Donnerstag, 22. August 2024

Ultravox - Vienna

 Ultravox-Vienna

Wenn es ein Album gibt, das die Essenz der 1980er Jahre in ihrer faszinierendsten und zugleich revolutionärsten Form einfängt, dann ist es ohne Zweifel "Vienna" von Ultravox. Ein Werk, das nicht nur für mich, sondern auch für eine ganze Generation von Musikliebhabern einen Meilenstein darstellt - und das nicht ohne Grund. Diese Platte erhebt sich majestätisch über das Meer von Veröffentlichungen, die jene dekadente, technologische und doch zutiefst emotionale Ära prägten.
Midge Ure, der charismatische Frontmann, der die Band nach der Ära von John Foxx in eine völlig neue Dimension führte, hat mit "Vienna" ein zeitloses und grandioses Meisterwerk geschaffen. Sein Talent, Melodien zu formen, die gleichermaßen prägnant wie emotional sind, ist in diesem Genre eine unverschämte Seltenheit. Jeder Song auf diesem Album trägt seine unverkennbare Handschrift, seine Fähigkeit, aus synthetischen Klängen menschliche Wärme zu extrahieren und sie in eine perfekte Symbiose mit der elektrisierenden Kälte der damaligen Studiotechnik zu bringen. Es ist fast, als ob Ure eine geheime Formel entdeckt hätte, die Emotionen in binäre Codes umwandelt und sie dann über diese brillanten Kompositionen freisetzt.

Der Opener ‘Astradyne‘ setzt bereits den Ton für das gesamte Album: ein majestätisches Instrumentalstück, das sich wie ein endloser Flug durch neonbeleuchtete, futuristische Städte anfühlt, der die Weite und Tiefe des Albums sofort erkennbar macht. Der Track beginnt mit einer Synthesizer-Sequenz, die sich langsam aufbaut und nach und nach ein unverwechselbares Thema entfaltet. Hier zeigt sich bereits das unglaubliche Gespür von Midge Ure für Melodien und Harmonien. Die Struktur von ‘Astradyne‘ ist so komplex wie organisch, das Zusammenspiel der Instrumente so perfekt abgestimmt, dass man sich in diesem musikalischen Universum verlieren kann. Die Schichtung der Klänge ist atemberaubend und schafft eine Atmosphäre, die sowohl futuristisch als auch zutiefst menschlich ist. Es ist ein Auftakt in epischer Breite und Tiefe zu einem Album, das in jeder Sekunde überrascht und fasziniert.

‘New Europeans‘ setzt diesen Weg fort, treibend und energisch, mit einer Präzision, die fast chirurgisch anmutet. Der Song kombiniert nahtlos elektronische Elemente mit einem kraftvollen Rock-Fundament, das Conny Plank meisterhaft inszeniert hat. Ures Stimme - klangvoll, durchdringend, nahezu hypnotisch - erhebt sich über die rhythmische Struktur, kraftvoll und doch fragil, immer perfekt im Einklang mit der Stimmung des Songs. Es ist diese Stimme, die dem Album seine unverkennbare Seele verleiht, die jedes Wort, jede Phrase in eine emotionale Welle verwandelt, die unweigerlich auf mich übergeht. Die Dramatik und Intensität, die Ure hier vermittelt, ist unvergleichlich und macht ‘New Europeans‘ zu einem weiteren Höhepunkt des Albums.

Mit ‘Passing Strangers‘ führt das Album diese Linie fort, doch hier schwingt eine gewisse Melancholie mit, die sich wie ein roter Faden durch den Song zieht. Der Song erzählt von der Vergänglichkeit, von Begegnungen, die im Fluss der Zeit verschwinden, doch es ist die Art und Weise, wie Ultravox dieses Thema musikalisch umsetzen, die mich immer wieder berührt. Die Harmonien sind meisterhaft, die Melodien fast greifbar in ihrer Schönheit. Ures Gesang ist hier besonders eindringlich, voller Emotion und gleichzeitig kontrolliert, als wolle er diese flüchtigen Momente für immer festhalten. Es ist dieser Spagat zwischen Kontrolle und Emotionalität, der ‘Passing Strangers‘ zu einem so eindringlichen Hit-Erlebnis macht.

