Blog heiraten

Freitag, 2. September 2016

Fear Of God - Within The Veil

Fear-Of-God-Within-The-Veil

Trauer-Braten der Neunziger. Eigentlich von kaum bis gar keiner Band in diesem Bereich wieder erreicht, was auf "Within The Veil" an Intensität ausgelebt wird.
Ich finde die meisten (männergemachten) Frauen an der Front im Heavy Metal ja höchst peinlich und befremdlich und vieles gehört unbedingt verboten (der gespielte und benutzerfreundliche feuchte spätpubertäre Männertraum - von Männern erdacht, für Männer gemacht), aber Dawn Crosby hat ihre Hand fest angespannt bei vielen Männern an der Front am Hodenbeutel.
Im Mittelteil von 'Betrayed', in dem sich Slayer-Riffs überschlagen, sich Rhythmus und Tempo schlagartig ändern und Crosby grunzt, flucht und schreit, als gäbe es keinen Morgen, sowie das schmerzliche 'Drift', in dem sich Frau Crosby komplett entblößt und Angst- und Schmerzensschreie entfacht, gehören nach wie vor zu den abgründigsten Erlebnissen in der Musikspanne Neunzigerjahre. Meiner Meinung nach der perfekte Prototyp für alle Eisenfrauen, der aber niemals in Serie gegangen ist. Schade und gerade deswegen so toll und einzigartig.

Dienstag, 23. August 2016

Type O Negative - Slow, Deep And Hard

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Nach der Auflösung von Carnivore gründete Peter Steele, der zu den zehn größten und prägnantesten Persönlichkeiten im Heavy Metal gehört, mit Type O Negative eine der markantesten, herausragendsten und wichtigsten Band in der Geschichte der langen Männerhaare.
Es ist schon fast unverschämt, dass Type O Negative direkt mit ihrem Debüt nicht nur das beste Album ihrer Karriere abgeliefert haben, sondern mit "Slow, Deep And Hard" ein Unikat in Sachen Hass und Bösartikeit zeugten, was in dieser Form bis heute nie wieder erreicht wurde. "Slow, Deep And Hard" ist nicht nur ein Klassiker der Extreme, es ist eines der ganz großen Meilensteine der harten Musik.
Dabei sind die überlangen und unaussprechlichen Songs spielerisch noch nicht einmal groß anspruchsvoll, sondern von einer Rohheit und Direktheit geprägt, dass die Musik direkt das Knochenmark ausschlürft. Die abnormale Mischung aus punkwildem Hardcore, Zeitlupendoom, Schmerzmittel-Muskelgothic und ruppigem Thrash Metal wurde hier wie auf keinem anderen mir bekannten Album in solch einer Höllenintensität vertont, wie es die vier Brooklyn-Boys hier (aus)leben.
Textlich schießt das Album so gewaltig über Geschmacksgrenzen, dass es eine wahre Freude ist den angepissten Ausbrüchen von Peter Steele zu lauschen. Das alles ist allerdings nichts für nervenschwache Gemüter, denn wenn man den derb-bitteren Sarkasmus, den überzogenen schwarzen Humor und den teilweise persönlichen Hintergrund in den Texten von Peter Steele nicht erkennt, kann das durchaus auch eine abstoßende Wirkung haben. Auch wenn die Band eher für den Schlüpferstürmer "Bloody Kisses" und den Blockbuster "October Rust" bekannt und berühmt ist, ist es dieses Über(menschen)debüt, was in seiner Einzigartigkeit und Pracht eine Sonderstellung im Bereich Hart&Laut inne hat.
Peter Steele verstarb am 14. April 2010 im Alter von 48 Jahren an einem Herzinfarkt und mit ihm auch die Band Type O Negative. Trauriger ist eigentlich nur die Tatsache, dass mit Peter Steele eine große Persönlichkeit, ein charismatischer Charakterkopf und ein kantiges Unikat eine Lücke hinterließ, die nicht geschlossen werden kann.

Celtic Frost - Into The Pandemonium

Celtic-Frost-Into-The-Pandemonium

Bügelt ihr auch so gerne wie ich? Man denkt sich den ganzen Tag auf der Arbeit “ist die Wäsche auf der Leine schon trocken?“ und “welches Album lege ich denn heute dazu auf?“.
“Into The Pandemonium“ von Celtic Frost gilt bei mir ja gemeinhin als der ganz große Wurf der Band.
Die Schweizer hatten auf diesem Klassiker ihre Pforten geöffnet und allerhand Fremdeinflüsse in ihren bis dato urigen und gewaltigen Krachsound Einlass gewährt.
1987, Heavy Metal war mittlerweile nicht mehr die NWoBHM-Schunkelmusik, die härtere Version von Rock und Punk aus den Siebzigern; Maiden, Priest & Co. strauchelten nur noch vor sich hin, während Metallica, Slayer & Co. sowie der weltweite Underground die Musik in immer neue Härtedimensionen rumpelte.
Da kamen auf einmal die Schweizer mit ihrem Zweitwerk daher und hinterließen wohl (ich hab‘ damals noch Petra Zieger, Frank Schöbel und IC Falkenberg im Kindergarten gehört, deswegen kann ich nicht als Zeitzeuge dienen) ‘ne Menge hämmernde Fragezeichen beim tobenden Mob.
Zelebrierten die Schweizer auf ihren beiden EPs und dem Vorgänger den Protosound für die spätere Death Metal-Welle, gab es auf “Into The Pandemonium“ auf einmal Disco, Bauhaus-Wave, elektronische Beatexperimente, Pop, Gothic-Tristesse, fliegende Teppiche, orientalischen Bazar-Zauber, opernhaftes Frauengeträller, orchestrale Arrangements mit Pauken und Trompeten und Thomas Gabriel Fischer sang plötzlich vereinzelt in einer verständlichen Sprache.

Heute läuft das unter dem Namen Avantgarde, damals war das Langhaarvolk damit aber wohl ziemlich überfordert.
Diese größenwahnsinnige Kombination aus dem urtypischen Celtic Frost-Sound (der Gitarrensound gehört halt echt zu den besten Momenten im gesamten Hard’n‘Heavy Bereich) mit den erwähnten Einflüssen gebar diesen kreativen Höhepunkt, ein Geniestreich, der auch nach fast dreißig Jahren zu den ganz großen Meilensteinen der Heavy Metal Musik zählt. Veredelt wurde diese Machtrakete mit einem wunderbaren erdigen und warmen Sound und mit einem Ausschnitt (aus der rechten Höllenseite) aus Hieronymus Boschs Werk “The Garden of Earthly Delights“.
Übrigens wurde ein Heavy Metal Album nie wieder größenwahnsinniger und abgeklärter eröffnet als mit 'Mexican Radio'.

Dienstag, 9. August 2016

Clerks



Regie: Kevin Smith, 1994

Ende der Neunziger irgendwann mal im TV gesehen, ist dieser erste Film von Kevin Smith bei mir irgendwie völlig in Vergessenheit geraten.
Braucht man wohl nicht viel dazu sagen. Eine kleine Perle der Neunziger, für viele tonnenschwerer Kult und ein kleines Abzeichen aus dieser Zeit und der Generation der 90er Jahre.
Brian O’Halloran als Dante und Jeff Anderson als Randal verkörpern die beiden gelangweilten Nichtskönner überzeugend glaubwürdig, auch wenn man schauspielerisch nicht viel erwarten darf. Die große Stärke dieser kleinen Indie-Perle sind die Dialoge, die ganzen Gespräche mit der nervenden Kundschaft (Dante arbeitet als Kassierer in einem schäbigen und kleinen Lebensmittelladen, Randal übernimmt dieselbe Aufgabe in einer Videothek zwei Meter neben dem Lebensmittelladen) und die skurrilen Situationen, die sich auch meistens aus den Gesprächen ergeben. Randal mag keine Menschen und verärgert mit Freude seine Kundschaft, was er auch ebenfalls bei Dante im Laden abzieht, da er da oft zu „Besuch“ ist, wenn er sich langweilt. Dazu gesellt sich ein derber Humor, der aber meiner Meinung nach noch gerade die Fäkalgrenze (wie man sie aus aktuellen Komödien kennt) streift und trotz aller Zoten fast immer sitzt. Einige Sprüche sind auch heute noch unglaublich lustig und großartig. Und der russische Metalsänger ist auch so ein kleines Highlight.
"My love for you is like a truck, Berserker. Would you like some making fuck, Berserker.“
Genau so funktioniert Heavy Metal!
Atmosphärisch ist der Film auch ganz groß, da die Bilder komplett in s/w gehalten sind und die grobe Kamera ein ganz eigenes Bild zeichnet. Zudem besitzt der Film auch irgendwie eine starke melancholische Note, der wirklich perfekt eine Generation eingefangen hat. Für die Augen bekommt man mit der damaligen (Damen)Mode und den unglaublich hässlichen Damenfrisuren nebenbei ein tolles Bild der damaligen Zeit geboten.
Stimmig, lustig, skurril und ganz nah dran.

