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Freitag, 22. Juli 2016

Laurence Anyways


Regie: Xavier Dolan, 2012

Xavier Dolan wird ja gerne als Regiewunderkind gefeiert. Meinen Erstkontakt mit dem blutjungen kanadischen Autorenfilmer hatte ich mit seinem Zweitwerk "Les amours imaginaires" und war völlig unterwältigt. Eine komplette Schlafpille, die allerdings mit einem geschmacksicheren Soundtrack ausgestattet war (was sich zu Dolans Handschrift entwickelt hat) und man das Talent von Dolan dennoch erkannte. Sein letztjähriges Werk "Mommy" hat mich dann aber ziemlich begeistert.
Und nun habe ich mir sein hochgelobtes Drittwerk angesehen. Das Drama, welches knapp an der drei Stunden-Grenze kratzt, zeigt den Willen und den Wunsch von Laurence Alia sich in eine Frau zu verwandeln, da er seit über dreißig Jahren im falschen Körper eingesperrt ist und damit nicht mehr leben kann und will. Seine Freundin Frédérique versucht dies zu akzeptieren und die Liebe aufrecht zu erhalten. Doch nervlich scheint sie nach einer gewissen Zeit und einer heimlichen Abtreibung an ihre Grenzen zu stoßen. Mehr möchte ich zu der Geschichte nicht schreiben, denn die sollte man sich wirklich mit der Bilderflut und der Musik ansehen.
Dolan stolpert hier nicht eine Sekunde ins Peinliche oder versinkt im Kitsch (der trotzdem bewusst dezent als Stilmittel eingesetzt wird - aber auf typische Dolan-Art). Man muss sich auch mal vor Augen führen, dass Dolan hier gerade mal 23 Jahre alt war und gleichzeitig so ein selbstsicheres und fantastisches Meisterwerk abgeliefert hat. Dolans Stil ist eigenwillig, schon fast provokant und selbstverliebt, aber mit einem Ideenreichtum ausgestattet, wie es seit Jahren nur vereinzelte Regisseure vergönnt ist. 
Sein Spiel mit Farben, Zeitlupen, grandioser Musik und Kameraeinstellungen erinnert an eine moderne Interpretation der Nouvelle Vague. Dolan setzt sehr oft bekannte Pop- und moderne Electro-Musik ein, die in Kombination mit den Bildern wie ein Popmärchen anmuten. Es gibt hier z.B. eine so grandiose Szene, wo Fred zu einem Filmball geht und sie knallbuntgestylt zu 'Fade to Grey' durch die Massen (die ebenfalls abgefahren durchgestylt sind) abwechselnd in Zeitlupe drehend schwebt und dann wieder mit ernstem Gang voranschreitet. Alleine diese Szene ist so weit drüber und pompös, dass man mit herunterlaufendem Speichelfaden vor dem TV Gerät anfängt zu zucken. 
Die Handlung spielt in den Neunzigern, also eine sehr bunte Zeit/Mode mit kleinen Ausflügen in die Spätachtziger. Hier tobt sich Dolan regelrecht besessen an den Kostümen, Frisuren, Perücken und dem Make-Up aus. Seine Bilder sind perfekte Zeitepochen, die aber nur nebenbei existieren, denn im Vordergrund steht die Geschichte von Laurence und Fred.
Der Film hat so viele denkwürdige Szenen wie die Wasserfallszene in der Wohnung von Fred, die Klamotten-regnen-vom Himmel-Szene oder als Laurence in Frauenklamotten seine Klasse betritt (er ist Lehrer) und die angesprochene 'Fade to Grey'-Szene. Aber am meisten hat mich die Szene im Café begeistert, als Fred die Bedienung in einer gewaltigen Lautstärke zusammenfaltet und fast explodiert. Fantastique!
Die beiden Hauptdarsteller sind großartig und mir persönlich hat Suzanne Clément als Fred am besten gefallen. Man könnte meinen, dass Dolan mit seinen 23 Jahren zu überheblich filmt, aber dem ist nicht so. Er kann es einfach. Seine Filme sind sicherlich nicht für die breite Masse bestimmt (was man auch seinen Filmen sofort anmerkt), aber es lohnt sich für Filmbegeisterte seine Werke zu entdecken. Das hier ist sein Meisterstück und gleichzeitig Vorbild für kommende Filmemacher in Sachen Kreativität und Stil. 

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