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Sonntag, 4. August 2019

Decade of Obsession 2010 - 2019 (2011)

2011

Morbid-Angel-Illud-Divinum-Insanus

# 10 Morbid Angel - Illud Divinum Insanus

Das achte Studioalbum der legendären Florida-Boyz und gleichzeitig so eine Art Reunion-Album mit dem kurzzeitig zurückgekehrten David Vincent. Death Metal Fanatiker auf der ganzen Welt waren mit einem Schlag wieder zwanzig Jahre jünger, kämmten das verbliebene Gekräusel auf dem Kopf seitlich über die speckige Platte und fieberten der Veröffentlichung entgegen. Es sind ja auch mittlerweile ganze acht Jahre seit der letzten Veröffentlichung vergangen.
Was allerdings kam, war ein… mächtiger Roundhouse-Kick in das zerfurchte Gesicht der Death Metal Bummelfahrt-Gesellschaft. Keine Debatte in der Metallalandschaft war in diesem Jahrzehnt so absurd hitzig, wie man es bei “Illud Divinum Insanus“ beobachten konnte.
Trey Azagthoth hatte in den vergangenen Jahren zuvor auf einem durch das Land ziehenden Jahrmarkt in der Abteilung “Autoscooter“ gearbeitet und zwischen Abkassierung und DJ-Beschallung die Songs für das kommende Album in seinem Kassenhäuschen geschrieben. Als David Vincent zufällig auf eine Runde Autoscooter vorbeikam, waren beide wieder Feuer und Flamme.
Neben den üblichen Death Metal Songs haben Morbid Angel noch einige Vorlagen für Just Dance (die Befürchtungen, dass das nachfolgende Album tatsächlich diesen Titel trägt, waren groß) auf dem Album verewigt. Mit einer guten Portion Ironie machen diese Songs sogar richtig Spaß. Einzig ‘I Am Morbid‘ hätte man sich wirklich sparen können - eine einzige Ballermann-Blödelei. Und das Fehlen von Pete Sandoval ist auch einer der großen Knackpunkte auf dem Album. Interimslösung Tim Yeung ballert leider mit seinem austauschbaren und stinklangweiligen Spiel und dem unglaublich beschissen klingenden Bassdrumgeknatter alles kaputt. Ein Album, welches auch heute noch spaltet - dabei ist es völlig harmlos und entlarvt eigentlich nur die festgefahrene Sturheit der Metal-Rednecks.

Sonne-Adam-Transformation

# 09 Sonne Adam - Transformation

Nach der famosen EP “Armed with Hammers“ lieferten die beiden Israelis ein Jahr später mit ihrem Debüt “Transformation“ ein beachtliches Death/Doom Metal Album ab. Der Sound erinnert stellenweise an die frühen Paradise Lost mit einem Schuss Morbid Angel. Die ausgezeichnete Instrumentalarbeit ist umso erstaunlicher, da alle Instrumente von nur einer Person eingespielt wurden. Die zum größten Teil im eher langsameren Tempo angelegten Songs bestechen durch kantige Gitarrenriffs, feine Melodien und dem kratzigen Gesang. Die dadurch erzeugte eigenwillige Atmosphäre hebt sich vom Genre Standard ab und erinnert eher an Bands wie Grave Miasma, Incantation und Dead Congregation - auch wenn die Qualität der genannten Band noch nicht ganz erreicht wird.
Schade, dass es leider nach zwei weiteren EPs aus dem Jahr 2012 ziemlich ruhig um diese talentierte Band geworden ist.

Oranssi-Pazuzu-Kosmonument

# 08 Oranssi Pazuzu - Kosmonument

Mit ihrem finnischen Psychedelic Space Black Metal haben sich Oranssi Pazuzu ihre eigene kleine Nische geschaffen und liefern mit ihren Alben konstant interessante, aber auch stellenweise schwer verdaubare Kost ab. Das zweite Album “Kosmonument“ gefällt mir persönlich am besten und ist noch nicht ganz so stark vernebelt wie die nachfolgenden Alben.
Mit ihrem ausgesprochenen kreativen Einsatz von Keyboards, ausgiebiger Sequenzer-Nutzung und dem ziemlich kauzigen Songwriting, erschaffen sich die Finnen eine eigene Soundnote, die wie eine Kreuzung aus Beherit, Portishead und Godflesh klingt. Auch mit den ungewöhnlichen Rhythmen, der kantigen Produktion und den spacigen Soundkreationen machen die Finnen vieles richtig. Eine hochinteressante Band, deren eigenwilligen Weg ich auch heute noch begeistert verfolge.