Donnerstag, 4. August 2016

Toto - The Seventh One

Toto-The-Seventh-One

Ich habe Toto zwar immer gemocht, als herausragende Musiker eingestuft und mir auch die Hits nie totgehört, aber so richtig mit deren Alben habe ich mich nie wirklich beschäftigt. Ich hatte auch nie das Bedürfnis mir ein Toto-Album zu kaufen.
Vor ein paar Jahren hatte ich dann allerdings in einem Rausch fast den gesamten Bandkatalog von einem Kumpel, der gerade seine Sammlung verramschte, für ein faires Angebot aufgekauft.
Hier lief dann mal "IV", dann mal "Isolation" und "Hydra". Aber alles eher so nebenbei. Irgendwann kam der Tag, als "The Seventh One" in den Schacht wanderte. Und dieses Werk machte mich zum Fan. Mit dem Opener 'Pamela' und dem Mörderrefrain hatte die Band sofort meine volle Aufmerksamkeit. Joseph Williams' großartiger Gesang irgendwo zwischen George Michael und dicker Rockröhre in Kombination mit den punktgenauen komponierten Songs ergaben über das gesamte Album eine eindrucksvolle Verschmelzung von handwerklichem Können, 80er Sound, dicke Hose Radiorock und eine Hitausscheidung, die in der Masse gesehen schon fast eitel wirkt.
Toto veröffentlichten mit diesem Album die Verfassung für perfekten Pop Rock und untermauerten ihren Status als Band, die ein paar der besten Musiker der Rockmusik beherbergte. Am bekannteste ist da eindeutig die Rhythmusfraktion der Porcaro-Brüder Jeff und Mike, die leider nicht mehr unter uns weilen. Besonders Jeff gehört zu den mächtigsten Schlagzeugern der Rockmusik.
Die nächste Größe stellt Steve Lukather an der Gitarre dar, ein Weltklassegitarrist und sehr gefragter Studiomusiker, der mit seinem unaufdringlichen Spiel erst bei genauem Hinhören seine wahre Größe zeigt.
David Paich an den Tasten ist der heimliche Wunderknabe der Band. Er zeichnet sich nicht nur für die meisten Songs als toller Songwriter aus, sondern pumpt mit seinem Elektrobrett auch die gewaltigen Melodien in den Toto-Sound. Produziert ist "The Seventh One" natürlich komplett auf Achtziger, allerdings mit feinen Nuancen, die man erst mit der Zeit erkennt. Der Tenor besagt ja, dass "IV" DAS Toto-Album ist, für mich ist es aber ganz eindeutig dieses hier. Hier sind in konzentrierter Form die besten Songs aus der Achtziger-Phase vertreten. Das übermenschliche 'Stop Loving You', in dem auch Jon Anderson im Hintergrund trällert, mit seinem unfassbaren leichtfüßigen Refrain, das wunderbare 'Mushanga' mit einem unbeschreiblichen Jeff Porcaro, das pumpende 'Straight for the Heart', mein persönlicher Liebling 'Only the Children' oder das epische 'Home of the Brave' - alles Kompositionen auf einem Niveau, welches nur die wenigsten Rockbands erreichen. Bei allem technischen Können der einzelnen Musiker, drängt sich nie jemand in den Vordergrund, wichst sinnbefreit an seinem Instrument herum oder versucht sich in krampfhafter Komplexität. Die Songs von Toto sind immer klar strukturiert und songdienlich, jedoch unter der Haube technisch oft abgefahrener als bei den meisten Progganoven.
"The Seventh One" gehört ganz klar neben solchen Köstlichkeiten wie "Agent Provocateur" und "Frontiers" auf den Achtziger-Altar gestellt.

Dead Congregation - Promulgation Of The Fall

Dead Congregation - Promulgation Of The Fall
Dead Congregation - Promulgation Of The Fall (CD, Martyrdoom Productions, 2014)
"Promulgation Of The Fall" ist für mich nicht nur einfach das beste Death Metal Album des bisherigen Jahrzehnts, sondern auch der lang ersehnte Thronfolger zu "Gateways to Annihilation" und mein persönliches Heavy Metal Werk des Jahres 2014.
Leider hat dieses Monster viel zu wenig Aufmerksamkeit erhalten. Fehlt der Plastik in der Produktion? Der Eiter, das Blut und die weibliche Erniedrigung auf dem Cover und in den Texten? Die heimlich eingeschmuggelten Trinkhörner beim Outfit? Klingt das Schlagzeug vielleicht zu unnatürlich natürlich? Liegt es an dem lächerlichen Herkunftsland der Band? Ist der Sound nicht übersteuert genug? Sind es die muffigen und höllischen Gitarrenriffs, die auf Bodybuilder 'n' Goldkettchen 'n' Penisbegradigung-Zirkustheater verzichten?
"Promulgation Of The Fall" hat alles, was ich noch am Death Metal mag. Wie ich fast erstarrt bin, als mich die ersten Snare- (!, wie großartig dieses Herzstück dieser Musik hier auf dem Album klingt!) und Bassdrumanschläge in 'Only Ashes Remain' getroffen haben. Als wenn der Drummer seine sämtlichen Schlagzeugkomponenten nach mir wirft und die beiden Fußmaschinen der Bassdrum direkt am Skrotum montiert sind und die beiden Rosinen im Beutel im freudigen Sekundentakt wie Eiterpusteln zum Platzen gebracht werden.
Wenn dieses menschliche Drummonster auf "Promulgation Of The Fall" komplett ausflippt, bricht da förmlich ein barbarischer Sturm aus. Was für eine teerschwarze Wand an Druck, Höllenenergie und Zerstörung! Gerade bei dem Song 'Nigredo' herrscht in den ersten Sekunden eine schier unglaubliche Panzerschlacht auf Speed. Gewaltige Drumfontänen treiben ätzende Todesriffs bis an die Spitze der Bösartigkeit.
Das gnadenlose 'Serpentskin', das Säure verspritzende 'Immaculate Poison' oder 'Schisma', der für mich mächtigste und erdrückendste Gewaltakt auf diesem Werk mit seinem Verstand auslöschenden Mittelteil, sind Todesschwadronen, die in der Lage sind, Leben zu eliminieren.
Dead Congregation haben für mich mit dieser todesmetallischen Dämonenbrutstätte das gewaltigste Extremwerk in diesem Jahrzehnt veröffentlicht, das den Beweis liefert, dass eine lebendige, spürbare und am eigenen Leib vollführte Exekution nichts weiter benötigt, als erschlagende Songs, unkontrollierte Gewalt, eine Produktion nach Art des Hauses und eine unverfälschte eingefangene und schlicht unmenschliche Energie.


Dienstag, 2. August 2016

QUERSCHNITT - zehn Songs, ein Künstler; heute: PJ Harvey

Mir ist heute bei meiner Radtour ein kleines Konzept durch mein Hirn gerauscht. 
In regelmäßigen Abständen versuche ich hier Bands und Einzeltäter, die mir besonders wichtig sind, etwas näher zu inspizieren und mit Hilfe von zehn ausgewählten Songs aus den unterschiedlichen Schaffensphasen für die Leser, die sich eventuell hierhin verirrt haben, vorzustellen. Laufen wird das jeweils unter dem Namen "QUERSCHNITT". Die Reihenfolge bezieht sich dabei nicht auf (m)eine persönliche Wertung, sondern dient lediglich zur (chronologischen) Übersicht.
Songbeispiele, soweit welche vorhanden sind, verlinke ich mit der Quellenangabe.

