Blog heiraten

Dienstag, 23. Juli 2019

Decade of Obsession 2010 - 2019 (2010)

Das Jahrzehnt ist fast wieder vorbei. Eine gute Gelegenheit sich durch die relevanten Alben von 2010 bis 2019 zu hören und mit erhobenem Zeigefinger meine Geschmacksperversität(en) unter das Volk zu bringen. Erwartet nicht zu viel, war jetzt nicht unbedingt ein musikalisches Knallerjahrzehnt.

2010

Vasaeleth-Crypt-Born-&-Tethered-to-Ruin

#10 Vasaeleth - Crypt Born & Tethered to Ruin

30 Minuten formvollendeter Krach mit einer sagenhaften Produktion. Aus jeder Eiterpustel platzen die frühen Incantation, die Songs sind dabei nur Beiwerk für die massive Urgewalt. Kein albernes Gewichse, keine Toilettenpapier-Bassdrums, keine künstlich-digitalen Blastbeats, kein Disney-Sound - purer ausgebeinter Death Metal aus dem drei Tage alten Sportschlüpfer. Neben “Promulgation of the Fall“ das einzige Death Metal Album dieser Dekade, welches mich wirklich begeistert hat.


Truppensturm-Salute-to-the-Iron-Emperors

# 09 Truppensturm - Salute to the Iron Emperors

Nachdem Alexander von Meilenwald mit seiner Band The Ruins of Beverast drei überragende Alben geliefert hat, waren die Nachfolger leider ziemlich unspektakulär. Schön, dass er dazwischen aber mit “Salute to the Iron Emperors“ noch ein so derb scharfes Geschoss eingerotzt hat. Einmal in Omas Partykeller mit den Dorfkumpels Walter und Mirko getroffen, um mal schnell Opas Kriegsgeschichten von damals mit Schlagzeug, Bass und Gitarre zu zertonen. So geht übrigens Sound! Zwischen den Songs brachte Oma dann auch mal selbstgebackene Eierschecke mit Schuss und ein Likörchen für die bezaubernden Buben. Unter diesen kuriosen Umständen ist dann schließlich die wohl gewaltigste deutsche Krachorgie in dieser Dekade entstanden. Finde ich natürlich super sympathisch!


Massive-Attack-Heligoland

# 08 Massive Attack - Heligoland

Das bis heute leider immer noch letzte Album dieser großartigen Klangschmiede war nach den beiden leicht schwächelnden Vorgängern wieder ein berauschender Angriff auf die Synapsen unter dem Schädelknochen. Es wird sogar fast wieder die Tiefe von “Mezzanine“ erreicht. Teilweise erinnert das Werk an einen Querschnitt durch die ersten drei Meisterwerke der Band. Der dunkle Bass brummt als tragendes Fundament für die erzeugte surreale Traumwelt, die auf dem Album vorherrscht. Dabei werden unnahbare Klangfarben erzeugt, die erst nach intensiver Beschäftigung zu voller Größe reifen. Wie üblich versammelten sich auf dem Album zahlreiche Gastmusiker, dennoch klingt alles homogen und nachvollziehbar. Und natürlich ist die fantastische und beneidenswerte Rhythmusfraktion das absolute Highlight auf “Heligoland“.
Fun Fact: Nach House, M.D. befingerte man auch dieses Album für einen Serien-Titelsong. Diesmal passt die Kombination aber beidseitig zusammen, denn der Song ‘Paradise Circus‘ sorgt für die treffsichere Einstimmung jeder einzelnen “Luther“ Folge.


Triptykon-Eparistera-Daimones

# 07 Triptykon - Eparistera Daimones

Die Vorfreude war damals bei mir groß; vier Jahre nach “Monotheist“ und mit mittlerweile neuer Band, bediente sich Herr Fischer nicht zu knapp an der musikalischen 2006er Ausrichtung. Auch das Cover Artwork von H.R. Giger deutete auf ein Nonplusultra-Ereignis hin und die Szenen-Presse überschlug sich mit ungehaltenen Höchstbewertungen. Doch leider hat das Album bei mir nicht die Wirkung erzielen können, wie ich es mir erhofft habe. Nach dem übermächtigen Eröffnungs-Hassklumpen ‘Goetia‘ schlich sich dann aber schon bald eine „Routine“ in den folgenden Songs ein. Mir fehlte schlicht die Vielschichtigkeit und der grausame Mix aus laut/brachial/abgründig & leise/melodisch/katatonisch, wie es 2006 mit “Monotheist“ auf die Spitze getrieben wurde. Natürlich herrscht auch hier der einzigartige Gitarrensound, die hassvollendete Stimmgewalt von Fischer und die moderne Produktion alles kaputt, die Songs sind allerdings weniger spannend. Klingt vielleicht alles zu negativ, denn das Album hat schon seine gewaltigen Momente - aber besser als “Monotheist“?


