Nach der Auflösung von Carnivore gründete Peter Steele, der zu den zehn größten und prägnantesten Persönlichkeiten im Heavy Metal gehört, mit Type O Negative eine der markantesten, herausragendsten und wichtigsten Band in der Geschichte der langen Männerhaare.
Es ist schon fast unverschämt, dass Type O Negative direkt mit ihrem Debüt nicht nur das beste Album ihrer Karriere abgeliefert haben, sondern mit "Slow, Deep And Hard" ein Unikat in Sachen Hass und Bösartikeit zeugten, was in dieser Form bis heute nie wieder erreicht wurde. "Slow, Deep And Hard" ist nicht nur ein Klassiker der Extreme, es ist eines der ganz großen Meilensteine der harten Musik.
Dabei sind die überlangen und unaussprechlichen Songs spielerisch noch nicht einmal groß anspruchsvoll, sondern von einer Rohheit und Direktheit geprägt, dass die Musik direkt das Knochenmark ausschlürft. Die abnormale Mischung aus punkwildem Hardcore, Zeitlupendoom, Schmerzmittel-Muskelgothic und ruppigem Thrash Metal wurde hier wie auf keinem anderen mir bekannten Album in solch einer Höllenintensität vertont, wie es die vier Brooklyn-Boys hier (aus)leben.
Textlich schießt das Album so gewaltig über Geschmacksgrenzen, dass es eine wahre Freude ist den angepissten Ausbrüchen von Peter Steele zu lauschen. Das alles ist allerdings nichts für nervenschwache Gemüter, denn wenn man den derb-bitteren Sarkasmus, den überzogenen schwarzen Humor und den teilweise persönlichen Hintergrund in den Texten von Peter Steele nicht erkennt, kann das durchaus auch eine abstoßende Wirkung haben. Auch wenn die Band eher für den Schlüpferstürmer "Bloody Kisses" und den Blockbuster "October Rust" bekannt und berühmt ist, ist es dieses Über(menschen)debüt, was in seiner Einzigartigkeit und Pracht eine Sonderstellung im Bereich Hart&Laut inne hat.
Peter Steele verstarb am 14. April 2010 im Alter von 48 Jahren an einem Herzinfarkt und mit ihm auch die Band Type O Negative. Trauriger ist eigentlich nur die Tatsache, dass mit Peter Steele eine große Persönlichkeit, ein charismatischer Charakterkopf und ein kantiges Unikat eine Lücke hinterließ, die nicht geschlossen werden kann.
Dienstag, 23. August 2016
Type O Negative - Slow, Deep And Hard
Celtic Frost - Into The Pandemonium
Bügelt ihr auch so gerne wie ich? Man denkt sich den ganzen Tag auf der Arbeit “ist die Wäsche auf der Leine schon trocken?“ und “welches Album lege ich denn heute dazu auf?“.
“Into The Pandemonium“ von Celtic Frost gilt bei mir ja gemeinhin als der ganz große Wurf der Band.
Die Schweizer hatten auf diesem Klassiker ihre Pforten geöffnet und allerhand Fremdeinflüsse in ihren bis dato urigen und gewaltigen Krachsound Einlass gewährt.
1987, Heavy Metal war mittlerweile nicht mehr die NWoBHM-Schunkelmusik, die härtere Version von Rock und Punk aus den Siebzigern; Maiden, Priest & Co. strauchelten nur noch vor sich hin, während Metallica, Slayer & Co. sowie der weltweite Underground die Musik in immer neue Härtedimensionen rumpelte.
Da kamen auf einmal die Schweizer mit ihrem Zweitwerk daher und hinterließen wohl (ich hab‘ damals noch Petra Zieger, Frank Schöbel und IC Falkenberg im Kindergarten gehört, deswegen kann ich nicht als Zeitzeuge dienen) ‘ne Menge hämmernde Fragezeichen beim tobenden Mob.
Zelebrierten die Schweizer auf ihren beiden EPs und dem Vorgänger den Protosound für die spätere Death Metal-Welle, gab es auf “Into The Pandemonium“ auf einmal Disco, Bauhaus-Wave, elektronische Beatexperimente, Pop, Gothic-Tristesse, fliegende Teppiche, orientalischen Bazar-Zauber, opernhaftes Frauengeträller, orchestrale Arrangements mit Pauken und Trompeten und Thomas Gabriel Fischer sang plötzlich vereinzelt in einer verständlichen Sprache.
Heute läuft das unter dem Namen Avantgarde, damals war das Langhaarvolk damit aber wohl ziemlich überfordert.