Den ersten QUERSCHNITT auf diesem Blog übernimmt natürlich und ganz klar...  

Die großartigste Musikerin unserer Zeit. Die Herrlichkeit mit Busen, die Kaiserin der modernen Rockmusik, die Gebieterin der Lust, schlicht und ergreifend die beste Rocksängerin aller Zeiten - Helene Fischer. Falscher Zettel. Polly Jean Harvey - die Frau mit dem markanten Mund, der einprägsamen Nase und den tausend Gesichtern. Optisch und akustisch besser als jeder Penis. Der Kompetenzgynäkologe empfiehlt - 10x Qualitätsabstrich:

10. Dress (1992, "Dry")

1992 tauchte die damals 22-jährige PJ Harvey mit ihrem kantigen Debüt "Dry" plötzlich in der bis dahin fast ausschließlich von Männern dominierenden Rocklandschaft auf und machte eigentlich alles richtig. Schwitzender Schrammelrock, wild und lustvoll gespielt und kraftvoll gesungen, wie es eigentlich nur Frauen können. Bereits mit ihrem Debüt galt Polly Jean als ein unerklärliches Jahrhundert-Ausnahmetalent, die nicht nur in der Männerwelt für sabbernde Ohren und Augen sorgte. Gitarre, Bass, Schlagzeug, mehr braucht Frau nicht.
PJ Harvey - Dress (Quelle: Youtube) 

9. 50 Ft Queenie (1993, "Rid Of Me")

Unter vielen älteren Fans ist "Rid Of Me" ja irgendwie das Lieblingsalbum. Die irre geile Signature-Produktion vom Gottkaiser Steve Albini ist wohl auch das herausstechendste Merkmal von "Rid Of Me". Eindeutig das räudigste und ungezügeltste Harvey-Album. Vertonter Schmutzfinksex in einer muffigen Drecksgrube und gleichzeitig ein urgewaltiger Anschlag auf die Sinne, dass ich mich auch heute noch in eine Testosteronbombe verwandle, wenn ich das Album auflege. Liebe ich natürlich auch hart ab. Der Bass! Hört doch mal.
PJ Harvey - 50 Ft Queenie (Quelle: Youtube)

8. Meet Ze Monsta (1995, "To Bring You My Love")

1995 erschien mit "To Bring You My Love" die bis heute mit Abstand abwechslungsreichste und künstlerisch wertvollste Platte, die Harvey aufgenommen hat. Grandioses und originelles Songwriting verpackt in einer mal wieder fantastischen Produktion. Düster, bedrohlich, verrückt, komplex, ausbrechend, belastend und faszinierend schön - wie die Wasserleiche auf dem Cover. 'Meet Ze Monsta" mit diesem Monster von einem Basssound und dieser verruchten und willigen Harvey, die hier wie eine drogenzerstörte Prostituierte wirkt, ist dabei nur ein Ausschnitt aus diesem Werk voller Weiblichkeit. Vielleicht ist "To Bring You My Love" sogar mein Lieblingsalbum, jedenfalls streitet es sich mit "White Chalk" und "Stories from the City, Stories from the Sea" um das beste weibliche Album in meiner Sammlung. Eindringlich bis in das Knochenmark, hocherotisch und betörend geil!
PJ Harvey - Meet Ze Monsta (Quelle: Youtube)

7. Down By The Water (1995, "To Bring You My Love")

Nochmal "To Bring You My Love". Knisternde Erotik, auch wenn es in diesem Song um Vergewaltigung geht.

6. A Perfect Day Elise (1998, "Is This Desire?")

"Is This Desire?" ist leider eine total unterbewerte Scheibe in der Harvey-Landschaft, was sicher daran liegt, dass der phänomenale Vorgänger einen viel zu großen Schatten wirft. Ich mag das Album, es ist eher ruhig gehalten, die Gitarren sind selten aggressiv und PJ Harvey hat auch hier wieder einige Songperlen komponiert.
PJ Harvey - A Perfect Day Elise (Quelle: Youtube)

5. Big Exit (2000, "Stories From The City, Stories From The Sea")

Mit "Stories From The City, Stories From The Sea" brachte PJ Harvey im Jahr 2000 ihr bis heute zugänglichstes und songorientiertestes Werk hervor. Ein wahres Hit-Feuerwerk mit wunderschönen Melodien, Gesangslinien und einer wunderbar aufspielenden Band. Eröffnet von dem mächtigen 'Big Exit', in dem Harvey stimmlich von der ersten Sekunde an begeistert, bekommt man zeitlose und einfach richtig gute Rocksongs in das Hirn gepflanzt. Das erste große Meisterwerk für die Masse, das aber trotzdem mit jeder Sekunde künstlerische Großtaten aufzeigt und den schwierigen Spagat zwischen eingängigen Songs und anspruchsvollem Songwriting auslebt.
PJ Harvey - Big Exit (Quelle: Youtube)

4. The Whores Hustle And The Hustlers Whore (2000, "Stories From The City, Stories From The Sea")

Schlicht einer der besten Harvey-Songs und Live, wie eigentlich immer bei Harvey, noch eine ganze Nummer knalliger. Wer hier nicht erkennt, was das für eine großartige Musikerin ist, sollte dann doch lieber bei Helene Fischer bleiben.
PJ Harvey - The Whores Hustle And The Hustlers Whore (Quelle: Youtube)

3. Who The Fuck? (2004, "Uh Huh Her")

Mit diesem Werk ging Harvey wieder ruppiger zur Sache und lieferte Handgranatensongs wie z.B. 'Who The Fuck?' ab, die destilliertes Liebeskonzentrat darstellen. Hier kann man auch wunderbar erkennen, warum PJ Harvey als wandelndes Chamäleon gilt.
PJ Harvey - Who The Fuck? (Quelle: Youtube)

2. Silence (2007, "White Chalk")

Müsste ich mich für ein Album entscheiden, würde meine Wahl wohl eindeutig auf "White Chalk" fallen. Selten hat mich Musik so schnell und ohne Inkubationszeit gefangen genommen. Mein persönliches Einstiegsalbum und gleichzeitig ein extrem intimer und persönlicher, zerbrechlicher und klagender düsterer Seelenstriptease von der Todesmaid Polly Jean. Da auf "White Chalk" keine E-Gitarren enthalten sind und die Musik zum größten Teil komplett auf akustischen Musikwerkzeugen eingespielt wurde, untermalt von einem simplen Piano und Harveys extrem hoher Stimme - leidend, schreiend, klagend, wütend, traurig, schmerzlich und zurückhaltend schön - klingt das Album wie ein vertonter Trauerzug, der Soundtrack auf dem Sterbebett. Dabei sind es solche berührende Momente wie das bittersüße 'Silence', das hoffnungslose 'Dear Darkness', der verträumte Titelsong oder das elegische 'The Mountain', welche einen extrem bedrückenden Zauber heraufbeschwören. Vielleicht sogar DAS Album, welches am deutlichsten das Jahrhunderttalent dieser Musikerin aufzeigt. Göttingegebenes 10-Punkte-Meisterwerk für die Insel und nichts weiter als eines der 10 besten Musikalben der 00er Jahre!
PJ Harvey - Silence (Quelle: Youtube)

1. All And Everyone (2011, "Let England Shake")

"Let England Shake" ist bis heute Harveys ambitioniertestes Album, welches irgendwie aus allen Alben was besitzt und trotzdem frisch und neu klingt. Von den Kritikern hoch gelobt, hatte ich anfangs meine Problemchen mit dem komplexen Albumfluss. Mittlerweile liebe ich dieses Werk aber auch. Mit 'All And Everyone' enthält das Album sogar den für mich ergreifendsten Song, den PJ Harvey bisher geschrieben hat.
PJ Harvey - All And Everyone (Quelle: Youtube)

Judas Priest - Sad Wings Of Destiny


Stellvertretend für alles, was Priest bis 1988 auszeichnet, ist bereits auf dem zweiten Album der Birmingham-Legende enthalten.
Das urklassische Gitarrenduo Tipton/Downing hämmerte sich bis 1988 auf jedem Album songorientierte Hookline-Riffs aus den Pranken ohne übertrieben komplex und selbstverliebt zu wirken (was mich ja bei der "billigeren" Variante Maiden mittlerweile ziemlich nervt) und der Halford unwiderstehliche Refrains und Gesangslinien in die Plattenrillen schoss.
Neben Black Sabbath sind Judas Priest DIE Definition der klassischen Heavy Metal Band, auch wenn sich die Band ab den Neunzigern komplett demontiert hat (mit Ausnahme von "Jugulator") und nie wieder zur alten Stärke fand. Dabei sind es solche sensationellen Übersongs wie 'Dreamer Deceiver/Deceiver' (welch begnadete Gesangsleistung der Halford da abliefert), die eben nur Judas Priest schreiben konnten.