Killing-Joke-Absolute-Dissent

# 06 Killing Joke - Absolute Dissent

Das letzte große Werk der chaotischen Engländer gehört mittlerweile auch zu den Bandhighlights. Einen etwas üblen Beigeschmack hinterlässt allerdings nach wie vor die grottige Produktion. Da das aber auch irgendwie zum Sound der Band passt, stört es nicht weiter. Selten war die „Hitdichte“ auf einem Killing Joke Album so hoch wie auf “Absolute Dissent“. Neben der schon fast übertriebenen 80er Casio-Kutsche ‘European Super State‘ gibt es in den Songs unzählige einprägsame Hooks, beachtliche Refrains und einen gewaltigen Coleman. Das als Ballade getarnte ‘The Raven King‘ sticht dabei auf dem Album besonders hervor. Eine inoffizielle Hommage an den 2007 verstorbenen Bassisten Paul Raven und unglaublich intensiv von Jaz Coleman eingesungen. Ich bevorzuge zwar immer die alten sperrigeren Alben aber “Absolute Dissent“ bezwingt auch heute noch meine Tanzphobie, wenn es mal wieder im Schacht landet.


Dødsengel-Mirium-Occultum

# 05 Dødsengel - Mirium Occultum

Der norwegische Black Metal befand sich in den 00er Jahren in einer festgefahrenen Sackgasse und langweilte mich so sehr, dass ich überhaupt kein Interesse mehr verspürte, mich mit den Veröffentlichungen zu beschäftigen. Vielmehr konzentrierte ich mich auf die experimentelle französische Küche und die musikalisch interessantere amerikanische Welle sowie auf die osteuropäischen deftigen Eintöpfe.
Eine Ausnahme bildeten die Norweger Dødsengel. 2010 lieferten sie mit ihrem Zweitwerk einen leider kaum beachteten neumodernen Klassiker ab. Dabei findet man auf dem Album keine neuen Zutaten, nur verstehen es die Bübchen wie keine andere norwegische Band die frühneunziger Wurzeln authentisch in das Jahr 2010 zu transformieren. Vom infernalischen Gesang über die wilde ungebremste Gitarrenarbeit bis hin zum Polterschlagzeug und einer entsprechend minimalistischen Produktion, kann man auf dem Album die Reduktion der 90er Jahre bestaunen. Obendrauf beherrschen die Jungs auch talentiertes Songwriting, was in den überlangen und sperrigen Songs bereits deutlich angedeutet wird und mit dem (musikalisch offeneren) Nachfolgermeisterwerk zur vollen Entfaltung gelangt.


Brendan-Perry-Ark

# 04 Brendan Perry - Ark

Die männliche Wunderstimme und Multiinstrumentalist Brendan Perry brachte nach der vorläufigen Pause von Dead Can Dance 1999 mit “Eye oft the Hunter“ ein bemerkenswertes Singer/Songwriter Solo-Album raus und verzichtete fast komplett auf die musikalischen Elemente seiner einstigen Hauptband. Still und reduziert überraschte Perry mit einem ungewöhnlichen Sound. 11 Jahre später und kurz vor der Weiterführung von Dead Can Dance, veröffentlichte Perry sein zweites Solo-Album. Diesmal orientierte sich das Songwriting wieder deutlich an die Klangästhetik von Dead Can Dance. Da auf dem Album die beste Gesangsleistung von Perry zu hören ist, ist es umso ärgerlicher, dass gerade der sonst so sichere und kreative Soundperfektionist Perry hier mit zu viel digitalen Retortensounds aus dem Studio die Produktion leicht versaut hat. Wenn man darüber hinweghören kann, bietet das Album aber wieder Songs von bezaubernder Schönheit. Vertont von einer männlichen Stimme, die für mich nach wie vor das Maß aller Dinge ist. Wie kann ein Mensch nur so unfassbar gut klingen? Brendan Perry gehört mit seinen hochinteressanten Texten zu den bemerkenswertesten musikalischen Künstlern der letzten 40 Jahre und hätte sogar mit einer angemessenen Produktion und zusätzlicher musikalischen Unterstützung sein Opus Magnum abliefern können.