The-Jezabels-Prisoner

# 07 The Jezabels - Prisoner

Das Auftauchen dieser australischen Alternative Rock Band mit ihrer extrem charismatische Sängerin Hayley Mary war 2011 eine kleine Sensation. Mit ihrem Debüt lieferte die junge Band ein bereits unglaublich ausgereiftes uns sensationelles Debüt ab. Der verträumte Sound wird durch das famose Drumming und durch das gefühlvolle Gitarrenspiel getragen, doch der eigentliche Star auf dem Album ist Hayley Mary mit ihrem intensiven und ausdrucksstarken Gesang. Auch wenn die Band mich erst so richtig mit den beiden Nachfolgern bekommen hat, findet man auf “Prisoner“ bereits ein Feuerwerk an Talent, Songwritingkunst und eine überdurchschnittliche Dichte an grandiosen Songs.

The-War-on-Drugs-Slave-Ambient

# 06 The War on Drugs - Slave Ambient

Mit einer Mischung aus Springsteen, Dylan und Dire Straits verwöhnte die amerikanische Indie-Rock-Band 2011 meine Ohren. Breitwandiger Gitarrensound, leicht melancholisch und poppig, dazu die fantastische Stimme von Adam Granduciel, die nicht selten an Springsteen und Dylan erinnert. Die Zutaten aus Folk, Rock, Singer-Songwriter und Pop werden hier kongenial in Einklang gebracht. “Slave Ambient“ ist bereits ein scharfes Gerät, welches allerdings von dem gewaltigen Nachfolger nochmal um Längen übertroffen wurde.

Tom-Waits-Bad-As-Me

# 05 Tom Waits - Bad As Me

Dass das vorerst letzte Album von Tom Waits nun auch schon wieder fast neun Jahre auf dem Buckel hat, ist nicht unbedingt verwunderlich, da der Künstler nebenbei auch vermehrt im Filmgeschäft herumseiert. Waits orientiert sich auf “Bad As Me“ eher an seine früheren Werke - weniger experimentell, mehr Melodien und für den Hörer leichter „nachvollziehbar“. Herausgekommen ist (wieder) ein Meisterwerk, welches sich mit versoffenem R 'n' B und angejazztem Rock dominant in die Hemisphären des Großhirns einnistet. Waits erzeugt mit seinen Songs eine alkoholverschwitzte Atmosphäre, Rauchschwaden aus versifften Clubs entrinnen aus jeder Note und den kühlen Grundtenor mit seiner leicht depressiven Aura kennt man auch nur so von Tom Waits.
Das Gesamtkunstwerk “Bad As Me“ gehört zu den großen Highlights in Waits umfangreicher und hochinteressanter Diskographie und ist gleichzeitig eines der musikalischen Highlights dieser Dekade.

Negative-Plane-Stained-Glass-Revelations

# 04 Negative Plane - Stained Glass Revelations

In der klassischen Trio-Besetzung Bass, Gitarre und Schlagzeug haben Negative Plane mit ihrem zweiten Album einen einzigartigen und in meinen Ohren perfekten Spagat aus extrem kauziger 80er-Tradition und "modernem" Black Metal-Charme kreiert.
Verwurzelt in den Tiefen der Achtziger, rumpelt das Schlagzeug (welches auch haargenau so klingt) wunderbar authentisch und abwechslungsreich als der treibende Motor durch den Sound, orientiert sich eher am Stil eines Clive Burr oder Randy Foxe und mischt dies mit vereinzelten und „naturbelassenen“ Blastbeats. Klangtechnisch ist alleine das Schlagzeug schon wunderbar abgemischt und genau an der richtigen Stelle im Sound platziert. Das weitere Soundhighlight ist die Gitarre, die, wie in der Zeit gefangen, mit ihrem Sound eine gewisse 80er-Ästhetik verströmt. Die Riffs sind einfach und prägnant (auf technisches Gewichse wird komplett verzichtet), teilweise unsauber und kratzig dafür unverschämt mitreißend und angenehm aufdringlich und oft auch mit ruhigen Momenten und viel Hall atmosphärisch zum Verlieben.
Und das wichtigste an dem ganzen Album ist, dass Negative Plane Songs schreiben können. Songs zwischen 7 - 11 Minuten, ausladende Epik in schwarz, quietschende Gitarrentöne, hirnzersetzende Berserker-Riffs, okkulte Massen-Melodien aus dem Sexkerker, stürmische Opfer-Chöre, peitschendes Donnergrollen der Befruchtung, eisiges Beckenzischen, Hi-Hat-Massaker, wildes Gebrüll im Lust-Rausch - der Wahnsinn und die Hingabe ist in jedem Song zu spüren.
"Stained Glass Revelations" ist nach wie vor eines der wenigen herausragenden Black Metal Alben der letzten Zeit, welches nicht nur eine Eigennote besitzt und eine nicht zu fassende Produktion, sondern vor Charme zu explodieren droht.