Montag, 1. August 2016

Castaway on the Moon


Regie: Lee Hae-jun, 2009

Kennt ihr das, man lümmelt sich auf die Schnoddercouch und wühlt im Stapel ungesehener Filme im Staubregal herum und zieht blind etwas heraus? Eigentlich wollte ich mich ja mit einem weiteren Werk von Sion Sono beschäftigen, hatte dann aber doch Lust auf Random. Und dann bekommt man so einen wunderbaren Film.
Ein junger Mann hat seinen Job und seine Freundin verloren, ist Pleite und voller Schulden und hat keinen Lebenswillen mehr. Da beschließt er sich von einer Brücke in den Hangang (Fluss in Südkorea) zu stürzen. Leider wacht er später auf einer "Insel" zwischen Brückenpfeilern und dem direkt gegenüberliegenden Stadtbild der Wolkenkratzer am Strand wieder auf. Mit seinem getrockneten Handy versucht er den Notruf zu rufen, wird aber für bekloppt gehalten. Schwimmen kann er nicht, somit bleibt nur noch die Krawatte am Baum für den Suizid übrig. Doch schließlich beschließt er auf der "Insel" sein Leben neu zu ordnen. Aus dem angeschwemmten Stadt- und Touristenmüll baut er sich ein kleines Lager und versucht vergeblich Nahrung zu beschaffen. Aus seinem anfänglichen "HELP" am Strand wird später ein "HELLO", nachdem er nach drei Monaten einigermaßen gelernt hat, sich Nahrung zu erbeuten.
Szenenwechsel. In einem Wolkenkratzer direkt gegenüber lebt die vom Leben komplett zurückgezogene junge Kim total vermüllt in ihrem (selber) verschlossenen Zimmer. Sie betreibt eine Homepage und stellt sich so in das Rampenlicht, gibt etwas vor, was sie nicht ist. Denn Kim ist (leicht) entstellt im Gesicht (Brandnarbe?) und entspricht wohl nicht dem Schönheitsideal der Gesellschaft. Ist natürlich Quatsch, denn wie ich finde, ist das eine komplett niedliche Schönheit. Egal. Ihr zweiter großer Lebensinhalt ist die Mondfotografie. Dafür hat sie auch die dementsprechende Ausrüstung (im Gegensatz zu ihrem total zugemüllten Zimmer, ist der Rest vom Elternhaus wohl anscheinend wohlhabend und blitzblank). Ein weiterer Tick von Kim ist, dass sie im Schrank schläft, eingemummelt in Luftpolsterplastikfolie.
Als sie mit ihrer Kamera das "HELLO" und den Mann auf der Insel entdeckt, hält sie ihn für einen Außerirdischen (es gibt in dem Film ein paar "absurde" Szenen, die ich hier nicht nennen möchte und dadurch das Bild bei ihr vermittelt wird).
Der Junge Mann bekommt plötzlich Heißhunger auf Nudeln. Er beschließt daraufhin sich selber Nudeln "anzubauen". Wie das geht, sollte sich jeder selber anschauen. Großartig!
Kim beschließt kurzerhand dem Mann Nachrichten per Weinflaschenpost zukommen zu lassen. Doch dafür muss sie nicht nur ihr Zimmer verlassen, sondern auch das Gebäude. Mit Motorradhelm und buntem Sonnenschirm begibt sie sich in der Nacht zur Brücke, die direkt in der Nähe der "Insel" ist, und wirft die Flasche in diese Richtung. Daraufhin entwickelt sich eine gewisse Kommunikation. Der junge Mann antwortet mit Sätzen, die er in den Strand schreibt und Kim wiederholt ihren gefürchteten Gang jede Nacht aufs Neue. Mehr möchte ich zur Geschichte nicht schreiben.
Wow! Echt jetzt. WOW! Auch wenn sich das hier sehr komisch liest, der Film ist eine grandiose Mischung aus Isolation, Witz und Menschlichkeit, ist ungeheuer herzerwärmend und bietet sogar für den nicht Asiakenner ein ungewöhnliches Bild. Beide Schauspieler liefern hier eine großartige Vorstellung ab, dabei wird hier auf typische asiatische Stilmittel komplett verzichtet. Eine Mischung aus "Mary & Max", "Le fabuleux destin d’Amélie Poulain" und etwas Robinson Crusoe mit einer tollen Portion Tiefgründigkeit. Zudem erlebt man eine der bezauberndsten Romanzen der jüngeren Kinogeschichte. Dass beide Figuren den Namen Kim tragen, ist nur das i-Tüpfelchen.
Dringende Empfehlung mit dem Louis Cyphre-Gütesiegel an alle, die mal wieder einen richtig schönen Film erleben wollen. Welt, schau mehr asiatische Filmkunst!

Freitag, 29. Juli 2016

Idi i smotri


Regie: Elem Germanowitsch Klimow, 1985

Der Film erzählt die Geschichte des 12-jährigen Fljora, eines weißrussischen Bauernjungen zur Zeit der deutschen Besatzung. Nach dem Untergang der deutschen Armee in Stalingrad ziehen Einheiten der Waffen-SS durch Weißrußland und ermorden die Einheimischen.
628 Dörfer fallen den Gräueltaten zum Opfer. Fljora schließt sich den Partisanen an und muss, nach einem Überfall deutscher Fallschirmjäger auf das Lager, fliehen. Ein Massaker der SS überlebt der Junge.
In eindringlichen, teilweise erschreckenden Bildern, erzeugt der Film eine unwohle Endzeitstimmung. Der kahle und hintergründige Soundtrack unterstreicht die Grausamkeit und den Horror der Bilder.
Anders wie in Hollywood, werden die Bilder hier nicht durch Explosionen, Schlachten und Effekten dominiert, sondern mit einem extrem authentischen und realistischen dreckigen Bild. Fast dokumentarisch fängt die Kamera Gesichter in Nahaufnahmen, ausladende Waldgebiete und graue Landschaften ein. Manche Szenen sind großartig gefilmt, die oft Verzweiflung, Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit symbolisieren. Überhaupt ist die Kameraarbeit absolut großartig und beeindruckend - typisch russisch halt.
Untypisch auch die geringe Gewaltdarstellung in exzessiven Bildern, die kaum vorkommt. Dafür ist der psychische Horror umso grausamer und viel bedrückender und gnadenloser als in allen Kriegsfilmen, die ich kenne.
Die Schlussszene gehört übrigens zu den eindrucksvollsten montierten Szenen, die ich gesehen habe.
Ein Film der null unterhält, dafür aber zeigt!