Electric-Six-Zodiac

# 03 Electric Six - Zodiac

Schlager Rock und versaute Popmelodien - keine Band vereint Disco, Rock und Funk so gekonnt und lässig wie Dick Valentine und seine Band Electric Six. Nach dem grandiosen Hit-Debüt “Fire“ veröffentlichten Electric Six im Jahrestakt neue Alben und hinterließen damit unzählige Dance-Rock Songs. Aber erst 2010 knüpfte die Band wieder an ihre Großtat “Fire“ an und veröffentlichte aus meiner Sicht ihr bisher bestes Album und ein absolutes Meisterwerk. Das unglaubliche Talent der Band, griffige Rocksongs mit einprägsamen Melodien und Pop-Appeal zu komponieren, wird auf “Zodiac“ auf die Spitze getrieben. Hinzukommend der großartige Humor in den Texten von Dick Valentine und ausgestattet mit einer tollen Produktion, wird hier ein 11-Song-Feuerwerk an guter Laune abgefeuert, dass man nicht glauben kann, warum die Band noch immer nicht die Herzen der gesamten Menschheit erobert hat. Dabei kann man doch eigentlich nur gewinnen, wenn man mit ‘Jam it in the Hole‘ einen Song über Sexspielzeug schreibt und es sich dabei um einen verkannten Welthit handelt. Meisterwerkalarm!


Deathspell-Omega-Paracletus

# 02 Deathspell Omega - Paracletus

Drei Jahre nach dem Kunstwerk “Fas - Ite, Maledicti, in Ignem Aeternum“ kratzte mich das Fragezeichen und wollte wissen, wie man denn nach so einem Überwerk überhaupt noch weitermachen kann? Die Franzosen stellten sich vermutlich dieselbe Frage und entschieden sich dafür, das Grundrezept beizubehalten und dennoch einen anderen Sound zu kreieren.
Vom reinen Finstersturm und der Urgewalt des Vorgängers ist auf “Paracletus“ nicht mehr viel übriggeblieben; tatsächlich schafften es die Franzosen dennoch einen würdigen Nachfolger abzuliefern.
Auf “Paracletus“ herrscht ungewohnte Kontrolle und Ordnung, versehen mit Einschüben von Klargesang und mit fast schon eingängigen Harmonien. Die Atmosphäre ist sehr eigenwillig - etwas zugänglicher und wärmer als noch auf dem limbusschwarzen Vorgänger, dabei sind die Songs einfacher komponiert und nachvollziehbarer (was bei dieser Band aber nicht viel bedeutet). Danach war allerdings Schluss, denn Deathspell Omega erreichen bis heute nicht mehr die Qualitäten der Alben drei, vier und fünf. Auch wenn die Nachfolger immer noch anspruchsvoll sind, drehen sich die Franzosen nach “Paracletus“ ständig im Kreis und schaffen es nicht mehr, den kreativen Zyklus der mit “Paracletus“ beendeten Trilogy weiterzuführen. Dafür haben die Franzosen aber auch drei Alben veröffentlicht, die bis heute zur absoluten Speerspitze zählen, was jemals aus diesem Genre entstanden ist.


A-Forest-Of-Stars-Opportunistic-Thieves-Of-Spring

# 01 A Forest Of Stars - Opportunistic Thieves Of Spring

Mit dem viktorianischen Kunstgriff “Opportunistic Thieves Of Spring” spielte sich der britische Gentlemen’s Club direkt in mein Herz. A Forest Of Stars haben für sich den Black Metal genau da geöffnet, wo er am empfindlichsten ist: musikalisch offenes Denken. Die opulenten Songs mit verzaubernder Atmosphäre und urigem Charme erheben sich aus Anleihen aus dem Psychedelic Rock, Black Metal, Gothic Rock und Folklore. Im krassen Gegensatz steht das hysterische und herrlich britische Gekreische von Mister Curse zu den extrem detailverliebten Kompositionen. Dabei wird auf dem Werk sehr viel Wert auf Dynamik gelegt. Zu den klassischen Rockinstrumenten gesellen sich Piano, Flöte und Violine und werden kongenial in den Sound integriert. Die überlangen Songs strotzen vor eigenwilliger Kreativität und klingen trotz der von mir arg kritisch beäugten Kombination aus Metal und (dezenter) „Klassik“ zu keiner Sekunde aufdringlich oder sogar peinlich. Das ist zum größten Teil dem außergewöhnlichen und spannenden Songwriting zu verdanken und auch der Verdienst des Gitarristen und Hauptsongschreibers Mr. T.S. Kettleburner. Die scharfen und schneidenden Riffs setzen sich stets in der Soundwand durch und sind federführend in den Songs. Auch der sehr abwechslungsreiche und eigenwillige Gesang von Mister Curse trägt zum eigenständigen Bandsound bei.
“Opportunistic Thieves Of Spring“ zählt auch heute noch zu meinen Lieblingsalben aus diesem Jahrzehnt, gerade weil es so unglaublich kreativ und ausgewogen produziert ist. Die nachfolgenden Alben haben mich nie wieder so gepackt; vermutlich, weil man rigoros alle Ecken und Kanten aus dem Sound verbannt hat.
Ein Album, welches bereits in der Galerie der ganz großen monumentalen Kunstwerke der Szene wie "Anthems At The Welkin At Dusk" (EMPEROR), "OM" (NEGURA BUNGET), "Dead As Dreams" (WEAKLING) und "Fas - Ite, Maledicti, In Ignem Aeternum" (DEATHSPELL OMEGA) zu bestaunen ist.

