Dienstag, 20. Oktober 2015

Stanley Kubrick - oder wie ich lernte, Filme zu lieben

Wenn ich so richtig überlege, wie ich zum Filmfan geworden bin, was die ausschlaggebenden Momente waren, kann eigentlich nur der Kubrick schuldig sein.
Ich glaube, mein erster Kubrick-Film war "Spartacus", den ich als kleiner Steppke mit Muttern geschaut habe. Bis heute habe ich mir den Film auch nie wieder erneut angesehen, keine Ahnung warum eigentlich.
Die eigentliche Infizierung fand in den frühen 90er Jahren statt, als ich endlich meinen eigenen Videorekorder hatte und schön die "Mitternachtsfilme" aufnehmen konnte, bis ich auf "A Clockwork Orange" stieß. Malcolm McDowell in seiner nie wieder erreichten Rolle als Alexander DeLarge, hat mich total umgehauen. Die Sprache(!), diese perfekt einprägsamen Bilder, die Story, diese betörend geile Musik und der abgedrehte Soundtrack von Wendy Carlos, sowie das kühle Setting (da sind Bilder im Film, die möchte ich alle als Shirtaufdruck) und jede Menge Nachdenkstoff ist nach wie vor einzigartig.
A-Clockwork-Orange
"A Clockwork Orange" hat mich zudem mit seiner Thematik sofort vereinnahmt und zu keiner Sekunde kalt gelassen. Auch heute, knapp 45 Jahre nach der Veröffentlichung, ist Kubricks schonungslose Attacke und Gesellschaftskritik (jaja) immer noch aktueller, als so ziemlich jeder moderne Film, welcher sich auch nur annähernd mit dieser Thematik beschäftigt.

Es gibt so unglaublich viele Szenen im Film, wo ich auch heute noch Gänsehaut bekomme. Ganz vorne dabei, die gottgegebene Record-Store-Szene, in der Alex mit seinem Gehrock und seinem Stock zu Beethovens 9. in einen schrill glitzernden Plattenladen einmarschiert und dann listig zwei junge Mädels abschleppt. Oder die Eröffnungsszene mit der herausfahrenden Kamera in der Korova Milk Bar, dazu der donnernde Sound von Carlos und die Willkommensrede von Alex. Auch das Gespräch zwischen Alex (im Schlüpfer) und Mr. Deltoid auf dem Bett ist eine Traumkomposition. Einige Szenen, wie die Vergewaltigung und die "Folterungen" in der Anstalt, sind immer noch "grässlich" anzusehen. Gerade hier erkennt man, wie weit Kubrick mit seinen "Visionen" bereits war, denn die Bilder sind auch heute noch sehr unangenehm.
"A Clockwork Orange" gehört immer noch zu meinen Lieblingsfilmen, wird aber von "Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb" in meiner Kubrick-Liste nochmals übertroffen.
Barry-Lyndon
"Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb" spielt bei mir nicht nur ganz weit vorne mit, sondern ist immer noch einer der lustigsten und zugleich bitterernsten Filme, den ein Regisseur gedreht hat. Der großartige Peter Sellers spielt hier gleich drei Rollen, wobei ich mich bis heute nicht entscheiden kann, ob nun der leicht tollpatschige Mandrake, der eigentlich nur zuhörende und entscheidungsarme Präsident oder Dr. Strangelove höchstpersönlich der beste Charakter ist. Jeder Typ wird von Sellers komplett anders dargestellt und zeigt besonders in diesem Film, was für ein unglaublicher Schauspieler er war.
Nicht weniger genial (und der eigentliche Star und mein Liebling im Film) ist George C. Scott als General Buck Turgidson. Wie fantastisch dieser Charakter ist, total überzeichnet, bescheuert, lustig, überheblich und einfach unglaublich geil anzusehen. Alleine seine Gespräche mit dem Präsidenten (wenn es um die Russen geht) sind legendär. Ebenfalls richtig stark ist die Rolle des Major T. J. "King" Kong, ultra gelassen und cool gespielt von Slim Pickens.
"Strangelove" ist sicherlich nicht der technisch anspruchsvollste Film von Kubrick, besitzt aber für mich eine große Anziehungskraft, ein kurioses Ideenfeuerwerk, wahnsinnig witzige Dialoge und Szenen, großartige Schauspielkunst und ist nach wie vor filmhistorisch gesehen eine satirische Meisterleistung.
Die mittlere Schaffensphase von Kubrick gehört sowieso zu den größten Momenten der Filmgeschichte. Ob es nun die schiere Bildgewalt von "Barry Lyndon" ist, die groteske Geschichte von "Strangelove", die kompositorische Meisterleistung von "A Clockwork Orange" oder die Revolution "2001: A Space Odyssey" mit seinen ungelösten philosophischen Rätseln - Kubrick erschuf Standards für kommende Filmemacher, formte neue Sehgewohnheiten und perfektionierte Bildsprache und Technik.
2001-A-Space-Odyssey
Ein weiteres enorm wichtiges Stilmittel von Kubrick war die Musik. Es gibt wohl kaum einen anderen Regisseur, der seine Bilder so perfekt und passend mit Musik ausgestattet hat wie Kubrick. Musik wird in seinen Filmen nicht nur als Beiwerk benutzt, sondern ist bis auf das kleinste Detail akribisch abgestimmt.
Ich will jetzt auch gar nicht weiter ausholen und alles bis auf das kleinste Detail sezieren, dafür wäre bei weitem mehr angebracht als ein paar Sätze und mein Geschreibsel wird einem Kubrick sowieso nicht gerecht, sondern mich einfach nochmal vor diesem großen Filmgenie verbeugen und ihm dafür danken, dass er mir mit seinen Filmen manch unvergessliche Momente und massiv viele geniale Stunden geschenkt hat. Und ja, hier trifft das Wort Genie wirklich zu, denn Kubrick war unter den Filmemachern vielleicht DAS Paradebeispiel dafür.
Full-Metal-Jacket
Meine persönliche Kubrick-Liste sieht übrigens so aus:

01. Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb
02. A Clockwork Orange
03. 2001: A Space Odyssey

04. Barry Lyndon
05. Paths of Glory
06. Lolita
07. Full Metal Jacket
08. The Shining
09. The Killing
10. Eyes Wide Shut

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