Mittwoch, 27. Juli 2016

Black Sabbath - Vol. 4


Für mich ist "Vol. 4" eines der ganz wenigen perfekten Alben der Musikgeschichte, obwohl ich die "Vol. 4" relativ spät für mich "entdeckt" habe.
"Vol. 4" ist nicht nur ein nicht in Worte zu fassendes wichtiges (eines der wichtigsten sogar) und einflussreiches Album für den Heavy Metal, sondern, und das ist eigentlich noch viel geiler, eines der coolsten und lässigsten Musikalben unserer Zeit.
So gut wie auf "Vol. 4" war diese Band in der klassischen Besetzung nie wieder, mit Dio schon gleich zweimal nicht. Das Ding ist nichts weiter als ein Denkmal der Rockgeschichte, vier Musiker auf der Höhe ihrer Kreativität, die hier unglaublich perfekt zusammen harmonieren.
Bass, Gitarre, Schlagzeug und Teufelsanbetung haben wirklich nie wieder so überzeugend und echt geklungen, wie auf diesem versifften Musiktrip. Und des Öfteren mutmaßt man vor sich hin, ob John Bonham eventuell doch nicht der einzige wahre Rockschlagzeuger der Menschheitsgeschichte war.

Dienstag, 26. Juli 2016

Dissection - Storm Of The Light's Bane


"Storm Of The Light's Bane" lege ich mittlerweile eher selten auf, aber auch heute gilt dieses schwedische Meisterwerk immer noch als der ultimative Geschlechtsverkehr zwischen schwarzer Black Metal Raserei und Swedish Death Metal mit einer mächtigen Melodie-Ejakulation.
Noch heute, zwanzig Jahre später, gehört der Opener 'Night's Blood' nach wie vor zu den stilistischsten Songs, die die skandinavische Death- und Black Metal Welle hervorgebracht hat.
Jon Nödtveidts Gespür und Verständnis für Harmonien und Songstrukturen ist bis heute so ziemlich einzigartig da oben im Norden. "Storm Of The Light's Bane" hat vielen ähnlichen Alben etwas voraus, es ist eine Verschmelzung von musikalischem Können und visionärem Songwriting. Es sind nicht nur die unverwechselbaren Leads und Riffs von Nödtveidt, auch wenn diese natürlich maßgeblich zur Faszination Dissection beitragen, sondern auch das oft unerwähnte und unglaublich mächtige Powerdrumming von Ole Öhman, welches man locker zu den besten Leistungen im Extrem-Metal der 90er Jahre zählen darf und natürlich die auch heute noch fantastische Produktion mit Kanten und Volumen.
Sechs perfekte Songs, pechschwarz, durchdrängt von einzigartigen (und nie wieder "reproduzierten") Melodiebögen, ein harmonisches Gitarrenfeuerwerk, luststeigernde Blastbeats und dabei immer eine spürbare Intensität im Nacken.
"Storm Of The Light's Bane" hat eben alles, was einen echten Klassiker ausmacht. Da benötigt es auch keinen Hinweis, dass das stilsichere und in einem irre schönen Blauton gehaltene Coverartwork von Necrolord zu den ganz großen, klassischen Eyecatchern der damaligen Handarbeit gehört.
Nödtveidt war ein Arsch, keine Frage, musikalisch war er jedoch das begnadetste Genie und Talent was der nordeuropäische Heavy Metal in den Neunzigern ausgespuckt hat.

Montag, 25. Juli 2016

Manowar - Into Glory Ride


Ein Live-Tape (Bootleg) mit dem Namen "Death to False Metal!" von der Fighting the World-Tour 1987 hat mich eigentlich "verändert", das erste richtige Album folgte wenige Wochen später. Das erste Album, welches ich bewusst, ganz, komplett, mit Texte lesen, unter Kopfhörern, mit Fantasybildern im Schädel, unter ständigem Mitsingen der Texte und der Melodien und ausschließlich alleine gehört habe, war "Into Glory Ride". Ob "Hail to England" heute auch diesen Stellenwert hätte, was es ja eigentlich bei mir hat, wenn ich statt "Into Glory Ride" "Hail to England" zuerst gehört hätte, kann ich nicht genau sagen.
Vermutlich aber nicht, da bis auf 'Warlord', der überhaupt gar kein schlechter Manowar-Song ist, sondern nur nicht zum Kontext des Albums passt, auf "Into Glory Ride" die sechs epischsten und rohsten Diamanten der Metal-Geschichte verewigt sind. Dieses betörende 'Secret of Steel', das galoppierende und mächtige 'Gloves of Metal', die Überhymne 'Gates of Valhalla', das schrecklich finstere 'Hatred' (für mich das 'Bridge of Death" des Albums) und die beiden abschließenden unerreichten magischen Sternstunden des epischen Metals 'Revelation (Death’s Angel)' und 'March for Revenge (By the Soldiers of Death)', war von nun an meine Religion. Dazu kommt dieser zum niederknien (ungewollt) ehrliche Sound, der hier die Stimmung in Dimensionen treibt, die ich auf keinem anderen klassischen Heavy Metal Album wieder gehört habe.
Ross Friedman (gehört für mich zu den zehn typischsten und einflussreichsten Gitarristen aus dem Bereich Heavy & Metal) mit seinem unglaublichen leidenschaftlichen Gitarrenspiel, seinen Weltriffs und warmen und trotzdem feurigen Solis; Scott Columbus' punchende Lärmorgie an den Kesseln, nichts anderes ist es, aber er war vielleicht der effektivste talentlose Schlagzeuger des Heavy Metal - alles so überaus positiv gemeint, wie man es sich nur vorstellen kann; Joey DeMaios berserkerhaftes Talent echte und spürbare Stahlhymnen zu komponieren, aus denen wahrscheinlich der Terminator entwickelt wurde, und sein Gespür für dramatische Epik in den Songs und natürlich Eric Adams, ein Sänger, der zu seinen Glanzzeiten für einen Dickinson, einen Halford und wie sie alle heißen nur ein achselzuckendes Lächeln übrig hätte.
Sechs der für mich bedeutendsten Songs des Heavy Metal befinden sich auf "Into Glory Ride", alle für sich makellos perfekt, veredelt von einer einzigartigen Stimme, gekrönt von einem dermaßen passenden Coverartwork und mit textlichen Schlagwörtern aufgeblasen, die ich auch heute noch lauthals mitsinge. Dieses Album glorifiziert für mich den Heavy Metal bis in die ungepflegten Haarspitzen und ist ein heiliges Unikat dieser Musik.
Durch "Into Glory Ride" bin ich ein anderer Mensch geworden und kein anderes Album danach hat je wieder dieses Gefühl vermitteln können, wie damals, als ich 1993 wochenlang dieses Album zutiefst vergöttert habe und die große weite Welt der Musik für mich entdeckte. Ich mutierte endgültig zum Musikfan, Metalhörer und zum wandelnden Outfitoverkill.

Freitag, 22. Juli 2016

Totenmond - Reich in Rost


Der Elitekrach von Totenmond gehört zu den stumpfsinnigsten Auswürfen der zersetzenden Tonkunst.
Mit "Reich in Rost" hat die Band im Jahr 2000 ihr eingängigstes Werk geschaffen, welches zwar nicht ganz an die Brachialität von "Lichtbringer" heranreicht und auch nicht so einen Vernichtungsschlag wie "Fleischwald" darstellt, dafür aber mit einem schmissigen rostigen Metall auf Metall-Sound und einem punkigen Songwriting glänzt. Außerdem gehört Pazzer mit seinem Umgang mit der deutschen Sprache zu den verkannten Genies.
Und mit 'Schiff ahoi' hat man ganz nebenbei noch einen lupenreinen Hit geschrieben. Aber bei Totenmond fließt bei mir eh mit jedem Album der Geifer. Hirn-Korrosion der freudigen Hingabe!