Donnerstag, 11. Juli 2019

Manes - Under ein Blodraud Maane

Manes-Under-ein-Blodraud-Maane

Wenn es um die absoluten Geheimtipps im Black Metal geht, spielt “Under ein Blodraud Maane“ von MANES ganz vorne mit.
Die Norweger rumpelten sich schon seit 1993 durch drei Demos und erspielten sich im tiefsten Underground einen Namen.
1999 erschufen MANES mit ihrem Debüt “Under ein Blodraud Maane“ ein ganz besonderes Stück Black Metal.
Psychedelischer Psycho-Black Metal, der eine immens reizvolle Atmosphäre besitzt und nicht den üblichen Mustern der damaligen Black Metal Szene folgte.
Auffällig im Sound sind zum einen die extrem psychedelischen Gitarren und der technoide Drumcomputer, welche zusammen einen extrem dunklen Trip erschaffen.
Ungewöhnliche Tempowechsel, Breaks, Keyboardsequenzen und ein beschwörendes Knurren von Sargatanas - MANES haben mit diesem Album ihr eigenes Höllenreich kreiert.
Alle sechs Songs sind für Black Metal Verhältnisse sehr schleppend, dafür umso bedrohlicher. Wilde Raserei und berserkerhaften Gitarrenlärm findet man eigentlich so gut wie gar nicht auf “Under ein Blodraud Maane“.
Dafür wird eine unbeschreibliche Stimmung aufgebaut, cleane Gitarrensolis oder ungewöhnliche Melodien und Rhythmen erzeugen ein einzigartiges Sounderlebnis.
Ein weiteres Merkmal für die Klasse von “Under ein Blodraud Maane“ sind die betörenden Gitarrenriffs, finster, höllisch heavy und melancholisch zugleich.
Für mich gehört “Under ein Blodraud Maane“ zu den letzten wirklich großen Black Metal Werken aus Norwegen und besitzt heute immer noch diese faszinierende Aura, die eigentlich von keiner Band wieder erreicht wurde.
Die größte Überraschung gelang der Band allerdings vier Jahre später, als 2003 mit dem Nachfolger “Vilosophe“ ein Alternative/Rock/TripHop/Avandgarde/Electronic Bastard die komplette Black Metal Szene vor den Kopf stieß.
Leider wurde dabei überhört, dass “Vilosophe“ ein wirklich grandioses Meisterwerk ist.

Mittwoch, 3. Juli 2019

The Nefilim - Zoon

The-Nefilim-Zoon

Carl McCoy, Bandkopf und Sänger bei Fields of the Nephilim, hat mit seinem "Projekt" The Nefilim 1996 einen recht eigenwilligen Eintopf aus Death Metal, Industrial, Gothic und eine Prise Thrash Metal gekocht, wobei ein super fieses und düsteres Höllenkommando namens "Zoon" entstand.
Im Gegensatz zu seiner Hauptband, den Nephilim, geht Herr McCoy hier ziemlich schroff und wild zur Sache. Das Fundament bildet eine dicke Suppe aus kantigen Grooveriffs und einfachen Drumrhythmen, die jedoch ziemlich brachial produziert sind. Darüber thront McCoy mit seinem extrem variablen Organ, kreischt, grunzt, brummt, verspottet und schimpft in tieferen Tonlagen. Es ist diese charismatische Stimme, die so eine anziehende Wirkung ausübt, die sich um Melodiefassaden schlängelt und mich immer wieder erneut in den Popo beißt. Die 90er waren überfüllt mit dieser Art Musik, "Zoon" ist jedoch ein Paradebeispiel, wie man mehrere Genres passend zusammenfügt und daraus ein kleines Erlebnis erschafft, woran ja nun nicht unbedingt wenige (größere) Bands peinlich gescheitert sind.