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Mittwoch, 29. Mai 2019

Tadellöser & Wolff

Regie: Eberhard Fechner, 1975

Diese Meisterverfilmug des gleichnamigen Romas von Walter Kempowski wartete schon viel zu lange in meinem Regal. Ein "bürgerlicher Film", welcher das Leben der Familie Kempowski in den Jahren 1939 - 1945 in Rostock zeigt. Dabei wird die Handlung ab und an aus dem Off vom älteren Walter Kempowski, der jüngste Sohn der Familie, kommentiert.
Gezeigt werden Lebensabschnitte und Ereignisse der Familie, wie die Urlaubsreise in den Harz, Familienfeiern, die strenge Schulausbildung von Walter und die noch abscheulichere Nachhilfe (krass, wie gut das dargestellt ist), der Klavierunterricht von Walter, Bombenangriffe auf Rostock und die bedrückende Atmosphäre im "Luftschutzkeller", "Theateraufführung" der HJ (ekelhaft authentisch gezeigt), die Liebe zur Musik von Robert, dem älteren Bruder von Walter (so ungeheuer lebendig dargestellt vom blutjungen Martin Semmelrogge), der ständig auf der Jagd nach den angesagtesten LPs ist und auch sonst immer ein lockeres Maul hat, die Hochzeit während des Krieges seiner älteren Schwester Ulla mit dem Dänen Sven und die folgende Auswanderung nach Dänemark, sowie allerhand Alltägliches, nur im Kontext der damaligen Zeit.
Im Vordergrund steht jedoch immer die Handlung der Familie und die Eigenschaften aller Familienmitglieder. Nazideutschland läuft eigentlich "nur nebenbei" mit. Wie sind die Verhältnisse zwischen Mann und Frau, zwischen Eltern und Kindern, welche Sitten besitzt die Familie, wie wurde damals gelebt, welche Umstände muss die Familie meistern. Dies wird alle traumhaft authentisch dargestellt und gefilmt. Besonders die Rollen der Eltern sind mit der wunderbaren Edda Seippel und Karl Lieffen großartig besetzt. Auch die Sprache, der Umgangston und der allgemeine Ton in der Familie wird glaubhaft und detailgetreu aufgezeigt. Ebenfalls die Ausstattung, hier ist aus meiner Sicht alles akkurat historisch korrekt. Von der Frisur, über das Mobiliar, das Stadt- und Straßenbild bis hin zur Mode. Man wird förmlich in diese Zeit hineingerissen. Der Film endet mit dem Einmarsch der russischen Soldaten 1945.
Es ist nicht nur eine der gelungensten Literaturverfilmungen, die ich kenne, sondern auch gleichzeitig spannender Geschichtsunterricht. Ein Meisterwerk von epischem Ausmaß, welches so toll gefilmt und erzählt ist, wie ich es schon lange nicht mehr erlebt habe. Eine durch und durch deutsche Familiensaga, die auf dem selben Niveau glitzert wie ein "Fanny och Alexander".
Völlig zurecht einer DER Klassiker der deutschen Fernsehgeschichte.

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