Laurence Anyways


Regie: Xavier Dolan, 2012

Xavier Dolan wird ja gerne als Regiewunderkind gefeiert. Meinen Erstkontakt mit dem blutjungen kanadischen Autorenfilmer hatte ich mit seinem Zweitwerk "Les amours imaginaires" und war völlig unterwältigt. Eine komplette Schlafpille, die allerdings mit einem geschmacksicheren Soundtrack ausgestattet war (was sich zu Dolans Handschrift entwickelt hat) und man das Talent von Dolan dennoch erkannte. Sein letztjähriges Werk "Mommy" hat mich dann aber ziemlich begeistert.
Und nun habe ich mir sein hochgelobtes Drittwerk angesehen. Das Drama, welches knapp an der drei Stunden-Grenze kratzt, zeigt den Willen und den Wunsch von Laurence Alia sich in eine Frau zu verwandeln, da er seit über dreißig Jahren im falschen Körper eingesperrt ist und damit nicht mehr leben kann und will. Seine Freundin Frédérique versucht dies zu akzeptieren und die Liebe aufrecht zu erhalten. Doch nervlich scheint sie nach einer gewissen Zeit und einer heimlichen Abtreibung an ihre Grenzen zu stoßen. Mehr möchte ich zu der Geschichte nicht schreiben, denn die sollte man sich wirklich mit der Bilderflut und der Musik ansehen.
Dolan stolpert hier nicht eine Sekunde ins Peinliche oder versinkt im Kitsch (der trotzdem bewusst dezent als Stilmittel eingesetzt wird - aber auf typische Dolan-Art). Man muss sich auch mal vor Augen führen, dass Dolan hier gerade mal 23 Jahre alt war und gleichzeitig so ein selbstsicheres und fantastisches Meisterwerk abgeliefert hat. Dolans Stil ist eigenwillig, schon fast provokant und selbstverliebt, aber mit einem Ideenreichtum ausgestattet, wie es seit Jahren nur vereinzelte Regisseure vergönnt ist. 
Sein Spiel mit Farben, Zeitlupen, grandioser Musik und Kameraeinstellungen erinnert an eine moderne Interpretation der Nouvelle Vague. Dolan setzt sehr oft bekannte Pop- und moderne Electro-Musik ein, die in Kombination mit den Bildern wie ein Popmärchen anmuten. Es gibt hier z.B. eine so grandiose Szene, wo Fred zu einem Filmball geht und sie knallbuntgestylt zu 'Fade to Grey' durch die Massen (die ebenfalls abgefahren durchgestylt sind) abwechselnd in Zeitlupe drehend schwebt und dann wieder mit ernstem Gang voranschreitet. Alleine diese Szene ist so weit drüber und pompös, dass man mit herunterlaufendem Speichelfaden vor dem TV Gerät anfängt zu zucken. 
Die Handlung spielt in den Neunzigern, also eine sehr bunte Zeit/Mode mit kleinen Ausflügen in die Spätachtziger. Hier tobt sich Dolan regelrecht besessen an den Kostümen, Frisuren, Perücken und dem Make-Up aus. Seine Bilder sind perfekte Zeitepochen, die aber nur nebenbei existieren, denn im Vordergrund steht die Geschichte von Laurence und Fred.
Der Film hat so viele denkwürdige Szenen wie die Wasserfallszene in der Wohnung von Fred, die Klamotten-regnen-vom Himmel-Szene oder als Laurence in Frauenklamotten seine Klasse betritt (er ist Lehrer) und die angesprochene 'Fade to Grey'-Szene. Aber am meisten hat mich die Szene im Café begeistert, als Fred die Bedienung in einer gewaltigen Lautstärke zusammenfaltet und fast explodiert. Fantastique!
Die beiden Hauptdarsteller sind großartig und mir persönlich hat Suzanne Clément als Fred am besten gefallen. Man könnte meinen, dass Dolan mit seinen 23 Jahren zu überheblich filmt, aber dem ist nicht so. Er kann es einfach. Seine Filme sind sicherlich nicht für die breite Masse bestimmt (was man auch seinen Filmen sofort anmerkt), aber es lohnt sich für Filmbegeisterte seine Werke zu entdecken. Das hier ist sein Meisterstück und gleichzeitig Vorbild für kommende Filmemacher in Sachen Kreativität und Stil. 

Mittwoch, 20. Juli 2016

Heather Nova - Siren


Ich stehe ja total auf diese Musikerin, deswegen mal hier mein liebstes Werk dieser tollen Frau schnell vorgestellt.
"Siren" ist das dritte Album und dürfte wohl auch das erfolgreichste Werk von Heather Nova sein. Schon der fantastische Vorgänger "Oyster" mit solchen großartigen Songs wie 'Maybe an Angel' oder 'Island', hat mich damals als pubertierender Jugendlicher schon sehr angemacht, konnte es aber nicht offiziell zugeben, da es sich damals nicht geziemt hat, dass man auch solche Musik gut findet, wenn man im The Triumph of Steel-Muscle-Shirt immer nur das Manowar-Zeichen mit seinen Kleinkind-Armen machte.
Heute, 20 Jahre später, liest sich das natürlich unfreiwillig lächerlich. Richtig schön, und ich meine auch schön, wurde es aber erst mit dem dritten Album, welches vier Jahre später erschien. "Siren" ist nicht nur erdiger, sondern besitzt auch einen klasse Bandsound und ist rockiger als seine beiden Vorgänger. Auch die Produktion ist angenehm warm und voluminös. Hier zeichnet sich übrigens Martin Glover von KILLING JOKE und Jon Kelly verantwortlich.
Was "Siren" neben dem typischen 90er-Sound so wunderbar macht, sind eigentlich die richtig gut komponierten Songs, die Heather hier geschrieben hat. Waren die beiden Vorgänger noch teilweise durchwachsen, kommt auf "Siren" das volle Talent von Nova zur Geltung. Knackige Rocksongs stehen neben melancholisch angehauchten Popsongs und unkitschigen Balladen in Reihe und Glied. Das Album wird zudem erstklassig eröffnet. 'London Rain (Nothing Heals Me Like You Do)' ist halt auch ein irre guter Opener für so eine Art von Pop-Rock-Musik, gefolgt von dem starken 'Blood of Me' und dem schönen 'Heart and Shoulder'. 'What a Feeling' ist dann eher ein Schmusesong, allerdings ein guter.
Hier braucht es auch keine instrumentalen Höhepunkte, die Songs sind einprägsam und flüssig. Und Heather hat nebenbei noch bemerkt eine wunderhübsche Stimme, auf der die Songs aufbauen. Mit 'I'm the Girl' ist hier auch mein Lieblingssong von Heather auf dem Album, wozu ich immer mit eingeklemmtem Spatzelmann zwischen den Beinen den Buffalo Bill tanze.
Musikalisch typische Sommermusik, kann man ohne große Konzentration genießen, passt eigentlich immer und ist weit entfernt von seelenloser Popmusik. Heather Nova ist eine äußerst talentierte Songwriterin mit einer tollen Stimme und mit Sinn und Verstand für gute Songs ausgestattet.
"The Jasmine Flower" fand ich 2008 wieder richtig stark, obwohl Heather selber nie wieder an ihre beiden Delikatessen "Oyster" und eben "Siren" anknüpfen konnte. Heather ist auch heute noch oft ein gern gesehener Gast in meinem Musiktempel. Super Frau halt!

