dem Leichenwagen an die Oberfläche befördert
"I'll punch a donkey in the streets of Galway." "Polish the fork, and stick the fork in him."

Mittwoch, 5. Februar 2014

Talking Heads - Remain in Light

Talking Heads - Remain in Light
Wen man mir heute eine Frage zu den besten Alben der Populärmusik stellen würde, würde “Remain in Light“ von mir wahrscheinlich gar nicht erwähnt werden, weil das Werk so gut ist, dass ich es schlicht vergessen würde, das Werk zu nennen.
Dabei gehören die TALKING HEADS mit ihren ersten vier Alben “Talking Heads: 77“ (1977), “More Songs About Buildings and Food“ (1978), “Fear of Music“ (1979) und besonders das hier gepriesene Lichtwerk zu meinen Musikgöttlichkeiten, auf die ich niemals verzichten möchte. Wer es nicht erkannt hat, die Band um den Chefdenker und Kreativkaiser David Byrne, hat innerhalb von 4 Jahren vier Großartigkeitswerke hintereinander veröffentlicht, von denen “Remain in Light“, von der Band auch selber nicht wieder übertroffen, als eine der mächtigsten Musikrevolution der achtziger Jahre durchgeht.
Der für die Band so typische und doch einzigartige Stil aus Post-Punk und New Wave, wurde auf jedem Werk immer weiterentwickelt, bis diese Entwicklung auf “Remain in Light“ den Höhepunkt erreichte und mit afrikanischen Rhythmen, Weltmusik-Offenheit und einem mitreißenden Funkfundament alle Grenzen gesprengt hat, die damals noch nicht einmal vorhanden waren.
Neben David Byrne, der für mich zum Kreis der unterbewertetsten Künstlern im Musikgeschäft zählt, hat auf dem Album ein ganz großer Gitarrenpsycho einen unvergesslichen Auftritt, der in die Musikgeschichte eingegangen ist.
Adrian Belew bereicherte nicht nur den Sound von TALKING HEADS, sondern schießt das ohnehin schon ungeheuer atemberaubende komponierte Album mit seinem markanten Gitarrenstil in Sphären, die ich mit meinem Wortschatz kaum bis schwer ausdrücken kann. Dabei ist es nicht nur sein auf dem oberflächlichen Höreindruck chaotisches Gitarrenspiel, sondern auch sein Sound, der so fieberhaft in den einzelnen Songs brennt. Und damit hier nicht der Eindruck entsteht, dass Belew der herausstechende “Star“ auf “Remain in Light“ ist, was er zwar ist, aber nicht aufdringlich wahrgenommen wird, muss natürlich auch noch die zuckersüße Tina Weymouth erwähnt werden, die mit ihrem berserkerhaften aber dennoch zarten Bassspiel viele männliche Kollegen hinter sich lässt. Eine Geddy Lee in hübsch und mit Busen, um den extrem hinkenden Vergleich zu verdeutlichen.
Über dem thront natürlich David Byrne mit seiner markanten Stimme und seinem ebenfalls markanten Gesangsstil, sowie seinem verschlingenden Gitarrenrhythmus und seinen großartigen Texten, die mich mehr als ansprechen.
Auf “Remain in Light“ gibt es 40 Minuten lang nur geilstes Musikkonzentrat, ohne Krankheiten, ohne Querschläger und ganz ohne Anbiederungen an die Masse. Die meisten von euch werden wahrscheinlich nur den Welthit ‘Once in a Lifetime‘ kennen, allerdings bietet dieses Werk noch andere 7 Weltwunder. Mein persönlicher Liebling ist ja ‘The Great Curve‘, ein Beat-Groove-Rhythmus-Monster und ein Ideenfeuerwerk der Unfassbarkeit. Außerdem muss man auch gesondert die beiden fantastischen (im wahrsten Sinne des Wortes!) Traumsequenzen ‘Listening Wind‘ und ‘The Overload‘ hervorheben. Heute, fast 35 Jahre später, mag ich behaupten, dass “Remain in Light“ für mich an die Vorstellung eines perfekten Musikalbums sehr nahe kommt und vom Grandmaster Brian Eno mit allen Superlativen produziert wurde.
Um es erdiger auszudrücken: TALKING HEADS waren, zumindest mit ihren ersten vier Alben, eine der coolsten Bands, die jemals in die Musikumlaufbahn geschossen wurden. Eine Band, die es in dieser Art nie wieder geben wird. Einzigartig, faszinierend, grenzenlos, intelligent, unberechenbar - einfach richtig gut eben.