Regie: Eberhard Fechner, 1975
Diese Meisterverfilmung des gleichnamigen Romans von Walter Kempowski wartete schon viel zu lange in meinem Regal. Ein „bürgerlicher Film“, der das Leben der Familie Kempowski in den Jahren 1939–1945 in Rostock zeigt. Dabei wird die Handlung ab und an aus dem Off vom älteren Walter Kempowski, dem jüngsten Sohn der Familie, kommentiert.
Gezeigt werden Lebensabschnitte und Ereignisse der Familie, wie die Urlaubsreise in den Harz, Familienfeiern, die strenge Schulausbildung von Walter und die noch abscheulichere Nachhilfe (krass, wie gut das dargestellt ist), der Klavierunterricht von Walter, Bombenangriffe auf Rostock und die bedrückende Atmosphäre im Luftschutzkeller. Auch die „Theateraufführung“ der HJ (ekelhaft authentisch gezeigt), die Liebe zur Musik von Robert, dem älteren Bruder von Walter (so ungeheuer lebendig dargestellt vom blutjungen Martin Semmelrogge), der ständig auf der Jagd nach den angesagtesten LPs ist und auch sonst immer ein lockeres Maul hat, sowie die Hochzeit während des Krieges von Walters älterer Schwester Ulla mit dem Dänen Sven und die folgende Auswanderung nach Dänemark. Dazu kommen allerhand Alltägliches, nur im Kontext der damaligen Zeit.
Im Vordergrund steht jedoch immer die Handlung der Familie und die Eigenschaften aller Familienmitglieder. Nazideutschland läuft eigentlich „nur nebenbei“ mit. Wie sind die Verhältnisse zwischen Mann und Frau, zwischen Eltern und Kindern? Welche Sitten besitzt die Familie? Wie wurde damals gelebt und welche Umstände musste die Familie meistern? All das wird traumhaft authentisch dargestellt und gefilmt.
Besonders die Rollen der Eltern sind mit der wunderbaren Edda Seippel und Karl Lieffen großartig besetzt. Auch die Sprache, der Umgangston und der allgemeine Ton in der Familie werden glaubhaft und detailgetreu aufgezeigt. Ebenso die Ausstattung – hier ist aus meiner Sicht alles akkurat historisch korrekt: von der Frisur über das Mobiliar, das Stadt- und Straßenbild bis hin zur Mode. Man wird förmlich in diese Zeit hineingerissen. Der Film endet mit dem Einmarsch der russischen Soldaten 1945.
Es ist nicht nur eine der gelungensten Literaturverfilmungen, die ich kenne, sondern auch gleichzeitig spannender Geschichtsunterricht. Ein Meisterwerk von epischem Ausmaß, das so toll gefilmt und erzählt ist, wie ich es schon lange nicht mehr erlebt habe. Eine durch und durch deutsche Familiensaga, die auf demselben Niveau glitzert wie Fanny och Alexander. Völlig zurecht einer der Klassiker der deutschen Fernsehgeschichte.
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