Blut-Aus-Nord-777 - Sect(s) - 777 - The Desanctification

# 03 & 02 Blut Aus Nord - 777 - Sect(s) // 777 - The Desanctification

Mit der “777“-Trilogie nahm Vindsval einen völlig neuen Kurs auf und veröffentlichte in meinen Ohren die drei interessantesten Alben der bisherigen Bandgeschichte. Der stark industrielle Klang der beiden 2011er Werke erinnert noch ein wenig an die kalte Ästhetik der mittleren Phase ab “The Work Which Transforms God“, kommt jedoch schleppender und vernebelter daher. Wohingegen auf dem Bandmeisterwerk “The Work Which Transforms God“ musikalische Grenzerfahrungen und abgründige Alptraumwelten bis zur „Unerträglichkeit“ omnipräsent waren, die beiden nachfolgenden Alben bis heute nicht wirklich von mir geknackt wurden und mit dem zweiten “Memoria Vetusta“-Werk eine Rückbesinnung an die frühen hymnischen Tage stattfand, bediente sich Vindsval hier quer durch sein bisheriges Schaffen und trieb die Klangexperimente in nachvollziehbare aber weiterhin schwer verdauliche Schwarzklumpen.
Überall wird man mit Dissonanzen gesegnet; der Raumschiff-Autopilot triggert nervlähmende Beats, die auf Ekel gestimmte Gitarre zehrt unerträglich am Zahnstein, die abrupten Breaks, Querrhythmen, Irrenhaus-Harmonien und Ambientschwaden zerstören jeden Fluss der Musik und die kalte, monotone Stimme frisst sich aus dem Hintergrund durch die Hirnplatte. Doch zu diesen von mir heiß geliebten Eigenschaften der Band, komponierte Vindsval in die “777“-Trilogie kosmische Melodien und hymnisch-ruhige Andacht-Momente von, nun ja, erhabener Schönheit. Die dadurch erzeugte Atmosphäre ist auch heute immer noch so einzigartig und herausragend und konnte von der Band leider nicht wieder erreicht werden. Dass der Franzose hier „nur“ die Vorspeisen ablieferte, erfuhr man erst ein Jahr später, denn mit dem Abschluss der Trilogie 2012 hinterließ Vindsval mit “777 - Cosmosophy“ ein Werk, welches ich immer noch mit höchster Ehrfurcht genieße.

PJ-Harvey-Let-England-Shake

# 01 PJ Harvey - Let England Shake

Die großartigste Musikerin unserer Zeit und schlicht und ergreifend die beste Rocksängerin aller Zeiten. "Let England Shake" ist bis heute Harveys ambitioniertestes Album, welches irgendwie aus allen vorherigen Alben etwas besitzt und trotzdem frisch und neu klang. Von den Kritikern hoch gelobt, hatte ich anfangs meine Problemchen mit dem komplexen Albumfluss. Mittlerweile liebe ich dieses Werk aber abgöttisch. Schließlich gehört es zu den grandiosesten Alben dieses Jahrzehnts. Das Album ist mit dem „Alter“ sogar gereift. Aber es war auch nicht unbedingt einfach nach dem erschütternden Überwerk “White Chalk“ einen ebenbürtigen Nachfolger zu erschaffen.
Harvey entschied sich für den vermeintlich schwierigeren Weg und verwandelte sich wiedermal in eine „neue“ Persönlichkeit. Entsprechend groß ist der Unterschied zu “White Chalk“ - das Songmaterial auf “Let England Shake“ orientiert sich wieder an klassischer Rockinstrumentalisierung, jedoch in einem gedämpften und „ätherischeren“ Stil. Die ungezähmte und rohe Rotzigkeit der frühen Harvey findet nicht mehr statt. Auch auf die songorientierte mittlere Phase verzichtet Harvey fast komplett. Dennoch steckt 100% PJ Harvey in den Songs. Nachdenklich und mit einer sagenhaften intensiven Hingabe klagt Harvey auf dem Album über „Gott und die Welt“, mischt dies jedoch mit zauberhaften Melodien und einem unglaublich intelligenten Songwriting. Auch die Instrumentierung mit Mellotron, Saxophone, Xylophon oder Zither eröffnet einen völlig neuen Harvey-Sound. Auch wenn man ausnahmslos jedes Album benennen könnte, auf dem Harvey ihre beste Gesangsleistung ablieferte, ist es doch “Let England Shake“ mit den feinen Nuancen und dem bisher facettenreichsten Gesang, den Harvey aufgenommen hat.
Mit 'All And Everyone' enthält das Album sogar den für mich ergreifendsten Song, den PJ Harvey bisher geschrieben hat.

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