Diese größenwahnsinnige Kombination aus dem urtypischen Celtic Frost-Sound (der Gitarrensound gehört halt echt zu den besten Momenten im gesamten Hard’n‘Heavy Bereich) mit den erwähnten Einflüssen gebar diesen kreativen Höhepunkt, ein Geniestreich, der auch nach fast dreißig Jahren zu den ganz großen Meilensteinen der Heavy Metal Musik zählt. Veredelt wurde diese Machtrakete mit einem wunderbaren erdigen und warmen Sound und mit einem Ausschnitt (aus der rechten Höllenseite) aus Hieronymus Boschs Werk “The Garden of Earthly Delights“.
Übrigens wurde ein Heavy Metal Album nie wieder größenwahnsinniger und abgeklärter eröffnet als mit 'Mexican Radio'.
Dienstag, 9. August 2016
Clerks
Regie: Kevin Smith, 1994
Ende der Neunziger irgendwann mal im TV gesehen, ist dieser erste Film von Kevin Smith bei mir irgendwie völlig in Vergessenheit geraten.
Braucht man wohl nicht viel dazu sagen. Eine kleine Perle der Neunziger, für viele tonnenschwerer Kult und ein kleines Abzeichen aus dieser Zeit und der Generation der 90er Jahre.
Brian O’Halloran als Dante und Jeff Anderson als Randal verkörpern die beiden gelangweilten Nichtskönner überzeugend glaubwürdig, auch wenn man schauspielerisch nicht viel erwarten darf. Die große Stärke dieser kleinen Indie-Perle sind die Dialoge, die ganzen Gespräche mit der nervenden Kundschaft (Dante arbeitet als Kassierer in einem schäbigen und kleinen Lebensmittelladen, Randal übernimmt dieselbe Aufgabe in einer Videothek zwei Meter neben dem Lebensmittelladen) und die skurrilen Situationen, die sich auch meistens aus den Gesprächen ergeben. Randal mag keine Menschen und verärgert mit Freude seine Kundschaft, was er auch ebenfalls bei Dante im Laden abzieht, da er da oft zu „Besuch“ ist, wenn er sich langweilt. Dazu gesellt sich ein derber Humor, der aber meiner Meinung nach noch gerade die Fäkalgrenze (wie man sie aus aktuellen Komödien kennt) streift und trotz aller Zoten fast immer sitzt. Einige Sprüche sind auch heute noch unglaublich lustig und großartig. Und der russische Metalsänger ist auch so ein kleines Highlight.
"My love for you is like a truck, Berserker. Would you like some making fuck, Berserker.“
Genau so funktioniert Heavy Metal!
Atmosphärisch ist der Film auch ganz groß, da die Bilder komplett in s/w gehalten sind und die grobe Kamera ein ganz eigenes Bild zeichnet. Zudem besitzt der Film auch irgendwie eine starke melancholische Note, der wirklich perfekt eine Generation eingefangen hat. Für die Augen bekommt man mit der damaligen (Damen)Mode und den unglaublich hässlichen Damenfrisuren nebenbei ein tolles Bild der damaligen Zeit geboten.
Stimmig, lustig, skurril und ganz nah dran.
Donnerstag, 4. August 2016
Toto - The Seventh One
Vor ein paar Jahren hatte ich dann allerdings in einem Rausch fast den gesamten Bandkatalog von einem Kumpel, der gerade seine Sammlung verramschte, für ein faires Angebot aufgekauft.
Hier lief dann mal "IV", dann mal "Isolation" und "Hydra". Aber alles eher so nebenbei. Irgendwann kam der Tag, als "The Seventh One" in den Schacht wanderte. Und dieses Werk machte mich zum Fan. Mit dem Opener 'Pamela' und dem Mörderrefrain hatte die Band sofort meine volle Aufmerksamkeit. Joseph Williams' großartiger Gesang irgendwo zwischen George Michael und dicker Rockröhre in Kombination mit den punktgenauen komponierten Songs ergaben über das gesamte Album eine eindrucksvolle Verschmelzung von handwerklichem Können, 80er Sound, dicke Hose Radiorock und eine Hitausscheidung, die in der Masse gesehen schon fast eitel wirkt.
Toto veröffentlichten mit diesem Album die Verfassung für perfekten Pop Rock und untermauerten ihren Status als Band, die ein paar der besten Musiker der Rockmusik beherbergte. Am bekannteste ist da eindeutig die Rhythmusfraktion der Porcaro-Brüder Jeff und Mike, die leider nicht mehr unter uns weilen. Besonders Jeff gehört zu den mächtigsten Schlagzeugern der Rockmusik.
Die nächste Größe stellt Steve Lukather an der Gitarre dar, ein Weltklassegitarrist und sehr gefragter Studiomusiker, der mit seinem unaufdringlichen Spiel erst bei genauem Hinhören seine wahre Größe zeigt.