‘Mr. X‘ ist dagegen ein Ausflug in andere Sphären, eine fast schon dystopische Vision, die sich in den elektronischen Klängen spiegelt. Hier zeigt sich die Band von ihrer experimentellsten Seite, und verneigt sich vor der kühlen Präzision und Eleganz von Kraftwerk, die in diesem Song unmissverständlich vorherrscht. Es ist diese Dualität, die Ultravox so besonders macht, diese Fähigkeit, Licht und Dunkelheit, Wärme und Kälte in einem einzigen Track zu vereinen.

‘Western Promise‘ schließlich nimmt diese dunkle Atmosphäre auf und führt sie weiter, doch hier wird sie durch ein Gefühl von Dringlichkeit und Spannung ergänzt. Der Track pulsiert förmlich vor Energie, als würde er auf etwas Unvermeidliches zusteuern. Die Produktion von Conny Plank erreicht hier einen neuen Höhepunkt, jede Note, jedes Geräusch ist perfekt platziert, um diese Spannung zu erzeugen. Ures Gesang ist hier fast verzweifelt, als würde er gegen die drohende Dunkelheit ankämpfen, und doch strahlt er gleichzeitig eine Stärke aus, die tief beeindruckt. Es ist diese emotionale Tiefe, die ‘Western Promise‘ zu einem der intensivsten Songs des Albums macht.

Und dann ist da natürlich ‘Vienna‘, der Titelsong, der über allem schwebt, der alles in den Schatten stellt. Dieser Song ist nicht nur ein Hit, sondern ein episches Meisterwerk, das die Synthesizer-Klänge in nie dagewesener Weise in den Mainstream führte. Die mysteriöse, fast geisterhafte Atmosphäre, die durch die Klänge der Synthesizer erzeugt wird, die dramatische Steigerung der Melodie und die unvergessliche Gesangsdarbietung von Ure - all das macht ‘Vienna‘ zu einem der besten Songs, die Ultravox jemals geschrieben haben. Es ist ein Song, der alles in sich vereint, was dieses Album so besonders macht: Die majestätische Produktion, die außergewöhnliche Melodieführung, und natürlich Ures unvergleichliche Stimme. Wie man sich wohl hinterher fühlen muss, wenn man so eine außergewöhnliche Komposition wie ‘Vienna‘ abliefert, bleibt wohl ewig das Geheimnis von Midge Ure.

Midge Ure ist die prägnante Figur auf diesem Album und bringt mit seinem Gespür für subtile, aber kraftvolle Melodien, die sich tief ins Gedächtnis einbrennen eine Dringlichkeit und eine Intensität in die Songs, die sie weit über den Standard hinausheben. Es sind nicht einfach nur Pop-Songs; es sind intensive musikalische Erzählungen, die mich immer wieder auf eine emotionale Achterbahnfahrt mitnehmen.

“Vienna“ von Ultravox ist für mich ein Meisterwerk der 80er Jahre, das mit jeder Note, jedem Synthie-Klang und jeder Gesangslinie die Essenz dieser Dekade in sich trägt. Es fängt diesen Moment der musikalischen Evolution ein, als New Wave aus den Schatten trat und die Popmusik mit einer nie dagewesenen Mischung aus Elektronik, Rock und Emotion revolutionierte. Das gesamte Album zeigt die enorme Bandbreite von Ultravox, die mit müheloser Leichtigkeit zwischen intensiven, fast punkigen Energien und glitzerndem Synthpop hin- und herwechselt. Die meisterhafte Produktion von Conny Plank und das unvergleichliche Talent von Midge Ure machen “Vienna“ zu einem Werk, das auch Jahrzehnte später nichts von seiner Strahlkraft verloren hat und mich immer wieder aufs Neue fasziniert, mich in seine Klangwelt zieht und mich dort gefangen hält.

”Rio“, ”Architecture & Morality“, ”Red Skies over Paradise“, ”A Secret Wish“… - Midge Ure hat dafür nur ein müdes Lächeln übrig. “Vienna“ ist und bleibt der fantastischste Synthie-Ritt der Achtzigerjahre, eingebettet in Conny Planks kantigem Soundpalast, mit allerlei zu bestaunender Alien-Studio-Technologie, dem nötigen (elektronischen) Rock-Instrumenten-Fundament und natürlich den sagenhaften und legendären Gesangslinien von Midge Ure.

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