Dienstag, 19. Juli 2016

System Of A Down - Mezmerize

System-of-aDown-Mezmerize
Müsste ich mich entscheiden, welche Band mich im letzten Jahrzehnt am meisten beeindruckt und durcheinandergebracht hat, dann würde ich wohl SOAD nennen. "Toxicity" ist für mich mittlerweile mein liebstes harsches Gitarrenpower-Album aus diesem Jahrzehnt. Diese ungezügelte, rohe Brutalität, die von Rick Rubin meisterhaft eingefangen und in der Produktion umgesetzt wurde, knallt (hier stimmt dieser Ausdruck mal) immer noch so berserkerhaft wie am ersten Tag. Man darf auch nicht überhören, dass hier nur ein einziger Gitarrist für diesen Sturm verantwortlich ist.
Daron Malakian ist für mich das größte Talent an der Gitarre seit Darrell Lance Abbott, und das meine ich völlig ernst. Was Daron für kreative Riffs, Melodien, ungewöhnliche Solis und Ideen auf der Gitarre auslebt, ist für mich wirklich nur mit einem Dimebag zu vergleichen.
Stilistisch ganz klar auf einem anderen Level, aber von der Wirkung nicht weniger erschlagender. Dabei sind es nicht nur seine ungehaltenen und monströsen Power-Riffs, die kochende Wut und blutige Aggressionen atmen, sondern auch seine ruhigen Töne, sein ausgeprägter Sinn für feine Melodien und natürlich dieser ultraherb geile musikalische Einfluss seiner Herkunft. Dieser ist fester Bestandteil im Sound von SOAD, wird aber nie plakativ in den Vordergrund gestellt, sondern begleitet mit sanften Schritten den musikalischen Rahmen. Dazu hat man mit Serj Tankian einen der außergewöhnlichsten Sänger der letzten Jahre hinter dem Mikro stehen, der passend zu dem Stil von Malakian aggressiv, wild, verrückt und melodisch die abgefahrensten Gesangslinien ausspuckt. Richtig sexuell wird es aber erst, wenn Tankian und Malakian sich zusammen duellieren und im Duett die schrägsten Parts mit ihren Stimmen nochmals aufwerten.
Und mit John Dolmayan hat man eine extrem unterbewertete Groovemaschine am Schlagzeug sitzen, der so richtig vom Leder zieht, wenn er synchron mit Malakian eine Urgewalt heraufbeschwört.
Mit "Mesmerize" (mein Erstkontakt mit SOAD) hat man 2005 ein wahres Gigantenwerk an Kreativität, Feuer, Melodien, Hits, Riffs für Millionen, Refrains und Momente für die Ewigkeit veröffentlicht. Die brachialen Momente von "Toxicity" findet man nun in einem etwas geordneten Rahmen die wunderbar mit den einprägsamen Melodien, die erst auf dem melodischeren Zwillingsbruder "Hypnotize" so richtig aufblühen, harmonieren.
Das Doppel "Mesmerize"/"Hypnotize" ist vielleicht der letzte große Paukenschlag in der Rockmusik bis heute. Sozusagen die beiden "Use Your Illusion" in musikalisch gut und wertvoll. "Toxicity" war zwar glaube ich erfolgreicher, aber "Mesmerize" ist musikalisch das bisher ausgereifteste Werk in der Bandgeschichte. Was für wahnwitzige Songs wie 'Sad Statue' (wie dieses Riff tötet!), 'Violent Pornography', 'Question!', 'B.Y.O.B.', 'Cigaro' oder mein Lieblingssong 'Radio/Video' mit seiner orientalischen Köstlichkeit im Mittelteil dieses Album beinhaltet, ist kaum auszuhalten. Dabei gibt es eigentlich keinen einzigen Ausfall. Auch die Verpackung ist endlich mal hübsch, was man ja bei den Vorgängern nicht behaupten konnte. Und auch hier war Rick Rubin wieder für die Produktion verantwortlich, diesmal aber in Zusammenarbeit mit Malakian. Auch wenn der Sound nicht ganz so brachial wie bei "Toxicity" ist, sind es die besser nuancierten Feinheiten und die weicheren Gitarrenmelodien, die den Bandsound noch spannender gestalten.
In allen Belangen ist "Mezmerize" das anspruchsvollste und am besten komponierte Werk der Bandgeschichte. Die unglaublich komplexen Gesangsleistungen von Tankian und Malakian, die Luxusarbeit von Malakian an der Gitarre, die sagenhafte Groovearbeit von Shavo Odadjian und John Dolmayan und dieser irre Stilmix aus allem, was gut ist, gehören zu den größten Momenten der Rockmusik des neuen Jahrtausends.
SYSTEM OF A DOWN sind laut meinem Gehirn, meinem Bauch, meiner Seele und meinem Herzen die kreativste und frischeste Band, die die Rockmusik nach den Neunzigern hervorgebracht hat. Ist wie mit Falafel: kann ich (leider) nicht immer und überall essen, aber wenn ich es in die Finger bekomme, ist es das geilste Zeug von Welt.

Montag, 18. Juli 2016

Nagelfar - Hünengrab im Herbst

Nagelfar - Hünengrab im Herbst
1997 hatte ich meine ersten ernstzunehmenden Berührungen mit Black Metal. Das für mich im Nachhinein vielleicht wichtigste und prägendste Album, welches mir den Black Metal ins Haus holte, kam nicht aus Norwegen, sondern aus Deutschland.
Damals besorgte ich mir CDs und Shirts noch über Papier-Mailorder per Post oder per Telefon. Napalm Records, Last Episode, Nuclear Blast, EMP, Invasion - die üblichen Verdächtigen halt aus dieser Zeit. Dort habe ich dann auch das Debüt “Hünengrab im Herbst“ von NAGELFAR entdeckt. Die positiven Meinungen zum Album haben mich dann zum Kauf überredet, und diesen habe ich bis heute nicht bereut.
Der ausschlaggebende Punkt war aber, dass die Texte komplett auf Deutsch vorgetragen wurden - damals eine Seltenheit im Black Metal. Auch das Covermotiv war eher Black Metal untypisch.
Ich kann mich heute noch genau an diesen großen Moment erinnern, als das kurze Intro in den ersten Song 'Seelenland' überging. Ein Schrei, ein Blastbeat, ein druckvolles Riff und eine, meiner Meinung nach, immer noch einzigartige und unerwartete Produktion. Andy Classen hat hier eine unglaubliche Arbeit abgeliefert, den Sound für das eher moderne Songwriting, welches sich klar von den anderen Bands unterschied, zugeschnitten und Emotionen, jede Menge Details, Ecken und Kanten, sowie leichte elektronische Experimente als einen großen Klangkosmos geschaffen.
Natürlich bringt die beste Produktion nichts, wenn das Songwriting nicht stimmt. Und da kommt man automatisch auf den nächsten herausragenden Punkt, der für die Sonderstellung des Albums verantwortlich ist. NAGELFAR haben auf “Hünengrab im Herbst“ 5 teuflische Songs verewigt, die sich, genau wie die Produktion, vom üblichen Schema der Black Metal Kunst (bewusst?) abgrenzten. Wahnsinnig mutiges Songwriting, furchtloser Einsatz von Keyboards und Electronica, ungewöhnliches Drumming, druckvoller Gitarrensound, deutsche Texte und verständlicher Gesang geht Hand in Hand mit geistesgestörtem Geschrei. Zudem hat sich mit dem Titelsong auch noch eine gothische Ballade auf dem Album versteckt, die mir persönlich aber schon immer nicht so recht schmecken wollte. Eine weitere außergewöhnliche Kombination, so ein Stück in die Mitte des Albums zu platzieren. Man darf nicht vergessen, dass Keyboards, zu viele Melodien, klarer Gesang und ein druckvoller Sound 1997 mit Black Metal so viel zu tun hatte, wie meine Oma mit WACO JESUS.
Zurück zu 'Seelenland'. Der erste Song sorgte bereits für unfassbare Begeisterung in meinem damals zarten Alter und lies meinen Penis abermals einen mächtigen Wachstumsschub erfahren. Wie ein Sturm donnert der Song los, prügelt, sägt um dann in einen eher hymnischen Rhythmus zu wechseln. Immer wieder brechen NAGELFAR in rasende Parts aus, verbinden das aber alles so geschickt und stimmig, dass mir damals echt nichts mehr dazu einfiel. Auf jeden Sampler packte ich 'Seelenland', alle wurden in meinem Bekanntenkreis mit diesem Song beglückt, ob sie wollten oder nicht.
Mit 'Schwanengesang' folgte dann ein episches Meisterwerk mit einer Länge von knapp 15 Minuten, welches mit ungewöhnlicher Rhythmik und experimentellen Synthesizern beginnt, danach in epischer Black Metal Manier umherstürmt um dann mit ruhigen, träumerischen und spacigen Passagen ein sehr atmosphärisches Gesamtbild zu erschaffen. Auch hier sticht der grandiose und meiner Meinung nach meisterliche Gesang von Jander heraus, der auf “Hünengrab im Herbst“ für mich eine der besten Gesangsleistung auf einem Black Metal Album abgeliefert hat. Wildes, chaotisches Geschrei, Sprechgesang, hymnenhafter Klargesang oder irres Psychogekeifer, Jander besitzt für Black Metal Verhältnisse eine enorme Vielfältigkeit. Technisch natürlich alles sehr begrenzt - aber darauf kommt es auf “Hünengrab im Herbst“ gar nicht an. Es ist diese emotionale, extrem charismatische Stimme, die authentisch die gesamte Stimmung der Songs einfängt. Wie geschickt und unverschämt selbstverständlich NAGELFAR in 'Schwanengesang' mit Tempo, Rhythmik, klarem Gesang, ungewöhnlichen Keyboards und Stimmungen spielen, ist heute genauso spannend und faszinierend wie vor 19 Jahren.
Mit 'Hünengrab im Herbst' folgt dann die bereits erwähnte Ballade, die zwar super zur Stimmung des Albums passt, mir aber etwas zu abgedroschen klingt. Mutig ist dieses Stück allemal, welches auch mit schönen Klanglandschaften aufwartet. Vielleicht erinnert mich der Song auch zu sehr an den Kitsch von einer Band wie LACRIMOSA, ohne dabei in diese Gefilde abzurutschen.
Kein Ausfall, für mich aber schon damals eher ein nettes Beiwerk zum restlichen Album.
'Bildnis der Apokalypse' zeigt NAGELFAR wieder in experimentierfreudiger Laune. Verzerrter Gesang wechselt sich mit kraftvollem Geschrei ab. Auch hier zelebrieren NAGELFAR wieder eine Symbiose aus rasendem Black Metal mit ungewöhnlichen Tempowechseln und Synthesizersounds.
Mit 'Srontgorrth (Das dritte Kapitel)' haben NAGELFAR den vielleicht besten Song ihrer Karriere auf dem Album verewigt. Epochal, rasend, stampfend, hymnisch, poetisch und besessen knüppeln und spielen sich NAGELFAR in einen Rausch über dem das gnadenlose Gekeife von Jander herrscht. Heute noch verschafft mir der majestätische Mittelteil eine Gänsehaut. "Der Frühling erstarb auf meinen Lippen. Doch da … im Frühnebel - ein Funke - heidnischer Schönheit".
Abschließend bewegen sich NAGELFAR in 'Der Flug des Raben (Ein Jammerschrei in traurig’ Nächten)' 15 Minuten lang durch alle Ebenen, die das Album bisher aufgezeigt hat.
“Hünengrab im Herbst“ ist heute, 19 Jahre später, sicher nicht mehr so faszinierend wie damals. Es gibt mittlerweile auch teilweise viel bessere deutsche Black Metal Alben, doch eines hat sich das Album bis heute bewahrt. Es ist und bleibt in seinem Ganzen einzigartig und unerreicht.
Die fantastische Produktion von Andy Classen ist bis heute nicht eine Sekunde gealtert, der druckvolle Schlagzeugsound ist immer noch etwas ganz Besonderes, die ungewöhnlichen Riffs und Rhythmen waren damals extrem mutig und Janders Gesang ist und bleibt eine Meisterleistung im Black Metal. Dazu haben NAGELFAR einfach wunderbare, im Gedächtnis haften bleibende Melodien auf “Hünengrab im Herbst“ verewigt, ob nun mit Synthesizer, Gitarre, Samples oder Gesang.
Der für mich aber höchste Stellenwert, den dieses Album für mich besitzt, ist, dass es ein Teil meiner Jugend ist und für mich ein ähnliches prägendes und sehr wichtiges Album wie "Into Glory Ride", "Dark Side Of The Moon" oder "Within The Realm Of A Dying Sun" darstellt. Die Erinnerungen, die ich mit "Hünengrab im Herbst“ verbinde, sind sowieso nicht in Worte auszudrücken.
Nach “Hünengrab im Herbst“ war ich endgültig und hoffnungslos dem Black Metal verfallen.