David Paich an den Tasten ist der heimliche Wunderknabe der Band. Er zeichnet sich nicht nur für die meisten Songs als toller Songwriter aus, sondern pumpt mit seinem Elektrobrett auch die gewaltigen Melodien in den Toto-Sound. Produziert ist "The Seventh One" natürlich komplett auf Achtziger, allerdings mit feinen Nuancen, die man erst mit der Zeit erkennt. Der Tenor besagt ja, dass "IV" DAS Toto-Album ist, für mich ist es aber ganz eindeutig dieses hier. Hier sind in konzentrierter Form die besten Songs aus der Achtziger-Phase vertreten. Das übermenschliche 'Stop Loving You', in dem auch Jon Anderson im Hintergrund trällert, mit seinem unfassbaren leichtfüßigen Refrain, das wunderbare 'Mushanga' mit einem unbeschreiblichen Jeff Porcaro, das pumpende 'Straight for the Heart', mein persönlicher Liebling 'Only the Children' oder das epische 'Home of the Brave' - alles Kompositionen auf einem Niveau, welches nur die wenigsten Rockbands erreichen. Bei allem technischen Können der einzelnen Musiker, drängt sich nie jemand in den Vordergrund, wichst sinnbefreit an seinem Instrument herum oder versucht sich in krampfhafter Komplexität. Die Songs von Toto sind immer klar strukturiert und songdienlich, jedoch unter der Haube technisch oft abgefahrener als bei den meisten Progganoven.
"The Seventh One" gehört ganz klar neben solchen Köstlichkeiten wie "Agent Provocateur" und "Frontiers" auf den Achtziger-Altar gestellt.
Dead Congregation - Promulgation Of The Fall
Dead Congregation - Promulgation Of The Fall (CD, Martyrdoom Productions, 2014) |
Dienstag, 2. August 2016
QUERSCHNITT - zehn Songs, ein Künstler; heute: PJ Harvey
In regelmäßigen Abständen versuche ich hier Bands und Einzeltäter, die mir besonders wichtig sind, etwas näher zu inspizieren und mit Hilfe von zehn ausgewählten Songs aus den unterschiedlichen Schaffensphasen für die Leser, die sich eventuell hierhin verirrt haben, vorzustellen. Laufen wird das jeweils unter dem Namen "QUERSCHNITT". Die Reihenfolge bezieht sich dabei nicht auf (m)eine persönliche Wertung, sondern dient lediglich zur (chronologischen) Übersicht.
Songbeispiele, soweit welche vorhanden sind, verlinke ich mit der Quellenangabe.
Den ersten QUERSCHNITT auf diesem Blog übernimmt natürlich und ganz klar...
Die großartigste Musikerin unserer Zeit. Die Herrlichkeit mit Busen, die Kaiserin der modernen Rockmusik, die Gebieterin der Lust, schlicht und ergreifend die beste Rocksängerin aller Zeiten - Helene Fischer. Falscher Zettel. Polly Jean Harvey - die Frau mit dem markanten Mund, der einprägsamen Nase und den tausend Gesichtern. Optisch und akustisch besser als jeder Penis. Der Kompetenzgynäkologe empfiehlt - 10x Qualitätsabstrich:
PJ Harvey - Dress (Quelle: Youtube)
PJ Harvey - 50 Ft Queenie (Quelle: Youtube)
PJ Harvey - Meet Ze Monsta (Quelle: Youtube)
PJ Harvey - A Perfect Day Elise (Quelle: Youtube)
PJ Harvey - Big Exit (Quelle: Youtube)
PJ Harvey - The Whores Hustle And The Hustlers Whore (Quelle: Youtube)
PJ Harvey - Who The Fuck? (Quelle: Youtube)
PJ Harvey - Silence (Quelle: Youtube)
PJ Harvey - All And Everyone (Quelle: Youtube)
Judas Priest - Sad Wings Of Destiny
Stellvertretend für alles, was Priest bis 1988 auszeichnet, ist bereits auf dem zweiten Album der Birmingham-Legende enthalten.
Das urklassische Gitarrenduo Tipton/Downing hämmerte sich bis 1988 auf jedem Album songorientierte Hookline-Riffs aus den Pranken ohne übertrieben komplex und selbstverliebt zu wirken (was mich ja bei der "billigeren" Variante Maiden mittlerweile ziemlich nervt) und der Halford unwiderstehliche Refrains und Gesangslinien in die Plattenrillen schoss.
Neben Black Sabbath sind Judas Priest DIE Definition der klassischen Heavy Metal Band, auch wenn sich die Band ab den Neunzigern komplett demontiert hat (mit Ausnahme von "Jugulator") und nie wieder zur alten Stärke fand. Dabei sind es solche sensationellen Übersongs wie 'Dreamer Deceiver/Deceiver' (welch begnadete Gesangsleistung der Halford da abliefert), die eben nur Judas Priest schreiben konnten.
Montag, 1. August 2016
Castaway on the Moon
Regie: Lee Hae-jun, 2009
Kennt ihr das, man lümmelt sich auf die Schnoddercouch und wühlt im Stapel ungesehener Filme im Staubregal herum und zieht blind etwas heraus? Eigentlich wollte ich mich ja mit einem weiteren Werk von Sion Sono beschäftigen, hatte dann aber doch Lust auf Random. Und dann bekommt man so einen wunderbaren Film.
Ein junger Mann hat seinen Job und seine Freundin verloren, ist Pleite und voller Schulden und hat keinen Lebenswillen mehr. Da beschließt er sich von einer Brücke in den Hangang (Fluss in Südkorea) zu stürzen. Leider wacht er später auf einer "Insel" zwischen Brückenpfeilern und dem direkt gegenüberliegenden Stadtbild der Wolkenkratzer am Strand wieder auf. Mit seinem getrockneten Handy versucht er den Notruf zu rufen, wird aber für bekloppt gehalten. Schwimmen kann er nicht, somit bleibt nur noch die Krawatte am Baum für den Suizid übrig. Doch schließlich beschließt er auf der "Insel" sein Leben neu zu ordnen. Aus dem angeschwemmten Stadt- und Touristenmüll baut er sich ein kleines Lager und versucht vergeblich Nahrung zu beschaffen. Aus seinem anfänglichen "HELP" am Strand wird später ein "HELLO", nachdem er nach drei Monaten einigermaßen gelernt hat, sich Nahrung zu erbeuten.
Szenenwechsel. In einem Wolkenkratzer direkt gegenüber lebt die vom Leben komplett zurückgezogene junge Kim total vermüllt in ihrem (selber) verschlossenen Zimmer. Sie betreibt eine Homepage und stellt sich so in das Rampenlicht, gibt etwas vor, was sie nicht ist. Denn Kim ist (leicht) entstellt im Gesicht (Brandnarbe?) und entspricht wohl nicht dem Schönheitsideal der Gesellschaft. Ist natürlich Quatsch, denn wie ich finde, ist das eine komplett niedliche Schönheit. Egal. Ihr zweiter großer Lebensinhalt ist die Mondfotografie. Dafür hat sie auch die dementsprechende Ausrüstung (im Gegensatz zu ihrem total zugemüllten Zimmer, ist der Rest vom Elternhaus wohl anscheinend wohlhabend und blitzblank). Ein weiterer Tick von Kim ist, dass sie im Schrank schläft, eingemummelt in Luftpolsterplastikfolie.
Als sie mit ihrer Kamera das "HELLO" und den Mann auf der Insel entdeckt, hält sie ihn für einen Außerirdischen (es gibt in dem Film ein paar "absurde" Szenen, die ich hier nicht nennen möchte und dadurch das Bild bei ihr vermittelt wird).
Der Junge Mann bekommt plötzlich Heißhunger auf Nudeln. Er beschließt daraufhin sich selber Nudeln "anzubauen". Wie das geht, sollte sich jeder selber anschauen. Großartig!
Kim beschließt kurzerhand dem Mann Nachrichten per Weinflaschenpost zukommen zu lassen. Doch dafür muss sie nicht nur ihr Zimmer verlassen, sondern auch das Gebäude. Mit Motorradhelm und buntem Sonnenschirm begibt sie sich in der Nacht zur Brücke, die direkt in der Nähe der "Insel" ist, und wirft die Flasche in diese Richtung. Daraufhin entwickelt sich eine gewisse Kommunikation. Der junge Mann antwortet mit Sätzen, die er in den Strand schreibt und Kim wiederholt ihren gefürchteten Gang jede Nacht aufs Neue. Mehr möchte ich zur Geschichte nicht schreiben.
Wow! Echt jetzt. WOW! Auch wenn sich das hier sehr komisch liest, der Film ist eine grandiose Mischung aus Isolation, Witz und Menschlichkeit, ist ungeheuer herzerwärmend und bietet sogar für den nicht Asiakenner ein ungewöhnliches Bild. Beide Schauspieler liefern hier eine großartige Vorstellung ab, dabei wird hier auf typische asiatische Stilmittel komplett verzichtet. Eine Mischung aus "Mary & Max", "Le fabuleux destin d’Amélie Poulain" und etwas Robinson Crusoe mit einer tollen Portion Tiefgründigkeit. Zudem erlebt man eine der bezauberndsten Romanzen der jüngeren Kinogeschichte. Dass beide Figuren den Namen Kim tragen, ist nur das i-Tüpfelchen.
Dringende Empfehlung mit dem Louis Cyphre-Gütesiegel an alle, die mal wieder einen richtig schönen Film erleben wollen. Welt, schau mehr asiatische Filmkunst!