De rouille et d'os


Regie: Jacques Audiard, 2012

Der rohe Alain schlägt sich mit seinem Sohn ohne viel Perspektive durch das Leben und bekommt einen Job als Türsteher in einem Club. Dort muss er auch gleich bei einem Handgemenge eingreifen, wo er auf die schöne Stéphanie trifft, die wohl daran beteiligt war und was auf die Nase bekommen hat. Er fährt sie nach Hause und bittet sie noch Eis für seine verletzte Hand zu besorgen. Stéphanie lässt ihn in die Wohnung, wo Alain auch gleich ihren Freund kennenlernen darf. Zudem erfährt er von ihrem Beruf, da überall in der Wohnung Fotos und Artikel Stéphanie als Orca-Dompteurin in einem Seapark zeigen. Für Alain eine unerwartete coole Sache. Cut.
Stéphanie wird bei ihrer nächsten Show gezeigt, alles riesengroß mit Pomp und Menschenmengen. Alles läuft normal, bis plötzlich ein Orca mehr Hunger hat als die anderen. Stéphanie wird bei dem Zwischenfall verletzt und verliert ihre beiden Beine.
Monate später meldet sich Stéphanie bei Alain (der damals seine Nummer hinterlassen hat), der mittlerweile bei seiner ebenfalls sozial eher schwachen Schwester wohnt und jetzt Nachtschichten in einer Security-Firma schiebt. Er besucht sie, doch Stéphanie hat die Lust am Leben verloren, gammelt im Rollstuhl in ihrer abgedunkelten Wohnung vor sich hin und steht völlig alleine da (bis auf eine Kollegin, die öfter vorbeikommt).
Alain nimmt es gelassen, bemerkt ungehobelt zwischendurch, dass es in der Wohnung ziemlich stinkt, und überredet Stéphanie letztendlich doch dazu an die frische Luft zu "gehen". Beide unterhalten sich in einem Strandcafé, bis Alain Stéphanie plump fragt, ob sie Lust hat mit ihm schnell ins Wasser zu springen. Stéphanie hält das anfänglich für einen Scherz, bis sie dann doch mit dem Rollstuhl zum Strand fährt, wo Alain schon im Wasser ist. Schließlich lässt sie sich von Alain überreden, der sie dann ins Wasser trägt.
Hier sind mir dann schon die Tränen gekullert. Aber was bitte ist das für eine geile Tricktechnik mit den beiden Stummeln. Hier werden keine Kameratricks verwendet - wie das alles in Szene gesetzt ist, zeigt ein tolles Making of als Extra auf der DVD. Wahnsinn, wie authentisch das aussieht.
Stéphanie schwimmt den halben Tag im Meer (auch das sieht man - ohne Beine) und ist überglücklich, als Alain sie wieder aus dem Wasser trägt und sie sich herzlichst dafür bedankt.
Zwischen den beiden entwickelt sich eine tiefere Freundschaft, auch wenn Alain schon eher der Arschlochtyp ist. Gegenüber Stéphanie zeigt er aber unbewusst Gefühle. Als Alain ein Angebot für Straßenkämpfe bekommt, sieht er darin seine große Chance auf mehr Geld. Und Stéphanie verliebt sich langsam in Alain.
Wow! Was für ein grandioses Stück Europakino! Marion Cotillard ist einfach eine der besten derzeitigen Schauspielerin und spielt ihre Rolle so authentisch und beeindruckend, dass ich der Frau ab sofort verfallen bin. Ihre Ausstrahlung auf dem Bildschirm ist sagenhaft. Matthias Schoenaerts Rolle als Alain ist ebenfalls überragend. Eine fantastische Schauspielleistung der beiden Hauptakteure.
Jacques Audiard hat mich damals schon mit seinem meisterlichen Gefängnisdrama "Un prophete" überzeugt und legt hier nochmal eine Schaufel Emotion drauf. Eine erstklassige Kamera, unterlegt mit einem coolen Soundtrack (Springsteens 'State Trooper'!) und der "Mut", ungeschönte Sexszenen mit amputierten Beinen zu zeigen, sind dabei eigentlich nur Nebensächlichkeiten, die erst nach dem Ende im Kopf wirken. Getragen von den beiden herausragenden Darstellern, einer absolut kitschfreien Geschichte und der Weg, wie Stéphanie wieder Freude am Leben findet, ist "De rouille et d'os" für mich großartiges europäisches Kino, wie man es eigentlich nicht besser machen kann.